TV-Serie:
Der Name der Rose
Serien-Spezial von Carsten Jaehner (10.2019)/ Titelbild: © Concorde Home Entertainment
Nicht ganz so düster
Italien, 1327. In einem abgelegenen Kloster in den Alpen soll ein kirchenpolitischer Disput stattfinden, zu dem auch der Franziskanermönch William von Baskerville zusammen mit seinem Novizen Adson von Melk unterwegs ist. Als William ankommt, empfängt ihn der Abt, der berichtet, dass gerade ein junger Mönch tot aufgefunden wurde, ausserhalb der Klostermauer unter einem Turm. In der Folgezeit häufen sich die Todesfälle, und William wird vom Abt mit der Untersuchung der Todesfälle beauftragt.
Während sich William mit seinem Adlatus Adson im Kloster einlebt, ist auch der Inquisitor Bernardo Gui unterwegs zum Kloster, um die Gegenseite des Disputs zu führen. Er und William sind alte Bekannte, die bereits aneinander geraten sind, und beide würden eine Begegnung lieber vermeiden. Adson hingegen lernt bei seinen Streifzügen durch die umliegenden Wälder ein Mädchen kennen, dessen Sprache er nicht versteht, in die er sich aber verliebt.
Als alle beteiligten des Disputs angekommen sind, wird die Versammlung eröffnet. Leider konnte William die offensichtliche Mordserie bislang nicht aufklären, aber sie hoffen, die Ereignisse zumindest vor Gui verschweigen zu können. Doch es kommt anders, und William muss befürchten, dass Gui an ihm ein Exempel statuieren möchte.
Große Fußstapfen
Umberto Ecos großangelegter Roman aus dem Jahr 1980 wurde bereits 1986 von Jean-Jacques Annaud verfilmt, mit Sean Connery als William von Baskerville, Christian Slater als Adson und F. Murray Abraham als Bernardo Gui. In der als achtteilige Fernsehserie angelegten Neuverfilmung von 2019 wird die Hauptrolle von John Torturro verkörpert, der auch als Produzent und Drehbuchautor fungiert. In den Making Ofs wird erklärt, warum er sich so in dieses Projekt gestürzt hat: Er wollte mehr Eco, mehr Theologie, mehr Philosophie und nicht so sehr die Kriminalhandlung, die in der 1986er Verfilmung eindeutig im Vordergrund steht. Mit acht Folgen steht ihm auch deutlich mehr Zeit zur Verfügung als bei einem Spielfilm, die Torturro zu nutzen weiß.
Zu den Erzählsträngen, die im Annaud-Film nicht auftauchen, gehören eine intensivere Beleuchtung der Feindschaft zwischen William, einem ehemaligen Inquisitor und nun Franziskanermönch, und dem Inquisitor Bernardo Gui. Durch die teilweise Erzählung dieser Vorgeschichte erfährt man mehr über deren Konflikt und man versteht besser, warum Gui William besonders ein Dorn im Auge ist. Ein weiterer Erzählstrang dreht sich um den Kellermeister Remigius von Varagine, der mit einer Gruppe von Menschen einst ins Tal kam, darunter seine Tochter, die aber nun im Wald lebt, während Remigius als Klosterbruder lebt. Er wird neben dem kauzigen Salvatore derjenige sein, der als Ketzer verbrannt werden wird. Seine Tochter wird am Ende das Mädchen befreien und vor der Verbrennung retten. Leser des Romans werden diesen Handlungszweig wohl kritisch beäugen, kommt dieser doch im Roman nicht vor und ist daher eine „neue“ Erfindung.
„mehr Eco“
Insgesamt wirkt die Serie durch ihre vielen Erzählstränge, die auch in der Vergangenheit spielen, heller und nicht so mittelalterlich-düster und somit von Grund auf verdächtig. Torturro spielt William nicht als den verschmitzten Kauz wie Sean Connery es tat, sondern mehr wie ein Mensch wie alle anderen auch. Das führt insgesamt dazu, dass viele von Williams philosophischen Monologen mit Einzug gehalten haben in das Drehbuch und dieses daher neben dem Kriminalfall einen besonderen theologischen Anstrich bekommen hat. Es wird mehr über den Disput diskutiert, wegen dem Gui gekommen ist, und auch um den Disput herum kommen mehr Gedanken des Mittelalters zum Vorschein, die Sicht der Welt, die Sicht der Kirche, die Sicht des hingegen kleinen Menschen. Hierfür nimmt sich die Serie Zeit, sicher ein Gewinn für das Verständnis von Zeit und Ort, in dem die Serie spielt.
Damian Hardung spielt seine erste große Rolle als Adson und schafft es, einen noch nicht ausgereiften jungen Mann darzustellen, der noch nach seiner Rolle in der Welt sucht. Bernardo Gui wird dargestellt von Rupert Everett, eine ungewohnt düstere Rolle für jemanden, der sonst auf romantische Liebeskomödien spezialisiert ist. Dass er auch anders kann, zeigt er hier glaubhaft. Alle weiteren Nebenrollen sind gut besetzt, allerdings fehlen ihnen ein paar Ecken und Kanten, um sie zu wirklichen Charakteren zu machen. Die künftigen Opfer sind sehr glatt und schnell vergessen, auch Salvatore (unerreicht im Film: Ron Perlman, hier: Stefano Fresi) wirkt fast zu normal, obwohl er starke Szenen in seiner Papiermaschine im Wald hat. Auch seine Geschichte wird etwas genauer erzählt, was ein wenig Mitleid für ihn erwecken mag, aber nicht sehr viel.
Kein großer Wurf
Wer einen Roman als Serie verfilmt, der bereits in seiner Spielfilmfassung erfolgreich war, muss sich zwangsläufig Vergleiche gefallen lassen und die Frage, warum überhaupt. Umberto Eco war mit der Annaud-Verfilmung nur bedingt zufrieden, zumal einige Dinge aus der Romanvorlage geändert wurden. Aber er hat den Film als eigenständiges Werk akzeptiert. Gut eingefangen war die Düsternis und einige Straffungen, und beides fehlt der Serienverfilmung. Hatte Jean-Jacques Annaud noch für seine Mönche extra häßlich aussehende Männer mit Charakterköpfen gecastet, bleiben die Charaktere der Serie alle recht glatt, es fehlen Ecken und Kanten und Überraschungen. Das langsamere Erzähltempo tut nicht immer gut, es geht oft nicht wirklich voran, was nichts mit den philosophischen Ausschweifungen zu tun hat. Wer die Serie auf Deutsch sieht, wird zudem das Gefühl haben, eine unambitionierte Synchronfassung zu hören, die zum Teil recht emotionslos daherkommt.
Hinzu kommt, dass mit den Rückblenden aus den Biografien von Remigius oder Salvatore neue Aspekte in die Geschichte kommen, die im Buch nicht zu finden sind. Störend auch die vielen Begegnungen zwischen Adson und dem Mädchen im Wald. Im Buch gibt es nur eine einzige Begegnung, genau in der Mitte des Buches, die im Kloster stattfindet und Adson weithin prägt. Es gibt keine Chance, dass sich eine Beziehung entwickeln kann, in der Serie wird hingegen eine komplette Liebesgeschichte daraus. Kenner des Buches werden den Kopf schütteln.
Fazit:
Wer einen weltkannten Roman von 550 vollgepackten Seiten Mittelalter verfilmt, muss kürzen und Abstriche machen. Wer dies mittels einer achtteiligen Serie macht mit einer Laufzeit von insgesamt 415 Minuten (fast sieben Stunden), also gut einer Stunde pro Folge, der hat Zeit, sich auch um Nebengeschichten zu kümmern. Leider fällt dies in diesem Fall zu ausführlich auf und bedeutet Längen, die hätten vermieden werden können, da sie auch auf Kosten der Spannung gehen. Vor allem wenn die Längen auch Szenen betrifft, die in der Buchvorlage gar nicht vorkommen. Die deutsche Synchronisation ist uninspiriert, die Produktion für eine europäische an sich beachtlich, allerdings ist hier viel an Möglichkeiten verschenkt worden. Ob diese Neuverfilmung notwendig war, bleibt am Ende dem Urteil jeden Zuschauers selbst überlassen.
Der Name der Rose
Produktion: I/D 2019
Altersfreigabe: 12
DVD:
Laufzeit: ca. 416 Minuten + 64 Minuten Bonus
Bildformat: 1,78:1, (16:9)
Ton: Deutsch: DTS 5.1, DD 5.1, DD 2.0 / Englisch: DD 5.1
Untertitel: Deutsch
Bonus: Featurette, Interviews, B-Roll, Trailer
Blu-ray:
Laufzeit: ca. 416 Minuten + 131 Minuten Bonus
Bildformat: 1080p High Definition, 1,78:1, (16:9)
Ton: Deutsch: DTS-HD Master Audio 5.1, DD 2.0 Englisch: DTS-HD Master Audio 5.1
Untertitel: Deutsch Extras: Featurette, Interviews, B-Roll, Trailer
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