Die Pest - Staffel 1+2
Serien-Spezial von Carsten Jaehner (05.2020)/ Titelbild: Julio Vergne © Polyband
Eine kranke Stadt namens Sevilla
Sevilla, 1597. In Sevilla, der Metropole für den Überseehandel, bricht die Pest aus, und dies soll aus Sicht der adeligen Stadtoberen zunächst so lange wie möglich verheimlicht werden. Doch die Pest breitet sich aus, und so kommt der ehemalige Soldat Mateo zurück nach Sevilla, um Valerio Huertas aus der Stadt zu retten, was er einst dessen verstorbenem Vater versprochen hatte. Doch Mateo wurde inzwischen von der Inquisition wegen Verbreitung verbotener Bücher über den Protestantismus zum Tode verurteilt und war deshalb geflohen.
Mateo lässt sich nicht davon abhalten, in der pestverseuchten Stadt Valerio zu suchen und ihm eine Passage nach Amerika zu ermöglichen. Doch Valerio bleibt, da er eine Freundin hat. Mateo wird vom Generalinquisitor Celso de Guevara dazu engagiert, eine Mordserie aufzuklären und einen Serienmörder aufzuspüren; als Belohnung soll er dafür begnadigt werden. Also macht sich Mateo auf, mit Hilfe von Valerio als seinem Assistenten, der inzwischen gegen die Pest immun ist, und wird in eine weitreichende Verschwörung hineingezogen.
Währenddessen versucht Teresa, die Witwe von Mateos verstorbenem Freund, die geerbte Weberei weiter zu leiten, zudem malt sie Bilder unter dem Pseudonym ihres Vaters. Hierfür sucht sie in den Gossen der Stadt nach geeigneten Motiven und schleppt so die Hure Eugenia an, die ihr Modell steht und die sie später in ihrer Weberei anstellt, zum Ärger der dortigen Arbeiter. Mit Teresas Hilfe kommt Mateo des Rätsels Lösung näher und begibt sich damit in große Gefahr.
Packende Atmosphäre
Die spanische Fernsehserie „Die Pest“ (orig. La pesta) besteht aus sechs Folgen der ersten Staffel, die in Spanien erstmals 2017 gesendet wurde und noch vor der Erstausstrahlung um eine zweite Staffel wiederum mit sechs Folgen verlängert wurde. Sie war im Fernsehen erfolgreicher als „Game of Thrones“, wenngleich ein Vergleich natürlich hinkt, da Zeit, Handlung und Sujet völlig anders sind. Trotzdem macht die Aussage durchaus neugierig auf die Serie.
Die Serie spielt in Sevilla Ende des 16. Jahrhunderts. Die namensgebende Pest bricht aus und macht sich allmählich über ganz Sevilla her, das zu dieser Zeit Dreh- und Angelpunkt für Reisen nach Amerika ist und daher eine blühende Handelsstadt. Doch wo das normale Leben blüht, tut es das in dieser Zeit vor allem auch in den Hurenhäusern, Gassen und Unterwelten, und das sind die Hauptorte, in denen man sich in dieser Serie wiederfindet. Hier tobt das dreckige Leben, man sieht viel nacktes Fleisch, von Menschen und Tieren, tot wie lebendig, und was wir heute für Reinlichkeit halten, ist dort ein weit entfernter Traum, wenn überhaupt. Jeder muss sehen, wo er oder sie bleibt, die Stadt stinkt und bietet somit einen idealen Nährboden für den Ausbruch einer tödlichen Krankheit.
„Hier kommt man zu Lebzeiten schon in die Hölle.“
Das alles ist vom Ausstattungsteam beeindruckend in Szene gesetzt. Niemals kommt in dieser Serie ein wirkliches Wohlgefühl auf, die Stimmung ist meistens düster, und wenn tatsächlich einmal Tageslicht eine Rolle spielt, dauert es garantiert nicht lange. Gerade die Beleuchtung ist natürlich, man hat nie das Gefühl, dass künstliches Licht bei Dreharbeiten geholfen hat. Wenn es dunkel ist, ist es eben dunkel. Wenn eine kleine Lampe brennt, ist nicht gleich der halbe Saal erhellt, sondern eben nur das, was eine kleine Lampe auszuleuchten vermag. Das schafft eine bedrückende Atmosphäre, die den Zuschauer unweigerlich gefangen hält und, wie man so schön sagt, mittendrin hält statt nur dabei. Die moderne und nicht unbedingt anheimelnde Musik von Julio de la Rosa tut dazu ihr übriges und wiegt den Zuschauer niemals in Sicherheit.
In Sicherheit können sich auch die Protagonisten der Serie nicht wiegen. Hauptdarsteller Pablo Molinero gibt als Mateo Núñez einen intelligenten ehemaligen Strafgefangenen, der hereingelegt wurde und nun für die Kirche eine Mordserie aufklären soll. Natürlich gibt er sein bestes und kennt sich auch in den Niederungen der Stadt aus. Ihm zur Seite steht der junge Valerio Huertas (Sergio Castellanos), der durch seine inzwischen erworbene Immunität der Pest ein paar mehr ermittlerische Möglichkeiten hat als Mateo. Die weibliche Hauptrolle der Teresa Pinelo spielt Patricia López Anaiz, die Witwe von Mateos bestem Freund aus früherer Zeit und seitdem de facto Leiterin der Weberei, obwohl Frauen keine Geschäfte führen dürfen. Doch sie ist stark und setzt sich für die Belange und Rechte von Huren ein, von denen es in Sevilla reichlich gibt, auch was die Pest angeht…
Mehrere Krankheiten
In einer Nebenrolle als Verwalter von Teresa Pinelo trifft man wohl den einzigen im deutschsprachigen Raum Bekannten, wenn überhaupt, den Schauspieler Paco Tous, den man aus der Serie „Haus des Geldes“ in der Rolle des „Moskau“ kennt. Leider hat er es nicht bis in die zweite Staffel geschafft, obwohl dies durchaus handlungstechnisch möglich gewesen wäre.
Doch die titelgebende Pest ist nicht nur die allseits bekannte und um sich greifende Krankheit, sondern auch diejenige, die in den Köpfen der Menschen herrscht und die die Menschen sich hassen, sich nicht respektieren und jeden nur an sich selbst denken lässt. Natürlich tut das jeder, um überleben zu können, aber auch verschiedene Brüderschaften und die katholische Kirche haben ihre Netze gesponnen und ausgeworfen und sind somit weitere „Krankheiten“ – Pest eben.
„Die wahre Pest ist die Unwissenheit, daran geht der Mensch wirklich zugrunde.“
Dass die erste Staffel in Spanien ein so großer Erfolg wurde, verwundert nicht, da sie sehr authentisch und spannend ihre Geschichte erzählt. Die zweite Staffel hat den Untertitel „Die Hand der Garduña“ und spielt ein paar Jahre später.
Mateo ist in Feuerland und ihn erreicht eine Nachricht von Teresa Pinelo, die ihn mit dem nächsten Schiff zurückfahren lässt. In Sevilla verbreitet die Garduña, die Bruderschaft der Diebe aus der Unterwelt, Angst und Schrecken und hat eine Schiffsladung Huren getötet, die Teresa retten wollte. Gleichzeitig ist Valerio verschwunden, der inzwischen die Weberei übernommen hatte. Der neue Stadtherr Federico Davidas Aria will die Garduña zur Strecke bringen und versucht es auf legale Weise, doch die Garduña geht mit Gewalt gegen das Volk vor.
Der Kartenspieler Baeza träumt davon, eines Tages ein Hurenhaus zu besitzen und lässt sich dafür auf einen Handel mit der Garduña ein. Er ist ein geschickter Spieler und hat mehrere Eisen im Feuer, die ihn von einer Gefahr in die nächste bringen. Während Baeza ein gefährliches Spiel spielt, kommen Mateo und Aria einer weitreichenden Verschwörung auf die Spur, in der es nicht nur um viel Geld und Macht, sondern auch um das Wohl der Stadt Sevilla selbst geht…
Fortsetzung mit Sinn und Verstand
Die Hauptrollen der ersten Staffel werden um ein paar Figuren erweitert und tauchen wiederum in die Unterwelt Sevillas ab, diesmal aber wirklich und ohne die Krankheit „Pest“. Überhaupt spielt die Krankheit hier keine Rolle, allenfalls haben ein paar Huren die Syphilis, was aber für die Handlung unerheblich (weil für die Zeit und die hygienischen Möglichkeiten normal) ist. Die eigentliche Pest ist eben die Bruderschaft der Unterwelt, die sich in ganz Sevilla breit gemacht hat und die nur schwer auszurotten ist. Der ehrgeizige neue Stadtherr hat die Aufgabe, der Garduña das Handwerk zu legen, aber er ist neu in Sevilla und ihm fehlen Kontakte und Wissen. Da kommt ihm Mateo gerade recht, und gemeinsam gehen sie der Gruppe, die Sevilla von unten beherrscht, auf den Grund.
Die Ausstattung ist ebenso gelungen wie die der zweiten Staffel und jeder Zuschauer wird froh sein, damals nicht und schon gar nicht in Sevilla gelebt zu haben. Man fühlt ein wenig mit den Schauspielern mit, was sie wohl alles während der Dreharbeiten über sich haben ergehen lassen müssen, von den realistischen Darstellungen der Qualen, Verbrennungen, dem Abschneiden von Körperteilen usw. einmal abgesehen.
Das ist spannende Unterhaltung auf hohem produktionstechnischen Niveau und sollte ein Vorbild für viele Fernsehproduktionen sein. Schade, dass sowohl die DVD der ersten als auch der zweiten Staffel (jeweils als Doppel-DVD bzw. Blu-Ray erhältlich) keine Extras wie „Making-Ofs“ enthalten, die wären bestimmt sehr erhellend und interessant gewesen.
Die zweite Staffel ist insgesamt nicht ganz so stringent wie die erste, auch sind die Folgen der zweiten jeweils ein paar Minuten kürzer als die der ersten. Dennoch sind sie keine „gewollte“ Fortsetzung, sondern eine neue Geschichte mit Sinn und Verstand.
Dass eine Serie mit dem Namen „Die Pest“ gerade in heutigen Tagen die Aufmerksamkeit erregt, dürfte sich fast von selbst erklären. Wie auch in der Serie kann man heute sehen, dass es nicht die eigentliche Krankheit ist, die das Problem ist. Je länger sie dauert und je weniger man sie sieht, desto tödlicher bleibt sie doch. Dass man sie nicht sieht, bedeutet nicht, dass sie nicht da ist. Und wie der Arzt in der ersten Staffel sagt: „Die wahre Pest ist die Unwissenheit, daran geht der Mensch wirklich zugrunde.“ Und das ist gefährlich, damals wie heute. Leider macht das diese Serie so aktuell.
Fazit:
Die zwei Staffeln der spanischen Serie „Die Pest“ entführen den Zuschauer in das Sevilla Ende des 16. Jahrhunderts und nötigen dem Zuschauer auch einiges ab. Hier wird realistisch gezeigt, wie das Leben damals war, und manch zart besaiteten Zusehern dürfte das gelegentlich auf den Magen schlagen. Die authentische Darstellung und Produktionsweise lässt oft erstaunen und machen das Fernseherlebnis umso eindrücklicher. Auch wenn die zweite Staffel nicht ganz die Intensität der ersten erreicht, kann man sie doch als Gesamtgeschichte sehen, obwohl sie auch einzeln anzuschauen sind. Merket auf, spanische Serien sind im Kommen!
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