Die Dirigentin

Film-Kritik von Carsten Jaehner (06.2021)
Titelbild: © Studio Hamburg Enterprises

Eine Frau erobert eine Männerdomäne

New York, 1926. Die junge Willy ist Platzanweiserin im Konzerthaus, möchte aber lieber selber Dirigentin werden. Als ihr großes Vorbild Wilhelm Mengelberg ein Konzert dirigiert, dirigiert sie heimlich in der Herrentoilette mit, wo man das Konzert gut mithören kann. Doch dort wird sie von Frank Thomsen erwischt, einem jungen und reichen Schnösel. Um dem Konzert aber vollends folgen zu können, nimmt sie sich kurzerhand einen Klappstuhl und setzt sich in den Mittelgang direkt hinter den Dirigenten, und will die Partitur mitlesen. Natürlich wird sie entfernt und entlassen.

Eindrucksvoll beschreibt der Film „Die Dirigentin“ der niederländischen Autorin und Regisseurin Maria Peters den Weg der ersten weiblichen Dirigentin Antonia Brico, die nicht nur gegen die Ansichten männlicher Musiker ankämpfen muss.  Auch gegen ihre strenge Mutter muss sie sich ständig behaupten, dabei rutscht ihr irgendwann in einem Streit aus Versehen heraus, dass sie gar nicht Willys Mutter ist. Dies ist schließlich Schlüsselmoment und Auslöser, dass Willy ab sofort ihren eigenen Weg gehen will; doch auch hier werden ihr von allen Seiten Steine in den Weg gelegt. Selbst bei ihren Förderern und Lehrern kann sie sich nicht sicher sein, ob sie wirklich als Person oder schlicht als Objekt gesehen wird.

Angenehme Regie

Maria Peters hat nach ihrer Regiearbeit auch den gleichnamigen Roman zu der außergewöhnlichen Lebensgeschichte von Antonia Bricos verfasst, der sich ebenso launig liest, wie sich der Film anschaut. An keiner Stelle entsteht Langeweile, es herrscht neben der ernsten Thematik doch ein angenehmer Ton vor, der vor allem die Hauptdarstellerin Christianne de Bruijn für sich einnehmen lässt. Sie verkörpert Antonia Brico glaubhaft in ihrer Entwicklung - der leicht naiven Platzanwärterlein bis zu ihrem Lebensziel, als sie endlich und tatsächlich große Orchester dirigieren darf; ja, auch ein eigenes gründet. Sie beherrscht die Geschichte ganz souverän und man verfolgt gerne ihren steinigen Weg, im privaten wie im beruflichen.

Benjamin Wainwright als Frank Thomsen ist der junge Schnösel aus reichem Haus, der eigentlich das richtige will, aber das falsche tut. Zwar liebt er Antonia, kann aber auch nicht über seinen Schatten (und über den Widerstand seiner Mutter) springen. Scott Turner Schofield spielt den Bandleader Robin Jones, in dessen Jazzkeller Antonia das lockere Klavierspiel pflegt und in dem sie ihren Lebensunterhalt verdient. Er ist immer auf ihrer Seite, auch alle anderen in seinem Bühnenensemble stehen ihr bei. Hier zeigt sich, dass Musiker am Ende doch immer zusammenhalten.

Unterhaltsam, gefühlvoll, aber nicht kitschig

Schön eingefangen ist das New York der 1920er Jahre, zudem auch Amsterdam und ein wenig Berlin, wo Antonia studiert, aber von Berlin an sich sieht man wenig. Interessanter ist aber auch vielmehr Antonias Weg und wie sie es am Ende doch schafft, die Leute für sich einzunehmen. Und wenn am Ende ein unerwarteter „Deus ex machina“ dafür sorgt, dass sie doch in New York ein Konzert (nein, zwei) dirigieren darf, sollte man im Hinterkopf haben, dass das keine Idee der Autorin oder Regisseurin war, sondern tatsächlich so passiert ist. Manche Dinge kann man sich nicht ausdenken, sie müssen wirklich geschehen sein.

Fazit:

Alles in allem ist die Verfilmung von „Die Dirigentin“, die im April 2021 auf DVD erschienen ist und im Corona-September 2020 in den deutschen Kinos leider untergegangen ist, ein höchst unterhaltsamer Film, der den Einzug einer Frau in eine Männerdomäne zeigt - und wie sie diesen steinigen Weg dennoch erfolgreich geht. Dabei drückt der Film nicht auf die Tränendrüse, sondern zeigt Antonias Weg mit viel Gefühl, Humor und Musik. Sehr empfehlenswert!

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Szenenfotos:  © Studio Hamburg Enterprises

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