Martina André
Vom Besenritt über den Bodensee
02.2008 Martina André sprach mit der Histo-Couch darüber, wie man mehrere Genres zu einem spannenden und sinnvollen Ganzen verbinden kann, über den fünfjährigen Entstehungsprozess ihres aktuellen Romans „Das Rätsel der Templer“ und über eine potenzielle Fortsetzung desselben.
Histo-Couch: Zuallererst Kompliment für diesen Roman. Wie schon in der Rezension beschrieben, unglaublich spannend. Ein gelungener Genremix …Wie sind Sie zum Schreiben gekommen, Frau André?
Martina André: Eher zufällig. Ich lese gern und hab als Jugendliche auch das ein oder andere Manuskript verfasst. Ich habe aber nie daran gedacht, etwas veröffentlichen zu wollen. 2001 (nachdem ich mehrere Bücher hintereinander gelesen hatte, bei denen mich nicht nur die Story sondern vor allem die „Schreibe“ faszinierte) kam mir der Gedanke, es selbst einmal zu versuchen. 2003 im November war es dann endlich soweit. Das Rätsel der Templer wurde unter dem Arbeitstitel Tausend Jahre wie ein Tag geboren. Eine bekannte Autorin, die mir bei der Münzrecherche geholfen hat, meinte dann später, ich solle das Manuskript ihrer Agentur in Hamburg anbieten. Ich hab danach noch ein Jahr geschrieben, bevor ich diesen Schritt tatsächlich und ohne jegliche Erwartung gewagt habe. Innerhalb von drei Monaten kürte man mich dort zur Schriftstellerin, indem man mir zunächst eine Auftragsarbeit bei einem renommierten Verlag beschaffte. Es ging alles unverhofft schnell und unkompliziert und entsprach überraschenderweise nicht den Erfahrungsberichten so manch anderer AutorInnen, die lange nach einem passenden Verlag gesucht haben.
Histo-Couch: Zu Ihrem Buch „Das Rätsel der Templer“: Die Bemerkungen über Tom und die NSA (Seite 748), sowie die Tatsache, dass die Handlungsstränge des Jahres 2151 und festsitzende Zeitreisende in Jerusalem in der früheren Vergangenheit nicht abgeschlossen worden sind, lässt auf eine Fortsetzung hoffen. Haben Sie dazu schon Pläne? Gibt es solche Überlegungen?
Martina André: Ehrlich gesagt, habe ich noch nicht bei meinem Verlag angeklopft, und gefragt, ob man dort zu einer Fortsetzung bereit wäre. Ich könnte es mir gut vorstellen, samt meinen Protagonisten ins Jahr 1148 abzutauchen und dem wahren Geheimnis der Templer noch weiter auf die Spur zu kommen. Es gibt da noch einige interessante Handlungsstränge, die man getrost weiter verfolgen könnte. Vor allem, weil so einiges in der Story noch nicht aufgeklärt scheint.
Histo-Couch: Ihr erster Roman „Die Gegenpäpstin“ war ein Mystery-Thriller, das aktuelle Buch ist ein Fantasy-Histo-Roman. Ist Martina André eine Epochen- undGenre-Springerin oder lässt sie sich doch in absehbarer Zeit festlegen?
Martina André: Ich hoffe nicht. Ich selbst mag Geschichten und AutorInnen, die sich nicht einordnen lassen, wie zum Beispiel Frank Schätzing, Kai Meyer oder Andreas Eschbach. Frei nach dem Motto: „Spaß, Spannung und Schokolade“ – ganz gleich welches Genre in welcher Kombination auch immer bedient wird. Verlage setzen da wohl lieber auf „Nummer Sicher“, damit es keine Enttäuschung bei den LeserInnen gibt. Das führt dann dazu, dass viele AutorInnen unter verschiedenen Pseudonymen schreiben, je nachdem, ob sie einen historischen oder einen Fantasyroman veröffentlichen. Das Rätsel der Templer ist neben Diana Gabaldons Feuer und Steinoder Kai Meyers Die Vatikan Verschwörung ein gutes Beispiel dafür, dass man durchaus mehrere Genres zu einem spannenden und sinnvollen Ganzen verbinden kann.
Histo-Couch: Gibt es schon weitere Projekte? Zu welchem Thema werden wir nächstes Mal von Ihnen hören?
Martina André: Ja, ich reite zurzeit wieder mit dem „Besen über den Bodensee“, wie mein Verlagsleiter so nett meinte, als ich ihm das neue Projekt bei unserem letzten Treffen vorgestellt habe. Was er genau damit ausdrücken wollte, hat er mir nicht verraten. Vielleicht bezieht sich seine Äußerung auf meine Neigung, wahre und erfundene Begebenheiten recht hemmungslos und doch glaubwürdig miteinander zu verbinden. In diesem Fall wieder einmal Historie, Wissenschaft und vergangene und aktuelle Politik, dazu eine gute Portion Mystik und eine noch nicht ganz so alte Legende.
Histo-Couch: Wie sind Ihre Erfahrungen mit dem Thema „Wie man sein Erstlingswerk bei einem Verlag unterbringt“? Gelten Sie mit Ihrem zweiten Buch schon als etabliert (gilt bei den Verlagen der Name des Autors oder geht es nach Genre, sodass Sie mit Das Rätsel der Templer sozusagen wieder bei Null anfangen mussten)?
Martina André: In der Sache habe ich keine einschlägigen Erfahrungen. Außer die, dass es bei renommierten Verlagen, wozu sich die Aufbau-Verlagsguppe mit Gewissheit zählen kann, üblich ist, die Arbeit mit einem/einer AutorIn auf längere Sicht anzulegen. Dazu gehören unter anderem der Wille und die Fähigkeit, mehr als ein Buch schreiben zu können. Außerdem wird eine gewisse Flexibilität erwartet. Gut ist, wenn man auch Geschichten im Auftrag des Verlages zum Beispiel zu aktuellen Themen fertigen kann. Die Gegenpäpstin war so ein Beispiel. Man bat mich, zunächst eine Geschichte zu Maria Magdalena zu verfassen und stellte mir damit in Aussicht, bei einem positiven Ergebnis auch meine (bereits als Manuskript vorliegenden) „Templer“ veröffentlichen zu wollen. Nun – wir sind bei der „Gegenpäpstin“ knapp zehn Monate nach deren Erscheinen bereits in der vierten Auflage und haben sogar schon die Option für die Filmrechte verkauft. Damit war es keine Frage, dass meine „Templer“ im Oktober des letzten Jahres pünktlich zum 700. Jahrestag der Vernichtung des Ordens bei Rütten & Loening an den Start gehen durften.
Histo-Couch: Die Dauer von den ersten Vorrecherchen bis zur Buchveröffentlichung hat ja nach Ihren eigenen Angaben fast fünf Jahre gedauert. Erzählen Sie uns, wie es Ihnen dabei ging. Wie hat sich die Geschichte entwickelt (gab es viele Änderungen, die allmählich eingeflossen sind)?
Martina André: Der eigentliche Schreib- und Rechercheprozess bei Das Rätsel der Templer hat insgesamt drei Jahre gedauert. Die Idee hierzu entstammte einer uralten Zisterzienserlegende, die ich bereits im Kindesalter kannte. Spannend war, dass sich die Geschichte innerhalb der Recherche (Reisen nach Frankreich, innerhalb Deutschlands und bis nach Schottland mit inbegriffen) von ganz alleine gefügt hat. Wer heute nachrecherchieren möchte, wird feststellen, dass die Story verblüffende Wahrheiten beinhaltet, die hart an der Realität geschrieben sind und die ganze Geschichte wahrscheinlicher machen, als man zunächst glauben möchte. Es sind darüber hinaus eine ganze Menge Dinge während des Schreibens tatsächlich geschehen- nachdem ich sie zuvor ins Manuskript aufgenommen hatte – sodass nicht nur mir, sondern auch meinen Probelesern die ganze Angelegenheit mit der Zeit richtig unheimlich erschien.
Histo-Couch: Was hat der Verlag bei diesem Roman mitbestimmt bzw. vorgeschrieben?
Martina André: Einzig, dass ich aus Kostengründen zweihundert Seiten kürzen musste. Eine Tatsache, die einige Fans der Geschichte als bedauerlich ansehen. Aber so ist das nun mal im harten Verlagsgeschäft.
Histo-Couch: Gab es Zeiten, in denen Sie das Skript am liebsten weggeworfen hätten und lieber etwas ganz Anderes gemacht hätten?
Martina André: Nein. Nie! Ich war und bin absolut überzeugt von der Story, zumal sie trotz aller fantastischen Begebenheiten recht realistisch geschrieben ist.
Histo-Couch: Sind Gedanken aufgekommen, die historische Exaktheit (soweit man das anhand der Überlieferungen überhaupt sagen kann) zugunsten eines schnelleren Vorankommens in den Hintergrund zu stellen (was Sie aber offensichtlich – dankenswerterweise – nicht gemacht haben)?
Martina André: Nein, das war überhaupt nicht nötig – wie gesagt, ich habe mich nicht nur in historischen Fakten hart an der Realität orientiert. Zum Beispiel die Ausgrabungen im arabischen Teil auf dem Tempelberg in Jerusalem haben just im Spätsommer 2004 begonnen – ich war im Oktober 2007 zum wiederholten Male in Jerusalem und durfte sie mit einiger Ehrfurcht im Vorbeigehen bestaunen. Allerdings finden sie unter strengster Bewachung statt. Ausschließlich arabische Firmen sind daran beteiligt und Außenstehende dürfen nicht näher herantreten…
Histo-Couch: Sind Ihnen Ihre Roman-Figuren ans Herz gewachsen?
Martina André: Ja – klar. Vor allem weil die Romanfiguren die Story faktisch selbst geschrieben haben. Es ist ein merkwürdiges Gefühl, wenn man als AutorIn im Geiste wie mit einer Videokamera durch die Geschehnisse wandert und erlebt, wie die Figuren als selbstständige Wesen ganz von alleine agieren und einem sogar die Dialoge vorgeben. Ich habe nie zuvor gedacht, dass so etwas möglich ist. Vielleicht ist dieses Erlebnis das Aufregendste beim Schreiben überhaupt. Bei meinem Hauptprotagonisten Gero von Breydenbach kam hinzu, dass ich seinen von Beginn an „erfundenen“ Familiennamen nach gut einem Jahr Recherche in einer uralten Doktorarbeit entdeckte. Es ging darin um die Besitzungen der Templer in Deutschland – hier besonders im Rhein/Maingebiet – und der einzige Familienname, der in diesem Zusammenhang auftauchte, war der Name von Breidenbach. Das sind Momente, wo selbst ich eine Gänsehaut bekomme.
Histo-Couch: Wie nehmen Sie Abschied von Ihren Figuren (wenn sie getötet werden oder wenn das Buch zum Schluss kommt)? Empfinden Sie das als Autorin anders denn als Leserin?
Martina André: Ich befürchte ja. Mein sehnlichster Wunsch wäre es, meine Geschichten völlig unvoreingenommen lesen zu können, wie jemand, der sie zum ersten Mal in der Hand hält. Ich denke, so manche LeserInnen verfügen darüberhinaus über eine noch weit ausgeprägtere Fantasie, als ich sie besitze, und können aus der Story und den Figuren noch weit mehr herausholen, als das, was ich mir dabei gedacht habe. Die Spannung geht beim Schreiben – was mich betrifft – zum Ende hin total verloren. Ich weiß ja mittlerweile, was hinter der nächsten Ecke passiert. Also wird mir nichts anderes übrig bleiben, als zu Büchern diverser KollegInnen zu greifen, wenn ich ein ähnlich spontanes Gänsehautfeeling wie meine LeserInnen erleben möchte. Was den Abschied von den Figuren betrifft, so denke ich eher, dass die Protagonisten mit einer Veröffentlichung erst so richtig zum Leben erweckt werden und zwar in den Köpfen von tausenden Menschen. Das ist ein unglaublich aufregendes Gefühl, besonders, wenn man als AutorIn erfährt, dass es LeserInnen gibt, denen man mit der Story eine echte Freude bereitet hat.
Histo-Couch: Vielen Dank für dieses Interview!
Das Interview führte Volker Faßnacht.
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