Susanne Goga
„Die Geologie war von Beginn an mein Thema“
12.2009 Histo-Couch im Interview mit Susanne Goga über Leonardo da Vinci, Fossilien und ihre Leser.
Histo-Couch: Frau Goga, sie haben eine Handschrift von Leonardo Da Vinci als zentralen Punkt in ihrem jüngsten Roman gewählt. Welche Rolle spielt Da Vinci in Ihrem Leben?
Susanne Goga: Sein universelles Wissen und seine grenzenlose Neugier auf die Welt haben mich, neben seinen Kunstwerken, schon immer interessiert. Es war für mich ein ganz besonderer Moment, als ich im letzten Jahr in Mailand sein „Abendmahl“ aus nächster Nähe betrachten konnte.
Histo-Couch: Wann stand für Sie fest, dass die Handschrift „Codex Leicester“ in Ihrem Roman eine wichtige Rolle spielen würde?
Susanne Goga: Als ich entdeckte, dass Leonardo darin unter anderem auch über Geologie geschrieben hat. Die Geologie war von Beginn an mein Thema, und ich habe es als äußerst glücklichen Zufall empfunden, als ich auf die bewussten Passagen aus dem Codex Leicester stieß.
Histo-Couch: Nach dem Hype um „Sakrileg“ war Leonardo Da Vinci ja für einige Zeit in aller Munde. Kommt das Ihrem Roman entgegen oder hatten Sie eher Probleme damit?
Susanne Goga: Probleme gab es im Vorfeld keine. Ob die Leser irgendwelche Verbindungen herstellen, wird sich zeigen. Es ist ja schon einige Jahre her, und die ganze Aufmachung des Buches zeigt, wie ich glaube, sehr deutlich, dass es sich nicht um einen Verschwörungsthriller in der Tradition von Dan Brown handelt.
Histo-Couch: Eine weitere zentrale Rolle in ihrem Roman spielt die Geologie. Befassen Sie sich selber mit diesem Thema? Liegt auf ihrem Pult eine Versteinerung?
Susanne Goga: Schon als Kind habe ich Steine gesammelt und immer auf Fossilien gehofft, aber die findet man hier, wo ich wohne, nicht sehr oft. So ganz hat mich das Thema wohl nie losgelassen. Dann las ich vor einigen Jahren Bill Brysons Buch „Eine kurze Geschichte von fast allem“, in dem es ein wunderbares Kapitel über die Anfänge der Geologie in England gibt. Das war für mich der Auslöser zu diesem Roman.
Und, ja, auf meinem Schreibtisch liegen einige Steine und auch ein fossiler Ammonit, den ich geschenkt bekommen habe.
Histo-Couch: Die Geschichte spielt in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts, also einer Zeit, da die Emanzipation der Frauen noch in den Kinderschuhen steckte. Dennoch haben Sie sowohl mit der Hauptprotagonistin als auch mit deren Tante zwei sehr starke, selbstbewusste Frauenfiguren geschaffen. Wie intensiv haben Sie sich mit der Emanzipation auseinander gesetzt?
Susanne Goga: Mir ist bewusst, dass Georgina und ihre Großtante eher die Ausnahme sind. Aber es ist eben spannend, wenn Frauen ihre Möglichkeiten ausloten und über die Grenzen, die man ihnen setzt, hinausgehen.
Allerdings gab es auch in Wirklichkeit Persönlichkeiten wie Mary Anning, die schon als Kind mit dem Sammeln von Fossilien zum Familienunterhalt beitrug. An sie erinnere ich zu Beginn des Romans. Und gerade in der Geologie betätigten sich auch Frauen aus höheren gesellschaftlichen Schichten, die eigenhändig nach Steinen gruben und Höhlen erforschten.
Histo-Couch: Konnten Sie sich mit der Handlungsweise von Georgina identifizieren? Beispielsweise als sie sich in die Vorlesung schmuggelte …
Susanne Goga: Ja, da habe ich beim Schreiben mitgefiebert. Ich weiß nicht, ob ich selbst den Mut dazu gefunden hätte, stelle mir aber gern vor, dass es so wäre.
Histo-Couch: Die Geschichte von Georgina und Justus endet so, dass vieles möglich ist. Wird es eine Fortsetzung geben?
Susanne Goga: Hm, schwierige Frage. Wenn mir etwas dazu einfällt …und wenn die Leser es so wollen …man sollte niemals nie sagen.
Histo-Couch: Das Publikum von klassischen historischen Romanen ist zu einem grossen Teil weiblich. Sie wählten aber mehrere Themenbereiche, die auch eine männliche Leserschaft ansprechen dürften. Wer ist Ihr Zielpublikum?
Susanne Goga: Eigentlich habe ich kein festumrissenes Zielpublikum. Ich möchte eine möglichst breite Leserschaft erreichen und würde mich daher freuen, wenn sich viele Männer auf das eher weiblich dominierte Terrain des historischen Romans wagten, um Das Leonardo-Papier zu lesen.
Histo-Couch: Wieso haben Sie als Deutsche Autorin den Schauplatz England gewählt?
Susanne Goga: Vorhin erwähnte ich das Buch von Bill Bryson, das mich inspiriert hat. Die Geologie hat sich in Großbritannnien früh und in besonderem Maße entwickelt. Es gab viele interessante Persönlichkeiten, so auch den exzentrischen William Buckland, die mich beim Schreiben sehr gereizt haben. Außerdem grassierte damals eine Art „Geologie-Fieber“ in der Bevölkerung, und viele Laien zogen los, um Steine zu sammeln. Da lag es nahe, den Roman in England anzusiedeln.
Histo-Couch: Sie arbeiten als Literatur-Übersetzerin, haben inzwischen aber auch selber drei Bücher verfasst. Was bedeutet Ihnen das Schreiben?
Susanne Goga: Schreiben und Übersetzen sind mir sehr wichtig, ich möchte ungern auf eins davon verzichten. In beiden Berufen gehe ich mit Sprache um, wenn auch auf sehr unterschiedliche Weise.
Als Übersetzerin bin ich an eine Vorlage gebunden, hole sie aber aus einer fremden in meine eigene Sprache, eine durchaus kreative Arbeit, die auch eine gewisse Sicherheit vermittelt. Beim Schreiben bin ich freier, aber auch ohne festen Halt, auf den ich mich stützen kann. Das ist manchmal nicht so einfach.
Histo-Couch: In dem Moment, in dem Ihr Buch in den Handel kommt, muss es sich auch der Kritik der Leserinnen und Leser stellen. Wie gehen Sie mit der Publikumsmeinung um? Bedrückt es Sie, wenn kritisiert wird?
Susanne Goga: Natürlich freue ich mich über positive Kritik, aber ich muss damit leben können, wenn den Lesern mein Buch nicht gefällt. Das liegt in der Natur der Sache. Wichtig ist natürlich, ob die negative Kritik begründet wird, so dass ich daraus lernen kann, oder ob ein Buch einfach niedergemacht wird.
Histo-Couch: Was wünschen Sie sich von Ihrer Leserschaft?
Susanne Goga: Viel Interesse und Neugier. Dass sie sich auf das Thema und die Figuren einlässt. Dass mein Buch weiterempfohlen wird, wenn es den Lesern gefallen hat. Ich freue mich auch über Reaktionen und Anregungen.
Histo-Couch: Ist ein nächstes Buch schon in Arbeit? Wird es ein historischer Roman sein? Oder ein Krimi?
Susanne Goga: Ja, und es wird wieder ein historischer Roman. Aber – anderes Land, andere Zeit, anderes Thema. Ich begebe mich ins Deutschland der 1870er Jahre und kehre nach Berlin zurück. Mehr möchte ich aber noch nicht verraten.
Histo-Couch: Vielen Dank für das Interview!
Das Interview führte Rita Dell’Agnese.
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