Tanja Kinkel

„Elisabeth hat mich nie los gelassen“

04.2010 Die Histo-Couch im Interview mit Tanja Kinkel über Experimente, Stilbrüche und Königin Elizabeth I.

Histo-Couch: Frau Kinkel, was unterscheidet „Im Schatten der Königin“ von ihren bisherigen Romanen?

Tanja Kinkel: Es handelt sich um mein erstes Experiment als Ich-Erzähler. Für mich als Autorin ist es immer wieder reizvoll, Experimente zu wagen. Da ich mich dazu entschied, zwei verschiedene Personen erzählen zu lassen, stand ich gleich vor einer doppelten Herausforderung. Für den Leser hat dies aber zur Folge, dass er stets auf dem gleichen Kenntnisstand wie der Erzähler ist und durch den Perspektivenwechsel auch Dinge erfährt, die ihm bei nur einem Erzähler im Verborgenen geblieben wären. So erlebt also der Leser sozusagen „live“ mit, wie sich Thomas Blount bemüht, die rätselhaften Umstände des Todes von Amy, der Frau seines Freundes Robert Dudley aufzuklären.

Histo-Couch: Nach einem schriftstellerischen Ausflug nach Ägypten kehren Sie in diesem Roman nach England zurück …

Tanja Kinkel: Ich habe mich stets bemüht, jedem meiner Romane einen anderen Schauplatz zu geben. Bei diesem Roman ist es nicht nur England, es ist auch das elisabethianische Zeitalter. Eine Epoche, die mich schon sehr lange fasziniert. Schon vor 16 Jahren wollte ich einen biographischen Roman über Elisabeth schreiben. Bei meinen Recherchen stiess ich dann auf einen Roman, der nicht nur wunderbar geschrieben ist, sondern auch der selben Interpretation folgte, wie ich sie mir als Grundlage zurecht gelegt hatte. Deshalb verzichtete ich darauf, diesen Roman zu schreiben. Sowohl die Zeit als auch die Frau haben mich aber weiterhin begleitet und so habe ich meine Überlegungen – wenn auch sehr diskret – in den Roman „Unter dem Zwillingsstern“ einfliessen lassen.

Histo-Couch: Mit der Aufarbeitung des mysteriösen Todes von Amy Dudley stellen Sie erneut nicht Elisabeth ins Zentrum …

Tanja Kinkel: Die Zeit hat mich tatsächlich nie losgelassen. Als ich auf die Figur von Amy stiess, beschloss ich, einen Roman zu schreiben, der innerhalb nur einer einzigen Woche spielt und in dem Elisabeth nur eine Nebenfigur – wenn auch eine wichtige – darstellt. Das Spannende an dieser Episode ist, dass sie den Auftakt zu einer jahrzehntelangen Herrschaft darstellte, die sich damals noch niemand so richtig vorstellen konnte. In dieser Woche hat sich herauskristallisiert, dass Elisabeth keineswegs daran interessiert ist, möglichst schnell zu heiraten, um ihren Ehemann als König herrschen zu lassen. Vielmehr wollte sie selber an die Macht.

Histo-Couch: Sie stellen nicht nur Elisabeth sondern auch Robert Dudley und selbst den ermittelnden Thomas Blount als Persönlichkeiten mit zahlreichen kleineren oder grösseren Fehlern dar …

Tanja Kinkel: Ich bin immer etwas misstrauisch gegenüber historischen Romanen, bei denen alle sympathischen Figuren ihrer Zeit weit voraus scheinen. Als Autorin ist es mir wichtig aufzuzeigen, dass meine Figuren durchaus Kinder ihrer Zeit sind und sich entsprechend verhalten. Es wäre ein Stilbruch gewesen, beispielsweise Thomas Blount mit einem tiefen Verständnis für weibliche Emanzipation auzustatten. Er hatte wohl in manchen Dingen für seine Zeit fortschrittliche Gedanken, doch sind diese weit von heutigen Überlegungen zum Thema Emanzipation entfernt.

Histo-Couch: Sie gehören zu den Bestseller-Autorinnen im Bereich Historische Romane. Warum gerade Historische Romane?

Tanja Kinkel: Mich fasziniert die Vergangenheit. Aber egal, wie gross diese Faszination ist, ich möchte keineswegs in diesen Epochen gelebt haben …Ich könnte aber nie nur über eine einzige Epoche schreiben.

Histo-Couch: Wann wissen Sie, dass eine Figur in ihrem nächsten Roman eine Rolle spielen wird?

Tanja Kinkel: Das hängt ganz davon ab, wie ich auf das Thema gekommen bin. Bei dem Buch „Säulen der Ewigkeit“ bin ich beispielsweise durch etwas ganz anderes auf die Zeit gekommen, als durch eine anfängliche Recherche. Ich bin gerne nach Ägypten gereist und habe dort die den Touristen angebotenen Ansichtskarten mit Ansichten aus früheren Zeiten und mit bekannten Persönlichkeiten gesehen. Da hat mich interessiert, was ein Mister Roberts zu jener Zeit in Ägypten wollte. Als gründlicher Mensch habe ich auch Unterlagen von der Zeit 20 bis 30 Jahre vorher zu studieren bekommen. Dabei bin ich auf die Figur von Sarah Belzoni gestossen. Eigentlich stand ja ihr Mann Giovanni im Mittelpunkt, aber irgendwo in einem Nebensatz stand geschrieben, dass Sarah in jener Zeit als Mann verkleidet ins Heilige Land reiste. Und so wollte ich unbedingt wissen, was sie denn da gemacht hat. Damit war klar, dass Sarah Belzoni die Haupt-Rolle spielen wird.

Histo-Couch: Sie schaffen es in ihren Roman, stets sehr viel Atmosphäre entstehen zu lassen. Wie fühlen Sie sich so gut in die jeweilige Zeit ein?

Tanja Kinkel: Jede Epoche ist eine Mischung aus Fremden und Vertrautem, hat Parallelen zur Gegenwart. Was damals passierte, hat Auswirkungen bis in die heutige Zeit. Da ich sehr viel weiss über die Vergangenheit ist mir auch vieles vertraut. Am meisten zu recherchieren hatte ich bis jetzt für meinen Gegenwartsroman.

Das Interview führte Rita Dell’Agnese.

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