Astrid Fritz
„Ich finde es faszinierend, mich in den Alltag vergangener Zeiten hinein zu fantasieren“
08.2011 Die Histo-Couch im Interview mit Astrid Fritz über Kritiken, Frauen in ihren Romanen und Recherchen in verschiedenen Epochen.
Histo-Couch: Frau Fritz, was ist es, das jemanden dazu animiert, einen historischen Roman zu schreiben? Immerhin ist das eines der Genres, die umfangreiche Recherchearbeiten erfordern …
Astrid Fritz: Ich persönlich finde es faszinierend, mich in den Alltag vergangener Zeiten hinein zu fantasieren, mir vorzustellen, unter welchen Umständen die Menschen damals gelebt haben. Die zugehörige Recherche ist tatsächlich zeitaufwändig, aber, wie ich finde, ungeheuer spannend.
Histo-Couch: Was bedeutet Ihnen Geschichte?
Astrid Fritz: Zum einen, die eigenen Wurzeln aufzuspüren, zum andern herauszufinden, wie Geschichte, jenseits der bekannten Eckdaten und Persönlichkeiten, stattgefunden haben könnte. Dass meine Romane auch bei sorgfältigster Recherche-Arbeit nur eine Annäherung sein können, ist mir klar.
Histo-Couch: In Ihren Romanen spielen oft Frauen eine Rolle, die ein sehr schweres Schicksal zu tragen haben, daran aber nicht zerbrechen, sondern wachsen. Dennoch verzichten Sie darauf, diese Frauen zu glorifizieren. Wären Sie nicht manchmal versucht, deren Schicksal etwas zu “schönen„?
Astrid Fritz: Bei meinen historischen Figuren wie etwa den Protagonistinnen in der “Hexe von Freiburg„ oder der “Vagabundin„ gibt es – leider – nichts zu schönen, da ihr Schicksal historisch belegt ist. Ansonsten habe ich, vielleicht manchmal unbewusst, hie und da sicherlich sehr wohl ein wenig geschönt und glorifiziert, denn ich glaube, die Realität war oft noch ungleich härter als ich sie darstelle.
Histo-Couch: In ihrem jüngsten Buch, dem “Pestengel von Freiburg„, spielt Clara eine tragende Rolle, gleichzeitig ist sie aber – zumindest im ersten Teil des Buches – alles andere als eine Sympathieträgerin. Wird das die Leser nicht eher eine ablehnende Haltung einnehmen lassen?
Astrid Fritz: Mit Clara aus dem “Pestengel„ habe ich ganz bewusst versucht (angesichts der Zeitumstände Pest und Judenvernichtung), meiner Figur ausdrücklich eine persönliche Entwicklung mitzugeben. Übrigens empfinde ich Clara gar nicht als so negativ: Im Gegensatz zu den meisten meiner Protagonistinnen ist sie ja eine reife Frau, die viel erlebt hat, Kinder großgezogen hat und damit ihre Ecken und Kanten besitzt.
Histo-Couch: Wenn Sie auf eine interessante historische Figur stossen: Wann wissen Sie, dass dies nun die Hauptfigur ihres neuen Romans sein wird?
Astrid Fritz: Spätestens dann, wenn sie mir nicht mehr aus dem Kopf geht und ich zugleich erkenne, dass damit eine spannende Geschichte zu verknüpfen wäre.
Histo-Couch: Wie schwer tun Sie sich damit, ihre Figuren in ein eigenes Leben zu entlassen und sich einem neuen Projekt zuzuwenden?
Astrid Fritz: Natürlich ist da immer auch ein ganz klein wenig Wehmut dabei, wenn ich meine fertige Geschichte “loslasse„ – ein bisschen so, als wenn man Kinder in die Erwachsenenwelt entlässt. Aber es überwiegt trotzdem die Freude darüber, etwas vollendet zu haben.
Histo-Couch: Wer bekommt Ihr Manuskript als Erstes zu Gesicht?
Astrid Fritz: Inzwischen nur meine Lektorin. Leser aus Freundeskreis oder Familie sind oft zu “positiv voreingenommen„, wo mehr Kritik hilfreicher wäre.
Histo-Couch: Was geht in Ihnen vor, wenn Sie die ersten Kritiken – positiv oder negativ – zu einem neu erschienen Buch lesen?
Astrid Fritz: Seit der “Hexe von Freiburg„, wo die allererste Rezension eines jungen Redakteurs vernichtend ausfiel (und das Buch dennoch mein größter Erfolg wurde!), vermeide ich es, in der Erscheinungszeit Kritiken zu lesen. Da kann das nämlich durchaus weh tun. Ist das Buch erstmal eine Weile auf dem Markt, habe ich genügend Distanz …Im Übrigen sind in meinem Genre die typischen Literaturrezensionen eher selten. Viel häufiger werden meine Bücher in Internetforen “besprochen„. – Naja, und über jede positive Kritik freue ich mich natürlich riesig!
Histo-Couch: Seit ihren ersten Romanen, die als Trilogie erschienen sind, haben Sie auf Einzelbücher gesetzt und sind damit klar gegen den Strom geschwommen. War das ein bewusster Entscheid oder ist die Geschichte der Protagonistinnen jeweils in einem Band erzählt?
Astrid Fritz: Die Trilogie meiner ersten Romane über drei Generationen hinweg hatte sich daraus ergeben, dass ich das Ganze nicht mit der grausamen Hinrichtung im ersten Band enden lassen wollte. Danach habe ich mich tatsächlich bewusst gegen Fortsetzungsbände entschieden, da ich die Gefahr des Wiederholens, des künstlichen Ausdehnens eines Stoffes sehe. Hinzu kommt, dass ich mit Einzelbänden viel freier bin in der Wahl der Stoffe und Epochen.
Histo-Couch: Ihre Romane sind in verschiedenen Epochen angesiedelt – wie gross ist der Aufwand, sich auf eine ganz neue Epoche einzulassen?
Astrid Fritz: Der ist tatsächlich sehr groß, z.B. vom Mittelalter/Früher Neuzeit hinein ins 19. Jahrhundert. Da muss in der Recherche von ganz vorne begonnen werden. Aber das hat auch seinen Reiz!
Histo-Couch: Wenn Sie am Schreiben sind, können Sie sich dann von der Geschichte leicht lösen, um in die Gegenwart mit all ihren “normalen„ Problemen zurück zu kehren?
Astrid Fritz: Inzwischen geht das gut. Bei meinen ersten Romanen habe ich mich aber, glaube ich, oft ganz schön geistesabwesend in meinem Alltag bewegt …
Histo-Couch: Ziehen Sie manchmal Vergleiche zwischen “damals„ und “heute„?
Astrid Fritz: Ja natürlich. Und da bin ich froh und dankbar, dass ich als Frau heute und in unserem Kulturkreis lebe; dass die Generationen vor mir so ungeheuer viel bewegt haben, z.B. was Frauenemanzipation oder Demokratie betrifft.
Histo-Couch: Wie entspannen Sie sich nach einer anstrengenden Recherchearbeit oder einer langen Schreibphase?
Astrid Fritz: Am besten mit “Urlaub zu Hause„! Also mal alle fünfe gerade sein lassen, wieder viel Zeit für Freunde und Familie, für Natur und Kultur zu haben.
Histo-Couch: Wird es weitere historische Romane aus der Feder von Astrid Fritz geben?
Astrid Fritz: Wie in jedem Brotberuf geht’s auch bei meiner Tätigkeit immer weiter, wenn ein Projekt abgeschlossen ist. Und dem Genre “historischer Roman" werde ich wohl auch in den nächsten Jahren treu bleiben.
Histo-Couch: Mögen Sie schon über Ihr neues Projekt sprechen?
Astrid Fritz: Gern. Da geht es um das Schicksal zweier Schwestern, die kurz vor der Reformation und der Bauernkriege ins Kloster kommen – die eine freiwillig, da sie einen fast fanatischen Glauben lebt, die andere erzwungen.
Das Interview führte Rita Dell’Agnese.
Neue Kommentare