Monika Bittl

„Ich will ganz nahe an meine Figuren heran kommen“

12.2010 Die Histo-Couch im Interview mit Monika Bittl über ihre Romanfiguren, Sprache und das Entdecken neuer Themen.

Histo-Couch: Frau Bittl, in ihrem Roman „Die Expedition“ machen sich fünf Frauen auf den Weg über die verschneiten Alpen. Wie sind Sie gerade auf diese fünf Persönlichkeiten gekommen?

Monika Bittl: Die Figuren ergeben sich annähernd so wie bei einer Freundschaft. Man lernt sich zufällig kennen, kommt sich näher. In einem solchen Moment heißt es für mich, Hausaufgaben zu machen. Das bedeutet, ganz nahe an eine Figur heran zu kommen, sie greifbar zu machen. Dafür schreibe ich für alle zunächst eine Biographie.

Histo-Couch: Ihre Protagonistinnen wirken sehr real, so, als ob sie gleich um die Ecke kommen könnten. Haben Sie für ihre Romanfiguren Vorbilder im richtigen Leben?

Monika Bittl: In meinen Romanen taucht immer ein Kind auf, das ungefähr so alt ist, wie mein Sohn in diesem Moment. Hier gibt es sicher gewisse Parallelen. Aber sonst wird sich niemand aus meinem Umfeld in den Figuren wieder erkennen. Wenn ich Eigenschaften übernehme, dann nie eins zu eins. Mir sind gemischte Charakteren sehr wichtig. In meinen Büchern soll es keine Menschen geben, die nur gut oder nur böse sind – sie sollen so sein, wie wir alle sind.

Histo-Couch: In ihren Büchern kommt immer sehr viel Atmosphäre mit, so als ob man mitten im Geschehen stehen würde. Wie verbunden sind Sie mit ihren Schauplätzen?

Monika Bittl: Wenn ich über ein Bergdorf schreibe, dann schaue ich mir das vorher genau an. Anderes schreibe ich so, wie ich es irgendwann einmal selbst erfahren habe.

Histo-Couch: In Ihren drei bisherigen Romanen „Irrwetter“, „Bergwehen“ und „Die Expedition“ gibt es starke Frauenfiguren. Haben Sie sich auf Frauen spezialisiert?

Monika Bittl: Das kommt wohl daher, dass ich über Frauen leichter schreiben kann, weil ich selbst eine Frau bin. Männliche Charaktere machen mir einfach mehr Arbeit. Die Frauen in meinen Büchern lösen sich von ihren inneren Zwängen und Vorstellungen. Alle haben ihre eigenen Ideale und Ziele. Frauen leben auch heute noch von viel mehr von Konventionen bestimmt, das ergibt mehr dramatischen Potential, denn es braucht Mut, andere Wege zu beschreiten. Das war früher noch viel stärker der Fall. 1903 beispielsweise gab es noch nicht einmal das Wahlrecht für die Frauen und innere Kämpfe lassen sich somit viel leichter veräußern.

Histo-Couch: Was geht in Ihnen vor, während Sie an einem Roman arbeiten?

Monika Bittl: Schreiben ist eine Leidenschaft. Ich beginne mit einer Menge Euphorie, in der Mitte des Buches denke ich dann plötzlich „So ein Käse! Wer soll das lesen?“. Da gilt es dann durchzuhalten – oder berechtigterweise alles wegzuschmeißen und noch einmal von vorne zu beginnen. In einem solchen Moment ermahne ich mich zu Professionalität.

Histo-Couch: Wann beginnt eine Geschichte Gestalt anzunehmen?

Monika Bittl: Ich konstruiere grob den Plot, bevor ich mit dem Schreiben beginne. Aber ich achte darauf, nicht überzukonstruieren, sonst wird die Geschichte und vor allem die Figuren nicht lebendig. Bei der Expedition habe ich mich lange mit den Figuren beschäftigt. Ursprünglich plante ich, dass sich nur vier Frauen auf den Weg machen sollen. Doch dann stand nach einem Mittagsschlaf plötzlich die Emily vor mir und sagte: „Ich will auch mit! Und das geht, denn ich bin Ärztin, ihr könnt mich brauchen!“. Das sind die Momente, wo ich weiß, dass die Geschichte lebt, und nun aufgeschrieben werden muss.

Histo-Couch: Was bestimmt letztlich die Ausrichtung Ihrer Bücher?

Monika Bittl: Ich schreibe Bücher, die ich selber gerne lesen würde. Und ich schreibe das, was ich kann. Das heisst aber auch, dass ich nicht für ein bestimmtes Genre schreibe. Für die Buchhandlungen ist es schwierig, meine Romane einzuordnen.

Histo-Couch: Sie haben von ihrem ersten Roman „Irrwetter“ bis zum jüngsten Werk „Die Expedition“ sprachlich eine Veränderung erlebt. Woher kommt das?

Monika Bittl: Das ist für mich selbst überraschend. Bei „Irrwetter“ war mir die Sprache eher unwichtig, weil ich vom Drehbuch her komme. Bei „Bergwehen“ habe ich versucht, geschliffener zu schreiben. Bei der „Expedition“ schließlich wurde mir das sehr wichtig. Jede Figur hat eine eigene Sprache. Das musste ich ab einem bestimmten Punkt gar nicht mehr konstruieren, es drängte sich von alleine auf. Zugleich aber ist es sehr anstrengend, ganz und gar in den Charakteren zu leben, auch körperlich. Nach einem Ausritt Adeles in der Expedition empfand ich regelrecht einen Muskelkater in den Oberschenkeln.

Histo-Couch: Wie schwierig ist es für Sie, neue Themen zu entdecken? Sie bewegen sich mit ihren Büchern ja weit weg vom „Mainstream“?

Monika Bittl: Die Themen fliegen mir zu, das ist kein Problem. Schwieriger wird es, zu entscheiden, welches Thema ich nehmen soll, mit welchem Thema ich ein Jahr verbringen möchte. So schreibe ich viele Ideen auf, stecke sie in die Schublade und hole sie nie wieder hervor. Die wirklich tragenden Ideen bleiben ohnehin im Kopf.

Histo-Couch: Was geht Ihnen durch den Kopf, wenn sie in einem Buchladen stehen und Ihre Bücher sehen?

Monika Bittl: Zuerst sicher Stolz, dass ich mich traute, es nach außen zu geben. Zugleich empfinde ich Fremdheit, weil ich bereits im nächsten Projekt stecke.

Histo-Couch: Also haben Sie zu diesem Zeitpunkt Ihr Buch ganz und gar losgelassen?

Monika Bittl: Ja, das ist völlig abgeschlossen. Ich lebe meist bereits in einer anderen Welt und wundere mich, was eine gewisse Monika Bittl da geschrieben hat.

Histo-Couch: Und doch bleiben sie – zumindest was das Jahrhundert anbelangt – einem gewissen Rahmen treu …

Monika Bittl: Die Zeit, in der meine Bücher spielen, ist eher zufällig. Ich gehe immer von Figuren aus, die mich interessieren.

Histo-Couch: Wird das nächste Buch erneut ein historischer Roman sein?

Monika Bittl: Das nächste Buch wird ein Sachbuch, „Alleinerziehend mit Mann“, das ich gerade mit einer Kollegin (Silke Neumayer) mit sehr viel Spaß erarbeite. Aber danach schreibe ich wahrscheinlich wieder einen historischen Roman mit einer rebellischen – natürlich weiblichen – Hauptfigur. Neulich kam sie schon im Traum auf mich zu.

Das Interview führte Rita Dell’Agnese.

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