Tereza Vanek

„Ich will die vergangenen Zeiten nicht idealisieren“

02.2012 Die Histo-Couch im Interview mit Tereza Vanek über ihre Recherchen, China und die Suche nach einem geeigneten Verlag.

Histo-Couch: Frau Vanek, Ihr neustes Buch „Das Geheimnis der Jaderinge“ handelt von einer jungen Frau, die es nach China verschlägt und die dort versucht, zu Recht zu kommen und sich ein neues Leben aufzubauen. Im Klappentext wird der Roman als „...echte Entdeckung im immer dichteren Gedränge der Auswanderersagas“ bezeichnet. Sehen Sie das Buch als Auswanderersaga?

Tereza Vanek: Streng genommen war China kein Auswanderungsland wie Amerika oder Australien. Es gab schon genug Chinesen, die dort wohnten. Die meisten Europäer und Amerikaner fuhren hin, um entweder Geschäfte zu machen oder zu missionieren. Eine Niederlassung auf Dauer war anfangs sicher nicht geplant, doch lebten gerade in den internationalen Siedlungen oft mehrere Generationen hintereinander. Erst die Japaner setzten dieser Entwicklung während des Zweiten Weltkriegs ein Ende.

Histo-Couch: War es einfacher, mit dem Thema „Auswanderung“ einen Verlag zur Veröffentlichung zu finden?

Tereza Vanek: Ich habe das Buch gar nicht als „Auswandererroman“ angeboten, sondern als Liebes- und Abenteuergeschichte vor exotischem Hintergrund. Einen Verlag zu finden war dennoch nicht einfach, da Ostasien als exotischer Schauplatz nicht so gefragt ist wie etwa Lateinamerika.

Histo-Couch: Das Buch ist Ihrer Mutter gewidmet, die ihre Begeisterung für China an Sie weitergegeben hat. Woher stammt diese Begeisterung Ihrer Mutter?

Tereza Vanek: So genau hat sie das nie gesagt, aber ich glaube, sie mochte den Pragmatismus und den Geschäftssinn der Chinesen. Das entsprach ihrem eigenen Naturell.

Histo-Couch: Was fasziniert Sie persönlich an China?

Tereza Vanek: Zunächst einmal reizt es mich optisch durch die filigrane, grazile Ästhetik. Ich mag die Höflichkeit, den Respekt vor Bildung in der chinesischen Kultur. Gleichzeitig hat es auf den ersten Blick etwas Geheimnisvolles.

Histo-Couch: Wie haben Sie für den Roman recherchiert?

Tereza Vanek: Ich habe so viele Bücher wie möglich gelesen, vor allem über die internationale Siedlung in Shanghai und den Aufstand der Taiping, zudem Reiseberichte und Erfahrungen von Europäern, die damals dort waren. Außerdem habe ich einen Chinesischkurs besucht und mir die wichtigsten Schauplätze der Handlung selbst angesehen.

Histo-Couch: Wie gehen Sie generell bei Ihren Recherchen vor?

Tereza Vanek: Genauso wie bei diesem Roman, durch ausgiebige Lektüre und Recherchereise.

Histo-Couch: Sowohl Ihr erster Roman „Schwarze Seide“ als auch Ihr dritter „Chinatown“ sind im Ulrike Helmer Verlag erschienen, der im Bereich der Belletristik hauptsächlich erotische Frauenliteratur veröffentlicht. War es für Sie ein seltsames Gefühl, Ihren Debütroman in der Buchhandlung in dieser Kategorie zu finden und nicht unter den historischen Romanen?

Tereza Vanek: Beide Romane sind hauptsächlich in feministisch orientierten Buchhandlungen zu finden und da liegen sie nicht verkehrt. Der Ulrike Helmer Verlag ist nicht auf erotische Literatur festgelegt, sondern verlegt auch viele wissenschaftliche Texte zum Thema Frauenforschung. Im Bereich Belletristik wollen sie lesbische Liebesgeschichten, die aber nicht besonders erotisch sein müssen. Bei großen Verlagen hatte ich mit einem historischen Roman, in dessen Mittelpunkt die Liebe zwischen zwei Frauen steht, keine Chancen. Daher war ich sehr froh, den Ulrike Helmer Verlag zu finden.

Histo-Couch: Ihre Bücher spielen ja zu unterschiedlichen Zeiten und behandeln unterschiedliche Themen. Woher nehmen Sie die Einfälle zu den Geschichten?

Tereza Vanek: Ich stoße immer wieder auf Personen oder Ereignisse der Geschichte, die mich faszinieren. Das ist meist der Ausgangspunkt. Dazu entstehen in meinem Kopf fiktive Charaktere, für die ich dann eine ganze Geschichte zu spinnen beginne.

Histo-Couch: Was fasziniert Sie ausgerechnet an historischen Romanen?

Tereza Vanek: Ich mag historische Kulissen, die Bauten, die Kleidung, die alten Tänze. Das habe ich schon als Teenager geliebt. Ich will die vergangenen Zeiten aber nicht idealisieren, sie waren wesentlich härter und brutaler, als wir es heutzutage kennen. Diese schwierigen Lebensbedingungen schaffen aber auch Stoff für dramatische Geschichten.

Histo-Couch: Könnten Sie sich vorstellen, auch mal ein anderes Genre auszuprobieren?

Tereza Vanek: Grundsätzlich ja, obwohl ich es nicht in nächster Zeit plane. Ich habe eine vage Idee für einen zeitgenössischen Thriller im Kopf. Auch Fantasy könnte ich mir theoretisch vorstellen.

Histo-Couch: Wie ist es jetzt für Sie, wenn Sie Ihr fertiges Buch in der Hand halten? Ändert sich mit der Zeit etwas oder ist das immer noch so aufregend wie beim ersten Mal?

Tereza Vanek: Der aufregendste Moment war für mich mein erster Buchvertrag. Da wusste ich plötzlich, dass ich endlich nicht mehr für die Schublade schreibe. Dieses Gefühl genieße ich auch heute noch, das Wissen, dass aus meiner Idee auch ein richtiges Buch werden wird. Mein eigenes Buch in den Händen zu halten, davon hatte ich viele Jahre lang geträumt, aber als der Traum sich erfüllte, da wusste ich bereits, wie viel davon abhängt, dass dieses Buch sich den Erwartungen des Verlags entsprechend verkauft. Ich bangte bereits um mein nächstes Projekt. Daran hat sich bis heute nichts geändert.

Histo-Couch: Verraten Sie uns zum Abschluss noch etwas über Ihr nächstes Projekt?

Tereza Vanek: Im Juli wird mein nächster Mittelalterroman bei Goldmann erscheinen, in dem mich mit den Katharern und dem Albigenserkreuzzug befasse. Im nächsten Jahr kommt eine Kriminal- und Abenteuergeschichte, die in Mexiko spielt. Außerdem plane ich eine Fortsetzung der Jaderinge, wieder eine dramatische Liebesgeschichte, diesmal vor dem Hintergrund des Boxeraufstandes in China.

Das Interview führte Birgit Borloni.

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