Silvia Stolzenburg
„Die Geschichte wurde auf einmal lebendig“
09.2013 Die Histo-Couch im Interview mit Silvia Stolzenburg über Geschichte, ihre Romane und ihren Umgang mit Kritik.
Histo-Couch: Frau Stolzenburg, aus Ihrer Feder stammt mittlerweile eine ganze Anzahl historischer Romane. Was hat Sie zu diesem Genre geführt?
Silvia Stolzenburg: Seit ich denken kann, hat mich die Geschichte fasziniert. Ich bin in einer Gegend aufgewachsen, in der es noch viele Spuren, vor allem des Mittelalters, gibt. Als Kind bin ich ständig auf irgendwelchen Burgruinen herumgekraxelt und habe meinem Vater Löcher in den Bauch gefragt. Schließlich war da auch noch mein Name: Stolzenburg. Wo kommt er her? Waren meine Vorfahren Ritter? Oder gar Raubritter? Aus welcher Zeit stammt er? Um nur ein paar der Fragen zu nennen. Nach dem Abitur wollte ich dann zuerst Archäologie und Geschichtswissenschaft studieren, aber man riet mir davon ab. Das sei brotlos. Also habe ich auf Literaturwissenschaft umgeschwenkt. Und habe die Entscheidung nie bereut, denn dort wurde die Geschichte auf einmal lebendig.
Histo-Couch: In den letzten Jahren war immer mal wieder zu hören, der historische Roman sei auf dem absteigenden Ast. Bewegen Sie sich also in einem Genre ohne Zukunft?
Silvia Stolzenburg: Gibt es nicht diesen wunderbaren Ausspruch: „Totgesagte leben länger“?
Histo-Couch: Wie kommen Sie zu Ihren Geschichten? Sind es Impulse, wenn Sie sich eine Örtlichkeit ansehen oder eher Informationen, die sie reizen, tiefer zu recherchieren?
Silvia Stolzenburg: Manchmal inspiriert mich ein Bauwerk (z.B. das Ulmer Münster), manchmal ist es eine historische Figur, der ich schon immer nachspüren wollte. Es war aber auch schon ein halb verwitterter Grenzstein, den ich beim Radfahren entdeckt habe, der zu der Idee für eine Geschichte geführt hat.
Histo-Couch: Immer wieder tauchen in Ihren Romanen düstere Figuren auf. Haben Sie eine besondere Affinität zu undurchschaubaren Charakteren?
Silvia Stolzenburg: Ich finde jede Art von Charakter interessant. Jede Geschichte ist anders, manche erfordert eine psychologisch komplexe Charakterzeichnung (z.B. „Der Teufelsfürst“), eine andere wiederum lebt von den Kontrasten. Ein Bild ausschließlich mit Grautönen zu zeichnen, kann sehr langweilig sein. Daher entscheide ich mich manchmal ganz bewusst dazu, auch Schwarz und Weiß einzusetzen, da genau diese Gegensätze das Salz in der Suppe sein können. Ein Roman ist für mich eine Komposition, bei der alle Teile stimmig sein müssen. Ist die Atmosphäre des Buches düster, weil z.B. die Pest eine zentrale Rolle spielt, dann erfordert so eine Geschichte für mich auch düstere Charaktere. Ist die Stimmung des Romans hingegen eher heiter und sorglos, dann lasse ich dort auch gerne mal eine Figur auftreten, deren Leben noch unbeschwert ist.
Histo-Couch: Sie wechseln immer wieder auch den Schauplatz – welcher davon hat sie bisher am meisten fasziniert?
Silvia Stolzenburg: Die Frage ist so einfach nicht zu beantworten. Ich gehöre zu den Autoren, für die jedes aktuelle Projekt das Spannendste ist. Ergo fasziniert mich immer der Ort, an dem sich meine Protagonisten gerade aufhalten. Allerdings wächst die Begeisterung natürlich mit dem Grad des Unbekannten. Der spätmittelalterliche Sultanshof erweist sich bei der Recherche dann doch als ein bisschen reizvoller als die herbstliche Schwäbische Alb. Vermutlich, weil er (nicht nur zeitlich) so weit von der eigenen Lebensrealität entfernt ist.
Histo-Couch: Wie leicht fällt es Ihnen, in vergangene Zeiten einzutauchen?
Silvia Stolzenburg: Sehr leicht. Allerdings benötige ich dazu eine sehr sorgfältige Vorbereitung. Wenn ich nicht über alle Informationen verfüge, die nötig sind, kann ich kein Bild aufbauen. Das ist sonst, als ob man erkennen will, was ein Puzzle darstellt, von dem zu viele Teile fehlen.
Histo-Couch: Hätten Sie selber gerne in einem anderen Jahrhundert gelebt?
Silvia Stolzenburg: Als Mann, ja. Als Frau, nein.
Histo-Couch: Welche Epoche steht Ihnen am nächsten?
Silvia Stolzenburg: Ganz eindeutig das Mittelalter. Vielleicht liegt es an meinem Namen, aber diese Epoche hat mich schon als Kind am meisten fasziniert. Sie ist so fremd und dennoch so vertraut, weil viele der Ideen, die wir für Errungenschaften der Moderne halten (Globalisierung, bargeldloser Zahlungsverkehr, Sozialversicherung) in dieser Zeit aufkamen.
Histo-Couch: Welche Arbeit ist die intensivere, die Recherche oder das Schreiben?
Silvia Stolzenburg: Beides nimmt bei mir ungefähr gleich viel Zeit in Anspruch.
Histo-Couch: Wer liest Ihr Manuskript als erstes? Wie nervös sind Sie, bis die Reaktion erleben?
Silvia Stolzenburg: Mein Mann. Ich kaue jedes Mal an meinen Fingernägeln, bis er endlich durch ist und falle ihm alle paar Seiten auf die Nerven, wie er es denn nun findet.
Histo-Couch: Wenn ein Buch von Ihnen im Regal der Buchhandlungen auftaucht: Was geht Ihnen dann durch den Kopf?
Silvia Stolzenburg: Wie wunderschön die Cover sind!
Histo-Couch: Mittlerweile sind ja schon einige Werke von Ihnen veröffentlicht …Hat sich Ihre Beziehung zu diesem Moment verändert? Wird man „abgebrüht“?
Silvia Stolzenburg: Ein bisschen „abgebrühter“ wird man sicher schon. Allerdings ist der Moment, in dem der Postbote mit den Vorabexemplaren klingelt, immer noch gleich aufregend wie beim ersten Buch. Da lasse ich alles stehen und liegen und genieße den Augenblick, in dem ich mein „Baby“ endlich in den Händen halten kann.
Histo-Couch: Wie gehen Sie mit Kritiken um?
Silvia Stolzenburg: Kritiken finde ich generell immer sehr interessant. Ein Roman wird grundsätzlich unterschiedlich rezipiert – basierend auf den Erwartungen der Leser und dem subjektiven Lesegeschmack des Einzelnen. Lesen ist ein Spiel zwischen Autor und Leser, bei dem es für jedes Genre feste Regeln gibt. Diese muss man als Autor zwar nicht sklavisch befolgen – man kann das Genre auch an einigen Stellen ganz bewusst „gegen den Strich bürsten“ – aber sie sind und bleiben Grundlage der Rezeption. Kennt man die Regeln nicht, kann es sein, dass einem das Spiel keinen Spaß macht. Ein Roman hat stets eine Zielgruppe, und an den Kritiken ist sehr gut zu erkennen, ob man die Zielgruppe erreicht hat oder nicht. Negative, genau wie positive, Kritiken helfen den Lesern, sich zu entscheiden, ob der Roman etwas für sie ist oder nicht. Davon abgesehen freue ich mich natürlich über jede Rezension, die mir zeigt, dass mir das gelungen ist, was mir wichtig ist: Meine Leser mitzunehmen auf eine spannungsgeladene Zeitreise, bei der sie wenigstens für ein paar Stunden den Alltag vergessen können.
Histo-Couch: Lesen Sie selber historische Romane? Oder wenden Sie sich als Leserin lieber einem anderen Genre zu?
Silvia Stolzenburg: Ich selbst lese kaum historische Romane, sogar kaum deutsche Bücher. Meine unterhaltende Lektüre besteht zum Großteil aus englischsprachigen Krimis.
Histo-Couch: Sind die Leser von Histos ein anderes Publikum als etwa jene von Krimis?
Silvia Stolzenburg: Es wird gewiss Überschneidungen geben. Der historische Roman hat sich inzwischen in etliche Untergruppen aufgegliedert, von denen eine der historische Krimi ist. Auch die Spannungs- und Abenteuerromane enthalten oft Elemente, die im Krimi zu finden sind. Ich denke, auseinanderklaffen wird es höchstens bei den Lesern/Leserinnen von historischen Beziehungs- und Gesellschaftsromanen, weil diese ganz andere Plotelemente in den Vordergrund stellen.
Histo-Couch: Was war Ihr bisheriges Highlight unter den historischen Romanen? Gibt es überhaupt ein solches?
Silvia Stolzenburg: Bei dieser Frage muss ich leider passen. Wie gesagt, ich lese fast ausschließlich Krimis.
Histo-Couch: Gibt es ein Thema, über das Sie gerne mal schreiben würden, an das Sie sich bisher aber nicht heran getraut haben – oder das beim Verlag nicht gewünscht wäre?
Silvia Stolzenburg: Das Thema, über das ich unbedingt schreiben wollte, behandle ich momentan in der „Teufelsfürst-Trilogie“. Seit meinem Studium hat mich die Figur des Vlad Draculea fasziniert, weil er über die Jahrhunderte hinweg zu einem Symbol des Grauens wurde. Diese sehr tragische historische Figur wollte ich unbedingt von der Patina der Legende befreien. Insofern muss ich die Frage wohl mit „nein“ beantworten.
Histo-Couch: Wird es weitere historische Romane aus Ihrer Feder geben?
Silvia Stolzenburg: Wenn meine Leserinnen und Leser mir weiterhin die Treue halten, noch sehr viele.
Das Interview führte Rita Dell´Agnese.
Neue Kommentare