Maria Rhein & Dieter Beckmann

„Kreativität und Kritikfähigkeit sind wichtige Vorraussetzungen für das gemeinsame Schreiben“

03.2014 Die Histo-Couch im Doppelinterview mit Maria Rhein und Dieter Beckmann über ihre Zusammenarbeit, Rituale und Rotkäppchen.

Histo-Couch: Herr Beckmann, was hat Sie dazu bewogen, nachdem Sie bereits zwei historische Romane alleine veröffentlich haben, diesmal mit einer Kollegin zusammen ein Buch zu schreiben?

Dieter Beckmann: Eine spontane Idee bei der Historica 2011. Maria und ich saßen, nachdem wir uns mehrere Lesungen angehört hatten, in einer Kneipe zusammen und redeten über unsere Projekte. Aus dem Gespräch heraus entstand die Idee, den Versuch zu unternehmen gemeinsam etwas zu schreiben. Anfangs war es ein Experiment. Eigentlich wollten wir es nur ausprobieren. Daraus wurde sehr schnell eine intensive Zusammenarbeit, ein Plot, Figuren und am Ende schließlich der Roman „Der Werwolf von Münster“.

Histo-Couch: Frau Rhein, warum haben Sie sich auf dieses “Experiment„ eingelassen und haben nicht alleine versucht, eine Geschichte zu schreiben und zu veröffentlichen?

Maria Rhein: “Der Werwolf von Münster„ ist bereits mein zweiter Roman. Allerdings ist es der erste, den ich auch veröffentlicht habe. Bei der Recherche und der Arbeit an meinem ersten Manuskript habe ich mein Herz an die Schriftstellerei verloren. Seither schreibe ich leidenschaftlich gerne. Die Idee, ein Buch mit Dieter zusammen zu schreiben, fand ich ausgesprochen reizvoll. Ich glaube, wir ergänzen uns sehr gut; wir kennen uns schon lange, sind beide kreativ und kritikfähig. Wichtige Voraussetzungen für das gemeinsame Schreiben.

Histo-Couch: Wie sind Sie beim Schreiben vorgegangen? Wie haben Sie die Aufgaben verteilt? War einer für die Figurenentwicklung zuständig und der andere hat den Text ausgearbeitet oder haben Sie sich jeder um eine gewisse Anzahl um Figuren gekümmert, die entsprechenden Passagen ausgearbeitet und dann gemeinsam überarbeitet? Oder sind Sie ganz anders vorgegangen?

Dieter Beckmann: Es gibt unendlich viele Möglichkeiten einen Roman zu schreiben und jeder Autor hat seinen eigenen Stil und seine Vorstellungen, aber so seltsam sich das auch anhört, wir machen tatsächlich den Großteil der Dinge gemeinsam.

Maria Rhein: Wir haben zunächst gemeinsam einen Plot erarbeitet und schreiben dann meistens abwechselnd kapitelweise. Oft auch parallel. Jeder übernimmt dann die eine oder andere Figur.

Dieter Beckmann: Wobei wir die Figuren auch im Laufe des Prozesses austauschen. Das spannende am Schreiben ist ja das Einfühlen in immer andere Figuren. So entwickeln unsere Protagonisten ein spannendes Eigenleben.

Maria Rhein: Dann überarbeiten wir den Text immer wieder, so lange, bis er uns beiden gefällt. Dadurch entsteht eine Art Vorlektorat, weil wir ziemlich schonungslos die Fehler des jeweils anderen aufdecken. Beim Werwolf von Münster wussten wir am Ende tatsächlich kaum noch, wer ursprünglich einmal welches Kapitel geschrieben hat.

Histo-Couch: Wie beurteilen Sie das gemeinsame Schreiben? Was sind die Vor- und Nachteile? Würden Sie es noch einmal machen?

Maria Rhein: Das gemeinsame Schreiben ist inspirierend, schnell, kreativ und kurzweilig. In der gegenseitigen Reflexion liegt ein großer Vorteil. Die Gefahr, sich zu verrennen ist relativ gering, bzw. kann durch den “neutralen„, kritischen Blick des Anderen schnell behoben werden. Grundvoraussetzung ist allerdings eine große Offenheit, Toleranz und Kritikfähigkeit von beiden Autoren.

Dieter Beckmann: Es gibt ja immer wieder die unterschiedlichsten gemeinsamen Schreibprojekte. Anthologien sind vielleicht ein gutes Beispiel. Meistens hat jedoch jeder Autor seine Geschichte im Kopf und will sie so aufschreiben, wie er es für richtig hält. Gemeinsam an ein und derselben Geschichte zu schreiben, hat jedoch seinen ganz besonderen Reiz. Wir sind in der Kritik gegenüber dem Anderen auch nicht immer zimperlich. Das ist wohl das Rezept. Der Hauptvorteil ist jedoch: Es macht wahnsinnig Spaß.

Maria Rhein: Und deswegen machen wir auch weiter.

Histo-Couch: Wer hatte die Idee zu der Geschichte “Der Werwolf von Münster„? Was hat Sie an dieser Zeit, der Zeit des Kulturkampfes, gereizt?

Maria Rhein: Die Idee entstand in einer Art Brainstorming. Das Einzige was klar war, wir wollten gemeinsam einen historischen Kriminalroman aus der Zeit des 19. Jahrhunderts schreiben. Der Ort sollte Münster sein, weil wir beide dort eine ganze Zeit lang gelebt haben. Anfangs wussten wir überhaupt nicht, wo die Reise hingehen würde.

Dieter Beckmann: Und dann kam Rotkäppchen.

Maria Rhein: Stimmt. Dieter sagte, der Wolf bei Rotkäppchen sei eigentlich die ideale Täterfigur.

Dieter Beckmann: So ganz ernst gemeint war das ja nicht, trotzdem haben wir den Gedanken aufgegriffen und weiter gesponnen.

Maria Rhein: Über die mythische Figur des Wolfes im Märchen “Rotkäppchen" und die weit verbreitete Angst vor Geistern, Vampiren, Werwölfen und Dämonen in der damaligen Zeit, war der Plot schnell gefunden. Dass der Kulturkampf in den wenigen katholischen Gebieten des damaligen Deutschen Reiches so exzessive Züge angenommen hatte, ist vielen Menschen gar nicht bekannt. Für uns war das zu Beginn unserer Recherche durchaus auch Neuland und ein spannendes Thema.

Dieter Beckmann: Nach anfänglichen Recherchen war die Marschroute klar, weil uns auch noch überaus interessante historische Figuren, wie der damalige Bischof von Münster, oder der Gründer des Münsteraner Zoos über den Weg liefen.

Histo-Couch: Wie sind Sie bei der Recherche vorgegangen? Haben Sie alles gemeinsam gemacht oder haben Sie sich die Aufgaben aufgeteilt?

Dieter Beckmann: Das ist etwas, was wir tatsächlich aufteilen um Zeit zu sparen.

Maria Rhein: Jeder recherchiert zu unterschiedlichen Themen und bringt den jeweils anderen auf den Stand.

Histo-Couch: Wie war das für Sie für ein Gefühl, Frau Rhein, dass auf einem Buch tatsächlich ihr Name steht, dass Ihre Geschichte wirklich von Lesern gelesen wird und Ihre Mühe mit einem gedruckten Buch belohnt wird?

Maria Rhein: Das Gefühl ist kaum zu beschreiben. Es ist tatsächlich so etwas wie eine Belohnung und es erfüllt mich mit Stolz, dass unser Manuskript vom Gmeiner Verlag angenommen worden ist. Das ist ja nicht unbedingt eine Selbstverständlichkeit. Es ist eine tolle Bestätigung unserer Leistung, am Ende ein Buch in Händen halten zu können, auf dem der eigene Name steht.

Histo-Couch: Wie sehen Sie ihrer ersten Rezension entgegen, Frau Rhein? Ängstlich? Freudig? Oder einfach nur gespannt und neugierig?

Maria Rhein: Tja, eine gute Frage… Wenn ich ehrlich bin, bin ich überwiegend neugierig und sehr gespannt. Als Autor ist man so sehr mit den Figuren und der Story verbunden, dass es ungeheuer spannend ist, zu erfahren, wie die Leser das Buch, die Figuren und die Handlung aufnehmen werden.

Histo-Couch: Herr Beckmann, Sie haben bereits zwei Romane veröffentlicht. Wird man von Veröffentlichung zu Veröffentlichung gelassener oder fiebern Sie dem Erscheinen des Buchs und den ersten Rezensionen noch genauso entgegen wie beim ersten Mal?

Dieter Beckmann: Ich weiß mittlerweile, dass von der Idee bis zum gedruckten Buch durch einen Verlag unglaublich viel Zeit ins Land geht. Ein bisschen Geduld in Bezug auf das lange Warten hat sich bei mir also durchaus eingestellt. Wenn ich als Autor „Ende“ unter das Manuskript schreibe ist die Arbeit noch lange nicht vorbei. Das war mir bei meinem Erstling natürlich noch nicht so klar, wie heute. Von Gelassenheit kann jedoch keine Rede sein, die stellt sich wahrscheinlich erst dann ein, wenn man das Gefühl hat Dinge weitgehend kontrollieren zu können. Das ist jedoch bei einer Buchveröffentlichung Gott sei Dank nicht der Fall. Das Einzige, was ich mir als Autor sagen kann, ist, ich habe mein Möglichstes getan. Ich habe es so gut gemacht, wie ich es machen konnte. Jetzt gehört das Buch dem Leser und ob der es gut findet, oder zerreißt, weiter empfiehlt oder als Kaffeeuntersetzer benutzt, entzieht sich meiner Kontrolle. Ich kann nur hoffen, dass es den Menschen gefällt, und jeder Autor der dabei gelassen bleibt, macht sich selbst etwas vor.

Histo-Couch: Wie gehen Sie beim Schreiben vor? Haben Sie bestimmte Zeiten, in denen Sie schreiben, bestimmte Rituale?

Maria Rhein: Ich brauche zum Schreiben Ruhe und Inspiration. Am besten ohne lästige Termine oder störende Telefonate. Sobald ich mich bereit fühle, lese ich zuerst die zuletzt geschriebenen Seiten noch einmal und tauche dann sehr schnell in die Geschichte ein. Es kann passieren, dass ich beim Schreiben Zeit und Raum vergesse.

Dieter Beckmann: Ich schreibe gerne abends und nachts. Oft höre ich dabei Musik. Bilder entstehen im Kopf. Es ist tatsächlich vergleichbar mit einem Film den man sich anschaut. Auch im Film wird Musik zur Untermalung eingesetzt. Ich liebe Geschichten. Schon als Kind habe ich mir abends im Bett welche nur für mich ausgedacht. Da gab es allerdings auch nur zwei Programme im Fernsehen und um 23.00 Uhr war Sendeschluss. Das Ausdenken fand ich immer schöner als das konsumieren. Woher das kommt, weiß ich nicht, aber ich bin froh darüber, wohlmöglich wäre ich sonst ein Fernsehjunkie und kein Schriftsteller.

Histo-Couch: Sie sind beide auch Musiker. Ist das Schreiben für Sie eine logische Fortsetzung daraus, das ja beides kreatives Arbeiten ist oder empfinden sie beide Bereiche als völlig getrennt voneinander?

Maria Rhein: Ich bin in der glücklichen Lage, dass alle meine beruflichen Tätigkeiten mit Kreativität, Musik und Kunst zu tun haben. Ich sehe das Schreiben und die Musik als zwei verschiedene Arten künstlerischen Ausdrucks, die beide meinem Inneren entspringen. Sie sind in mir und Teil meines Lebens.

Dieter Beckmann: Eine logische Fortsetzung ist das aber nicht unbedingt, wer Musiker ist wird nicht zwangsläufig Schriftsteller.

Maria Rhein: Ich kenne auch viele Musiker, die irgendwann einfach Surfer geworden sind, oder zum bowlen gehen.

Dieter Beckmann: Ja, ich auch. Allerdings speist sich jede kreative Arbeit aus derselben Quelle. Es geht auch immer um die Aussage. Wer nichts zu sagen hat, sollte sich, meiner Meinung nach, auf keine Bühne stellen und erst recht kein Buch schreiben.

Maria Rhein: Das kannst du aber niemanden vorschreiben.

Dieter Beckmann: Stimmt. Will ich auch gar nicht. Jeder muss für sich entscheiden…

Maria Rhein: …ob er etwas erschaffen oder etwas reproduzieren will.

Dieter Beckmann: So ist es. Malen nach Zahlen ist nicht so meins.

Maria Rhein: Meins auch nicht.

Histo-Couch: Welche Bücher lesen Sie privat gerne?

Maria Rhein: Ich lese sehr viele, ganz unterschiedliche Bücher: Historische Kriminalromane, Kriminalromane, Thriller; sowohl neuere Belletristik, als auch Klassiker, wie Jane Austin, Leo Tolstoi, Shakespear, Ovid u.v.m.

Dieter Beckmann: Am liebsten lese ich Historische Romane, ohne mich jetzt auf eine bestimmte Epoche festlegen zu wollen. Ansonsten eigentlich alles, Hauptsache interessant.

Maria Rhein (lacht): Und mit Happy End.

Dieter Beckmann: Ja ich geb´s zu. Ich mag Happy Ends. Auch wenn ich jetzt nicht verrate, ob der Werwolf eines hat.

Maria Rhein: Keine Sorge. Ich bin ja auch noch da.

Histo-Couch: Welche Musik hören Sie privat?

Maria Rhein: Ich höre gerne Jazz und Soul. Aber auch schon mal aktuelle Charttitel.

Dieter Beckmann: Ich habe in meinem Leben soviel Musik gemacht und gehört, dass ich eine Musikrichtung gar nicht festlegen möchte. Ich bin eher der Melodienhörer. Melodien erzeugen Stimmungen und damit auch wieder Bilder im Kopf.

Maria Rhein: Mich reizen auch manchmal schöne Texte. Selten, aber es gibt sie: Lieder mit poetischem Tiefgang.

Histo-Couch: Zum Abschluss noch die Frage, ob Sie uns schon etwas über Ihr nächstes Projekt verraten können? Werden Sie weiterhin zusammen schreiben – gibt es vielleicht sogar eine Fortsetzung mit Heinrich Maler? – oder konzentrieren Sie sich wieder auf Einzelprojekte.

Maria Rhein: Wir haben Heinrich Maler ein bisschen in unsere Seele geschrieben und alles drängt danach, mehr von ihm zu erzählen. Solange die Zusammenarbeit so ausgesprochen fruchtbar ist, uns Spaß macht und wir gemeinsame Geschichten zu erzählen haben, werden wir wohl auch gemeinsam schreiben. Doch jeder von uns ist natürlich frei, an Einzelprojekten zu arbeiten.

Dieter Beckmann: Derzeit haben wir zwei Projekte, an denen wir gemeinsam arbeiten. Eines davon ist die Fortsetzung von Heinrich Maler, was wir natürlich wahnsinnig gerne machen würden. Es wird wohl davon abhängen wie gut Heinrich Maler beim Leser ankommt.

Das Interview führte Birgit Borloni.

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