Peter Hereld

„Das Schreiben macht mir viel zu viel Spaß“

04.2015 Die Histo-Couch im Interview mit Peter Hereld über den Kinderkreuzzug, Hildesheim und Kurzgeschichten seiner Helden.

Histo-Couch: Herr Hereld, Ihr Roman „Des Kaisers neue Braut“ ist schon der dritte mit den beiden Protagonisten Robert dem Schmalen und seinem Freund, dem Araber Osman. Wie sind sie auf diese Konstellation gekommen?

Peter Hereld: Mich reizt das Aufeinandertreffen zweier Kulturen, stellvertretend in Robert und Osman wiederzufinden, insbesondere auch in Anbetracht der damaligen Kreuzzüge. Über die beiden Charaktere kann ich vermitteln, wie es seinerzeit um den Bildungsstand der Morgen- und Abendländer bestellt war. Da wäre zum einen der Araber Osman, belesen und vertraut mit den Schriften der großen Gelehrten der Antike wie Aristoteles und Archimedes, zum anderen der Rheinländer Robert, ein wahrer Riese, zwar nicht mit Osmans Wissen gesegnet, aber als ehemaliger Novize ebenso wie sein Freund des Lesens und Schreibens mächtig. Robert ist vom Naturell her eher gutmütig, Osman hingegen überheblich und stolz. Gemeinsam meistern die beiden allerlei nahezu ausweglose Situationen, wenn sie wieder einmal unverschuldet in Gefahr geraten, Robert durch seine enorme physische Präsenz und Osman mit seinem Wissen. So fungiert eine Viehtränke als Aristoteles Taucherglocke, um unentdeckt zu fliehen oder es wird die Kenntnis vom Archimedischem Prinzip und dessen Schraube genutzt, um einen potentiellen Dienstherrn für sich zu gewinnen. Jeder für sich allein wäre den Aufgaben nicht gewachsen, zusammen allerdings, sozusagen als Hand und Hirn, sind sie fast unschlagbar.

Zu guter Letzt bieten die beiden doch so unterschiedlichen Charaktere reichlich Stoff für scharfzüngige Dialoge. Sie sind zwar in tiefer Freundschaft miteinander verbunden, aber nur selten einer Meinung. 

Histo-Couch: Im ersten Roman Das Geheimnis des Goldmachers wird nicht nur erzählt, wie die beiden sich kennen gelernt haben, sondern auch vom Kinderkreuzzug aus dem Jahr 1212 erzählt. Dieser Kreis schliesst sich nun wieder. Wie bedeutend war er damals, und warum ist er heute fast vergessen?

Peter Hereld: Bedeutend war der Kinderkreuzzug damals nicht gewesen. Es wurden keine geschichtsträchtigen Schlachten geschlagen und auch keine Herrscher, ob nun weltlich oder geistlich, ermordet, abgesetzt oder inthronisiert. Tragisch war er dafür umso mehr, verloren bei diesem absurden Unterfangen doch bis zu zwanzigtausend Kinder ihr Leben. Legendär das rhetorische Vermögen des jungen Agitators Nikolaus von Köln er rief im Jahre 1212 die Kinder zu sich, um mit ihm nach Jerusalem zu ziehen. Das gesprochene Wort, lange vor der Propaganda der Nationalsozialisten, schon damals konnte es gefährlich und verführerisch sein. Ein aktueller Bezug findet sich in den Hassreden und Hasspredigten aus jüngster Zeit.

Nahezu vergessen ist der Kinderkreuzzug vermutlich aus den eingangs erwähnten Gründen. Das ist überaus bedauerlich, denn eigentlich sollte diese Tragödie uns allen ein Beispiel dafür sein, wohin blinde Gefolgschaft und religiöser Wahn führen können. Ich wollte mit der Buchreihe meinen Anteil dazu beitragen, dieses tatsächlich kaum noch bekannte Kapitel der Menschheitsgeschichte wieder ins Bewusstsein zu bringen.

Histo-Couch: Sie selbst stammen aus Hildesheim, die ersten beiden Romane spielen dort auch mehr oder weniger. Wie bedeutend war die Stadt seinerzeit, und wie sieht die Quellenlage dort aus?

Peter Hereld: Hildesheim war damals, im angehenden 13. Jahrhundert, mit ungefähr fünftausend Einwohnern einer der größten Städte auf heutigem deutschem Gebiet, Berlin im Vergleich dazu eine bedeutend kleinere Ansiedlung, ebenso Hamburg oder Hannover. Zudem war und ist das Bistum Hildesheim eines der größten des Landes, es reicht zum Teil über die Grenzen Niedersachsens hinaus. Die Bischöfe Bernward und Godehard holten bedeutende sakrale Kunstschätze und Reliquien in die Stadt und taten sich außerdem als Initiatoren architektonischer Meisterleistungen hervor. Zu bewundern sind diese im Rahmen der aktuellen Jubiläumsfeierlichkeiten zum tausendzweihundertjährigen Bestehen der Stadt und des Bistums, immerhin befinden sich mit dem Dom, dem Domschatz und der Michaeliskirche drei der sieben Weltkulturerben Niedersachsens in Hildesheim. Die Querung eines Wasserlaufs mit dem Hellweg, einem der bedeutendsten Handelswege des Abendlandes, trug außerdem zur vorteilhaften Entwicklung der Stadt bei. Entscheidend für mich als Autor war allerdings nicht die Bedeutung Hildesheims zu dieser Zeit, sondern die Tatsache, dass viele Bauwerke von damals immer noch in der Innenstadt zu bewundern sind. So können Leser des ersten Romans „Das Geheimnis des Goldmachers“ anhand der anhängenden Karte, wenn sie denn einmal Hildesheim besuchen, den Weg von Robert und Osman innerhalb der alten Stadtmauern abgehen und Schauplätze aus dem Buch wieder für sich entdecken.

Die Quellenlage ist ausgezeichnet. Anhand des Materials aus dem Stadtarchiv ließ sich beispielhalber recht präzise eine Karte des alten Stadtgebiets erstellen.

Histo-Couch: Wie ist es, wenn man reale Figuren wie eben Nikolaus von Köln oder Albertus Magnus in seine Handlungen einbaut? Ist man da vorsichtiger als bei fiktiven Figuren, um nichts falsch zu machen?

Peter Hereld: Umfangreiche Recherche ist im historischen Roman generell der Grundstock für eine saubere Arbeit, sei es bei geschichtlichen Ereignissen, baulichen Gegebenheiten oder halt realen Persönlichkeiten. Bei Letzterem forsche ich besonders gründlich nach und versuche neben Äußerlichkeiten sowie der Bedeutung des Individuums im historischen Kontext, seinen Leistungen oder Makeln auch Marotten oder Eigenheiten mit einzubeziehen, wenn denn davon etwas überliefert ist. Vorsicht ist bei der Einbeziehung historischer Persönlichkeiten immer geboten und besonders dann, wenn die Figur im Roman eher negativ dargestellt wird.

Histo-Couch: Der zweite Roman besticht vor allem durch die beklemmend dargestellten Verhältnissen in den Bergwerken. Haben Sie selber zur Recherche Bergwerke besucht?

Peter Hereld: Ich war während meiner Nachforschungen in Goslar tatsächlich im Rammelsberg und habe eine ausführliche Bergwerksbegehung mitgemacht. Den Besuch des Stollens möchte ich übrigens jedem Gast der Pfalzstadt wärmstens ans Herz legen, er war ausgesprochen interessant. Die beklemmenden, engen Verhältnisse, die seinerzeit in den Gängen geherrscht haben mussten, waren zwar für den Besucher nicht leibhaftig erlebbar, ich konnte mir allerdings im Rahmen meiner Recherche im Stadtarchiv ein plastisches Bild davon machen.

Histo-Couch: Wie halten Sie es generell mit Recherchen? Besuchen Sie alle Handlungsorte und stürzen sich in Bibliotheken zum Kartenstudium?

Peter Hereld: Die Recherche ist mit der spannendste Teil meiner Arbeit ich freue mich vor jedem Roman darauf, vorab die Gegebenheiten abzuklopfen, um möglichst viel Geschichte ins Buch mit einzubringen. Sollten die Schauplätze noch existieren, oder zumindest Fragmente davon, gehe ich die Orte gerne ab und versuche Charakteristiken davon in meine Story einzubauen. Sollte es mir der eine oder andere Leser dann gleichtun, würde ich mich sehr darüber freuen, wenn er etwas davon wieder erkennt.

Histo-Couch: Im dritten Roman nun kommen die beiden Protagonisten schließlich nach Köln und geraten in eine Verschwörung. Hat es die wirklich gegeben, oder wie denkt man sich so etwas aus, bis es stimmig ist?

Peter Hereld: Nein, diese Verschwörung hat es definitiv nicht gegeben, das steht zu meiner Entlastung auch so im Anhang.

Wie man sich so etwas ausdenkt? Ich wollte wie im auch ersten Roman Robert und Osman wieder an einem historisch bekannten Ereignis teilhaben lassen, es sollte in Köln stattfinden und natürlich musste auch die Zeit passen. Glücklicherweise zog im Frühling des Jahres 1235 tatsächlich Isabellas von England triumphal in Köln ein, es war eines der großartigsten gesellschaftlichen Ereignisse des Mittelalters und ist bestens präsent in den Annalen der Domstadt. Es gab zu dieser Zeit erhebliche Spannungen zwischen dem weltlichen Herrscher Friedrich II. und Papst Gregor IX. wegen des Friedens von Jaffa, einen skrupellosen Domherrn und die verschwundenen Bücher des Caesarius von Heisterbach eigentlich hat sich bei der Menge an interessanten Fakten die Story fast aufgedrängt.

Histo-Couch: Wie schaffen Sie es, neben ihrem Hauptberuf noch Romane zu schreiben? Sie Sie ein disziplinierter Mensch?

Peter Hereld: Zu Beginn eines Buches muss ich mich schon mal zum Schreiben zwingen, bin ich aber erst im Thema, fällt es mir wiederum schwer, den Laptop runterzufahren. Letztlich brauche ich zum Schreiben keine Disziplin, denn dafür macht es mir viel zu viel Spaß.

Histo-Couch: Wie lange brauchen Sie für einen Roman?

Peter Hereld: Zwei Monate Recherche, sechs Monate für den Rohtext und noch einmal zwei Monate für die Feinarbeit, insgesamt also ein knappes Jahr.

Histo-Couch: Wie steht es um ihre Kenntnisse von Waffen aus der Zeit? Konnten Sie selber welche ausprobieren?

Peter Hereld: Eine Armbrust habe ich schon einmal in der Hand gehalten und auch einen Bolzen abgeschossen, ebenso Pfeil und Bogen ausprobiert. Ansonsten haben meine beiden Helden ja nicht so viel mit Waffen zu tun. Wenns erforderlich war, habe ich mich dann kundig gemacht.

Histo-Couch: Wie gehen Sie vor, wenn Sie schreiben? Chronologisch und mit Plan oder frei?

Peter Hereld: Eindeutig frei. Als Filmer, der ich ja eigentlich bin, habe ich Inseln mit Szenen im Kopf, die ich in meine Story einbauen möchte. Diese Inseln verbinde ich im Laufe der Entstehung dann miteinander. Gerne baue ich auch gerade Erlebtes in meine Romane ein: Als ich „Das Geheimnis des Goldmachers“ schrieb, waren weite Teile meiner Heimatstadt Hildesheim, und speziell das Viertel, in dem ich wohne, wegen eines Unwetters überschwemmt. So findet sich dann im Buch nicht nur besagtes Unwetter wieder, sondern auch ein zum reißenden Strom mutiertes (eigentliches) Rinnsal.

Histo-Couch: Am Ende des dritten Romans findet der Leser überraschend vier Kurzkrimis und eine Weihnachtsgeschichte mit Robert und Osman. Wie kam es dazu?

Peter Hereld: Ich wurde von Redakteuren angesprochen, ob es von meinen Protagonisten Robert und Osman nicht auch Kurzgeschichten gäbe und zur Adventszeit halt auf eine Weihnachtsgeschichte. So entstanden diese Episoden. Sie wurden dann in diversen Zeitungen veröffentlicht. Da diese Geschichten während Robert und Osmans Winterquartier in Hameln spielen, also zeitlich zwischen dem zweiten und dritten Buch anzusiedeln sind, passen sie, denke ich, ganz gut in die Reihe.

Histo-Couch: Haben Sie Mitspracherecht bei den Buchcovern? Der Gmeiner-Verlag schafft ja immer sehr schöne, individuelle Cover.

Peter Hereld: Das Covermotiv vom ersten Buch habe tatsächlich ich ausgesucht. Beim zweiten und dritten Band fand ich allerdings nichts Geeignetes und so verließ ich mich ganz auf die Grafiker.

Histo-Couch: Wenn es die Möglichkeit gäbe, dass Sie einen Tag an der Seite von Osman und Robert verbringen zu können – würden Sie das machen? Welche Situation in Ihren Romanen hätten Sie gerne selbst miterlebt?

Peter Hereld: Ganz eindeutig: Die Rede des Nikolaus von Köln.

Histo-Couch: Wird es mit Robert und Osman weitergehen? Was planen Sie als nächstes?

Peter Hereld: Derzeit will ich mich erst einmal mit einem aktuellen Stoff beschäftigen. Ich habe viele Ideen, aber noch nichts Konkretes. Ob es mit Robert und Osman weitergeht, wird die Zeit zeigen. Viel zu erzählen gäbe es gewiss noch, z.B. über ihre Jahre in Alexandria.

Das Interview führte Carsten Jaehner.

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