Alexandra Doerrier
„Das Leben der Nonnen hat mich inspiriert“
07.2016 Die Histo-Couch im Interview mit Alexandra Doerrier über die Nazarener, ihre Zeit im Kloster und dem Besuch der Gräber in Rom.
Histo-Couch: Frau Doerrier, was führte zum Roman „Die Lukasbrüder“ …eher der Wunsch, die Geschichte der Maler-Mönche zu erzählen, oder das Bedürfnis, zu schreiben?
Alexandra Doerrier: Da kam wohl beides zusammen. Ich glaube, wenn man so viel Zeit und Energie in eine Geschichte investiert, dann muss man für das Thema brennen. Dazu kommt bei mir der Drang, jedem Eindruck einen künstlerischen Ausdruck zu verleihen. Da liegt schon viel beschriebenes Papier in der Schreibtischschublade. Bei den Lukasbrüdern hatte ich von Anfang an das Gefühl: das wird ein Buch!
Histo-Couch: Über die Nazarener wird wenig geschrieben und erzählt: Wie sind Sie auf das Thema gekommen? Was war der auslösende Momente dafür, darüber einen Roman zu schreiben?
Alexandra Doerrier: Eine Lehrerin an der Freien Kunstschule in Köln hat mich auf die Malermönche aufmerksam gemacht, da sie eines meiner Bilder an die Kunst der Nazarener erinnerte. Ich hatte noch nie von ihnen gehört, aber meine Neugierde war geweckt. Schon länger hatte ich den Traum, mich für eine Weile in ein Kloster zurückzuziehen, um mich ganz der Kunst zu widmen. Dann lese ich in einem Buch, dass die Nazarener genau dasselbe vor zweihundert Jahren getan haben. Ich war begeistert. Plötzlich sind mir die Gemälde dieser Künstlergruppe überall begegnet. Zuerst im Kölner Dom, dann in der Hamburger Kunsthalle, in der Alten Nationalgalerie in Berlin, in der Neuen Pinakothek in München. Die Lukasbrüder oder Nazarener, wie sie später genannt wurden, haben ein Stück Kunstgeschichte geschrieben. Ihre Werke sind auch heute noch überall sichtbar ist, aber nur wenige kennen den Lübecker Friedrich Overbeck und seine Gefährten. Das wollte ich ändern!
Histo-Couch: Vieles in Ihrem Roman fußt auf historischen Fakten. Wie schwierig war es für Sie, die Lücken zwischen den Fakten mit Leben zu füllen?
Alexandra Doerrier: Das fiel mir gar nicht schwer. Ich habe die Reise der Lukasbrüder von Wien bis Rom selbst unternommen. Ich wollte so authentisch wie möglich erzählen. Danach habe ich dann wirklich eineinhalb Jahre im Kloster verbracht. Das Leben der Nonnen hat mich inspiriert und mir die nötige äußere Ruhe gegeben, die inneren Bilder lebendig werden zu lassen.
Histo-Couch: Wie zulässig ist es, den Charakter einer Person zu formen, wenn nur wenige greifbare Überlieferungen vorhanden sind?
Alexandra Doerrier: Ich denke, dass man einer historischen Figur seine Persönlichkeit lassen muss. Zum Glück habe ich noch viele Briefe, Tagebücher und Reiseberichte der Lukasbrüder gefunden. Aber ein Roman ist kein Sachbuch und am Ende mischt sich Wahrheit mit Fiktion.
Histo-Couch: Konrad Hottinger und Friedrich Overbeck sind zwei sehr unterschiedliche Figuren, die sich in gegensätzliche Richtungen zu entwickeln scheinen – welche kam Ihnen beim Schreiben näher?
Alexandra Doerrier: Ich hatte zunächst Friedrich Overbeck als Ich-Erzähler gewählt. Nach zwei Kapiteln habe ich noch einmal von vorn begonnen und Hottinger sprechen lassen. Dadurch wurde die Geschichte viel lebendiger. Konrad Hottinger ist mir als Mensch näher. Ich habe aber großen Respekt vor Overbecks Zielstrebigkeit und vor seinem Werk. Sein Gemälde »Italia und Germania«, das auf dem Cover zu sehen ist, finde ich grandios. Als Mensch ist er ein Beispiel dafür, dass auch Christen fanatisch werden können.
Histo-Couch: Hatten Sie beim Schreiben Zweifel, ob Sie mit ihren Recherchen und Vermutungen richtig liegen?
Alexandra Doerrier: Nein. Ich habe über ein Jahr recherchiert und Zweifel an der Geschichte hatte ich nie.
Histo-Couch: Sie sind mit dem Thema über längere Zeit intensiv verbunden gewesen, war es schwierig, den Roman abzuschließen und das Thema wieder loszulassen?
Alexandra Doerrier: Als ich in Rom an Overbecks Grab stand, war ich tief bewegt. Ich hatte das Gefühl, einen nahen Verwandten zu besuchen. Die vier Lukasbrüder sind mir beim Schreiben sehr ans Herz gewachsen. Sie sind ja auch ein Teil von mir. Da ist es nicht so leicht loszulassen. Irgendwann habe ich das Manuskript durch das viele Überarbeiten aber nur noch verschlimmbessert. Da war dann der Moment gekommen die Nabelschnur zu kappen.
Histo-Couch: Welche Resonanz bekamen Sie?
Alexandra Doerrier: Ich habe das Gefühl, nun die Früchte zu ernten, denn die Resonanz war sehr positiv. Ich bekomme auch Zuschriften von Lesern aus Österreich und der Schweiz. Dazu kommen Begegnungen auf Messen und Lesungen, die mich sehr erfreuen.
Histo-Couch: Jetzt, da Sie den Roman in Händen halten: würden Sie ihn nochmals so aufbauen oder hätten sie im Nachhinein einen anderen Weg gewählt? Konnten Sie erzählen, was Sie erzählen wollten?
Alexandra Doerrier: Ja, doch, ich würde es wieder so machen. Ich habe die Entstehungsgeschichte des Gemäldes »Italia und Germania« und die Reise der vier Freunde von Wien nach Rom erzählt. Ein Leser hat den Roman als Sinnsuche interpretiert ein anderer als Lebensreise. Ich freue mich über diese Vielschichtigkeit und ja, ich habe erzählt, was ich erzählen wollte.
Histo-Couch: Lesen Sie die Kritiken zu Ihrem Roman? Wie gehen Sie damit um?
Alexandra Doerrier: Ich lese sie. Über positive Kritik freue ich mich und an konstruktiver Kritik wachse ich. Es ist natürlich auch immer eine Frage des Geschmacks und des Zugangs.
Histo-Couch: Lesen Sie selber historische Romane?
Alexandra Doerrier: Ja, ich bevorzuge die historischen Romane mit Protagonisten, die tatsächlich existiert haben.
Histo-Couch: Hat „Die Lukasbrüder“ Sie zu einer Autorin von historischen Romanen gemacht? Wird es weitere Bücher geben?
Alexandra Doerrier: Ja, ich werde weitere Bücher schreiben. Es gibt noch so viele spannende Themen.
Histo-Couch: Welche Themen könnten Sie zu einem neuen Roman verleiten?
Alexandra Doerrier: Künstlerbiographien interessieren mich sehr. In meinem zweiten Buch wird es wieder um einen Maler gehen.
Das Interview führte Rita DellAgnese.
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