Jud Süß

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  • Erschienen: Januar 1925
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  • , 1925, Titel: 'Jud Süß', Originalausgabe
Jud Süß
Jud Süß
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Carsten Jaehner
901001

Histo-Couch Rezension vonJan 2008

Ein durchaus nicht sympathischer historischer Romanheld

Im Jahr 1733 wird Karl Alexander Herzog von Württemberg. Den Thron erbte er unerwartet von seinem Cousin Eberhard Ludwig, und er verlegte die Residenz von Ludwigsburg nach Stuttgart. Verheiratet mit der katholischen Marie-Auguste von Thurn und Taxis, konvertierte er wegen der Hochzeit zum Katholizismus und war nun auf einmal ein katholischer Herrscher in einem ansonsten protestantischen Land.

Durch Zufall lernte er den Juden Joseph Süß Oppenheimer kennen, den er nach seinem Amtsantritt schnell zu seinem Finanzrat machte. Württembergs Kassen waren leer, und Karl Alexander lebte in Saus und Braus und lehnte auch viele Neuerungen wie Demokratie ab und herrschte im Prinzip absolutistisch. Joseph Süß Oppenheimer finanzierte all das und machte sich dazu nebenbei seine eigenen Taschen voll.

Während Die Stimmung im Land immer mehr gegen den Herzog und seinen Finanzjuden kippt, scheffeln beide weiter Geld, Geld, Geld und lassen es sich gut gehen, wissend, dass die voneinander abhängig sind. Zudem versorgt Süß den Herzog mit Frauen, von denen dieser ebenfalls nicht genug bekommen kann. Als Süß dem Herzog die Tochter seines Prälaten Weißensee zuspielt, wird diese Magdalene zur offiziellen Hure des Herzogs, was Weißensee nicht gut heißt, obwohl es ihm Titel und Geld einbringt. Er schwört Rache und führt dem Herzog Süßens Tochter Naemi zu, wovon Süß nichts weiß. Bei einem Jagdausflug steigt der Herzog in einem abgelegenen Haus, wo Naemi versteckt wird, dem Mädchen hinterher, das sich aber zu Tode stürzt. Süß schwört Rache gegenüber dem Herzog, und von nun an treibt er seine Finanzspielchen offen.

Vom Volk immer mehr verachtet, hat sich Süß bereits in frühen Tagen eine Legitimationsurkunde für all sein Handeln vom Herzog ausstellen lassen und kann nicht belangt werden. Als der Herzog auf einer Auslandsreise der Schlag trifft, wird Süß sofort verhaftet und eingekerkert. Der fast ein Jahr dauernde Prozess führt den gnadenlosen Richter dazu, ein Exempel zu statuieren und Süß aufzuhängen, da ihm als Juden verboten war, mit Christinnen Verhältnisse zu haben, wovon Süß allerdings ebenfalls reichlich Gebrauch gemacht hatte.

Ein Jude als Finanzrat

Lion Feuchtwangers Roman aus dem Jahr 1925 basiert auf dem Leben des Juden Joseph Süß Oppenheimer, der tatsächlich von 1698 bis 1738 lebte und der Hoffaktor des Herzogs von Württemberg war. Wortgewaltig beschreibt Feuchtwanger den Werdegang von Süß, vom Kennenlernen bis über die vier Jahre Dienst bis zur Haft, während der die jüdische Gemeinde versucht, Süß freizukaufen.

 

Wozu denn Macht, wenn man sie nicht sehen läßt? Diese dummen, ängstlichen, altmodischen Vorurteile. Nur ja die Christen nicht aufmerksam machen. Nur ja sich in den Schatten ducken. Gerade ins Licht stellen werde ich mich und allen mitten ins Aug schaun.

 

Dabei nimmt Süß einige Änderungen zur Realität vor, in der es beispielsweise keine Tochter gab, die vom Herzog in den Tod getrieben wurde. Dennoch beschreibt Feuchtwanger den Aufstieg eines Juden aus dem Ghetto zum wichtigsten Mann im Staat, der sich sogar Hoffnungen macht, einst selbst den herzogsthron zu besteigen, und das als Jude. Mit seinem Rabbi spricht er oft über sein Tun, und als er erfährt, dass er eigentlich gar kein Jude ist, sondern Christ, da seine Mutter eine Affäre mit einem General hatte, empfindet Süß sich noch mehr auf der richtigen Linie, da sich die besten Eigenschaften beider Personen in ihm vereinen und er es der Welt zeigen will, es als Jude schaffen zu können. Sein Bruder war bereits zum Christentum konvertiert, und auch ihm wurde dies angetragen, doch er will es trotzdem als Jude schaffen.

 

Daß ein Aristokrat Minister wird, was da weiter? Aber ein Jud, der so einsam hochklettert, das ist doch wohl mehr als ein Schock Aristokraten. Soll er das hinwerfen? Wofür? Wozu? Schließlich hätte er sich doch früher schon taufen lassen können. Hätte vielleicht sogar mehr erreicht, als wenn er jetzt als geborener Christ sich offenbarte. Christ sein, das war einer unter vielen sein. Aber Juden gab es auf sechshundert Christen nur einen. Jude sein, das hieß verachtet, verfolgt, erniedrigt sein, aber auch einmalig sein, immer bewußt, aller Augen auf sich zu haben, immer gezwungen, gespannt, gerafft zu sein, alle Sinne lebendig und auf der Hut.

 

Feuchtwangers Sprache ist kräftig, saftig und ausdrucksstark, immer wieder gibt es Aufzählungen mit meist drei Varianten, oft auch mehr, und dabei versucht er, sich auch der damaligen Sprache des 18. Jahrhunderts anzupassen. Dies und seine genauen Kenntnisse der Zeit und der Orte versetzen den Leser in die Zeit und lassen ihn Aufstieg und Fall des Finanzjuden miterleben, der jedoch nie offizieller Minister war und somit nur dem Herzog persönlich unterstand.

Starke Sprache

Feuchtwangers Figuren werden dabei sehr menschlich und mit vielen Eigenschaften beschrieben, so dass ein greifbares Bild der Personen entsteht. Der Herzog ist abhängig von Süß, gierig nach Geld und Frauen, wovon Süß beides ebenfalls im Übermaß besitzt. Immer wieder lässt sich der Herzog von Süß bequatschen zu Anschaffungen, Neubauten und Frauengeschichten, und die Finanzierung ist gleichgültig. Das macht den Herzog nicht sympathisch, eher im Gegenteil, er ist eine negative und unangenehme Person, die sich einwickeln lässt und, obwohl sie selber glaubt, stark zu sein, schwach ist und manipulierbar. Manipuliert durch Süß, der allerdings auch nicht als Sympathieträger des Romans gelten kann. Beide sind voneinander abhängig, sich gleicher als man denkt, und beendet werden kann es nur, wenn einer der beiden nicht mehr ist. Das Volk will gegen sie aufbegehren, sieht jedoch, dass einer den anderen schützt, und so ist es froh, dass sich das Problem bald von selbst ergibt.

Feuchtwanger, selber Jude, weswegen die Nazis alle seine Romane verboten hatten, hat einen Roman geschaffen, der harte Kost ist und durch seinen expressiven Stil manchen Leser aufstören mag. Dennoch war er Feuchtwangers erster grosser Erfolg und machte ihn schlagartig berühmt. Es folgten mehrere Verfilmungen, von denen gerade diejenige von 1940 unter der Regie von Veit Harlan bis heute im Giftschrank der Friedrich-Wilhelm-Murnau-Stiftung liegt und auch heute nur unter Moderation und Diskussion gezeigt werden darf. Er gilt als der schlimmste der Nazi-Propaganda-Filme, da darin die Juden sehr negativ dargestellt werden und am Ende die Juden aus Württemberg ausgewiesen werden ein gefundenes Fressen für die Nazis. Auch für die Bühne wurde das Sujet adaptiert, unter anderem auch von Detlev Glanert für die Opernbühne unter dem Titel Joseph Süß.

Fesselnd und bedrückend zugleich

Der Roman besticht nebens einer Sprache und seiner trotzdem fesselnden Handlung auch durch sein grosses und vielseitiges Personal, wobei es allerdings durchweg keine Figur gibt, die den Leser an sich bindet und ihn für sich einnimmt. Allenfalls Naemi, die nur kurz auftritt, hat keine negativen Eigenschaften. Dass gerade diese Person fiktiv und nicht real ist, mag eine Bedeutung haben, die jeder Leser für sich selbst entdecken mag.

Dennoch ist der Roman empfehlenswert, vor allem auch, um einen Einblick in die damalige Zeit Württembergs und seine Rechtsprechung zu bekommen. Ähnlich wird es in anderen Staaten gewesen sein, und die Frage nach dem Jüdischsein oder dem Christsein wird hier auf eine interessante Art beleuchtet. Dass die Antwort darauf letztlich egal ist, zeigt der Roman auch. Lesenswert.

Jud Süß

Lion Feuchtwanger, -

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