Die Welfenkaiserin

  • Piper
  • Erschienen: Januar 2008
  • 1
  • Piper, 2008, Titel: 'Die Welfenkaiserin', Originalausgabe
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Volker Faßnacht
891001

Histo-Couch Rezension vonFeb 2008

Vom Frankenreich zum Europa des 21. Jahrhunderts

Kurzgefasst:

Siebzehn Jungfrauen stehen zur Wahl: Es ist das Jahr 818, als Ludwig der Fromme, der Sohn Karls des Großen, die schönsten Töchter edler Familien aus dem ganzen Reich nach Aachen bringen lässt. Auf einer Brautschau soll der verwitwete Kaiser eine neue Ehefrau finden. Die Überraschung ist groß, als sich der Herrscher ausgerechnet für die eigenwillige Welfentochter Judith entscheidet. Der Kaiser liebt seine neue Gemahlin über alles und lässt der klugen Frau freie Hand, was Ludwigs Vertraute und vor allem seine erwachsenen Söhne mit Bestürzung beobachten. Aus Misstrauen wird Hass, als dem Kaiserpaar ein Sohn geboren wird. Judiths Feinde zerren die Kaiserin wegen Ehebruchs und Zauberei vor Gericht. Und von diesem Moment an müssen Mutter und Kind um ihr Leben fürchten.

 

Entstanden ist das Geschlecht der Karolinger aus den Familien Arnulf von Metz und Pippin dem Älteren, deren Kinder Ansegisel und Begga einander heirateten und aus deren Verbindung Pippin der Mittlere hervorging.

Pippin der Mittlere und dessen Nachkomme Karl Martell herrschten ab 639 mit Unterbrechungen im Frankenreich als Majordomus, quasi aus der zweiten Reihe. Die merowingischen Könige konnten zwar noch etwa 100 Jahre offiziell als Könige des Frankenreichs bezeichnet werden, waren de facto aber nur noch Schattenkönige, Marionetten der Karolinger und anderer wichtiger Adeliger.

Ab 737 verzichtete Karl Martell auf die Legitimierung seines Amtes als Majordomus durch einen merowingischen König, griff aber nicht selbst zu Königswürden. Diese sicherte er durch die symbolträchtige Aufteilung des Reiches auf seine beiden Söhne Karlmann und Pippin, sowie durch Bestimmung seiner Grabstätte in der Abtei Saint-Denis, die schon mehrmals für merowingische Könige als letzte Ruhestätte gedient hatte.

Karlmann dankte überraschend 747 zugunsten seines Bruders ab und ging ins Kloster (wahrscheinlich nicht ganz freiwillig), sodass Pippin der Jüngere Alleinherrscher wurde und 751 mit der Unterstützung des Papstes und vieler fränkischer Adeliger zum König der Franken proklamiert wurde (Entstehung des Gottesgnadentums als Begründung für die Herrschaftsausübung, indem der Papst und damit die gesamte katholische Kirche ihren Segen zu einer karolingischen Herrschaft gab, statt Geblütsrecht).

Pippin der Jüngere wiederum teilte sein Reich unter seinen Söhnen Karlmann und Karl auf. Karl wurde unter dem Namen ";Karl der Große" nach dem Tod seines Bruders 771 der bedeutsamste Vertreter und Namensgeber seines Geschlechtes. Unter seiner Regierung erreichte das Frankenreich seine größte Ausdehnung und erhielt im Jahre 800 durch die Kaiserwürde (durch Papst Leo III.) die offizielle Anerkennung als Großmacht.

Vom Kampf um das Erbe Karls des Großen

Martina Kempff schildert mit dem dritten Teil ihrer Karolinger-Saga die Geschichte der Karolinger nach dem Tod Karls des Großen, dessen Reich nach dem Tod von Ludwig dem Frommen aufgrund von Erbstreitigkeiten zerfiel.

Zunächst konnte man die Übernahme der Macht nach Karls Tod 814 als mühelos bezeichnen. Die ersten Jahre waren geprägt von einem eifrigen Reformwillen. So wurden zahlreiche Kapitularien herausgegeben, Missstände im Reich wurden aufgedeckt und abgestellt, das Kirchenrecht wurde reformiert und einige Formen von Gottesurteilen wurden verboten und dafür der Zeugenbeweis eingeführt.

Dennoch konnte Ludwig der Fromme niemals ganz aus dem Schatten seines Vorgängers heraustreten. Zu groß waren die Werke, die sein Vater vor allem außenpolitisch zu Wege gebracht hatte. So musste Ludwig sich auf die innere Konsolidierung des Reiches konzentrieren, was natürlich weit weniger spektakulär war.

Sein größtes Dilemma war jedoch, dass sein Plan zur Wahrung der Reichseinheit, der vollständig gegen das herrschende germanisch-fränkische Brauchtum verstieß, nicht erfolgreich war und durch die in dem Roman von Martina Kempff beschriebenen Umstände der eigenwilligen Ehe mit der ";Welfenkaiserin Judith" drastisch verschlechtert wurde.

Mehr soll allerdings an dieser Stelle nicht verraten werden...

Vom Roman zur europäischen Geschichtsschreibung

Wer sich für die europäische Geschichte interessiert, sollte diesem Roman nicht ungelesen lassen.

Die Autorin erzählt von den Gründen, weswegen das Frankenreich unter den gegebenen Umständen zerfallen musste und es in weiten Teilen von West- und Mitteleuropa eben keinen einheitlichen Staat mehr gibt. Es erklärt außerdem den Konflikt, weshalb sich insbesondere Frankreich und Deutschland ab 1648 bis zum Ende der beiden Weltkriege immer wieder um die Gebiete Elsass und Lothringen gestritten haben.

Sie erzählt von der Liebe einer Mutter, die ihr Kind nach ihrem Tod versorgt wissen möchte, von Intrigen, Macht, Hass der Anderen, die um ihr Erbe (oder zumindest um ein Teil davon) fürchten müssen und vom Stolz und der Einflussnahme einer ungewöhnlich starken Frau, die letztendlich scheitert und dabei eigentlich doch alle ihre Ziele erreicht.

Der Roman ist ausgezeichnet recherchiert und bleibt sehr nahe an der geschichtlich überlieferten Realität. Judith die Welfentochter ist die Hauptfigur des Romans. Eine weitere mächtige Frau der Karolinger, die die Politik dieses Könighauses prägte.

Eine grafisch sehr ansprechende Karte über die Teilung des Frankenreichs im Vertrag von Verdun 843, ein Stammbaum der Karolinger, ein Epilog, dessen Inhalt über die weiteren Geschehnisse berichtet, ein Glossar über die wichtigsten Begriffe, die im Roman Verwendung finden, sowie ein Quellenverzeichnis der von der Autorin verwendeten Sekundärliteratur vervollständigen das sehr zu empfehlende Werk.

Schade, dass Martina Kempff ihre Erzählung bereits nach knapp 400 Seiten enden lässt, wobei andererseits nicht unbedingt der Eindruck entsteht, dass gekürzt oder vereinfacht wurde.

Die Welfenkaiserin

Martina Kempff, Piper

Die Welfenkaiserin

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