Die Marchesa
- Piper
- Erschienen: Januar 2006
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- Piper, 2005, Titel: 'La Zia Marchesa', Originalausgabe
Ganz nett, aber leider zu chaotisch!
Kurzgefasst:
Es soll ein Fest werden, das den Gästen und den Einwohnern des kleinen sizilianischen Ortes Sarentini unvergeßlich im Gedächtnis bleibt. So wird die Taufe der kleinen Baronesse Costanza Safamita zu einem prächtigen Ereignis im Palazzo und auf der Piazza unter duftenden Oleanderbäumen und blühendem Jasmin. Es ist das Jahr 1859, und wenigstens für einen Tag soll die Feier die Sorge um die politischen Unruhen auf der Insel vertreiben. Dem kleinen Mädchen wird nie wieder so viel Aufmerksamkeit und Wohlwollen beschieden sein. Entspricht sie doch mit ihrer unbändigen Natürlichkeit und dem fragwürdigen roten Haar so gar nicht dem Ideal der eleganten aristokratischen Gesellschaft Palermos. Dabei ahnt niemand etwas von dem Schatten, der über ihrer Herkunft liegt, und von dem düsteren Geheimnis, das die Familie Safamita hinter ihrer prunkvollen Maske zu verbergen hofft.
Im Sizilien des ausgehenden 19. Jahrhunderts geht es turbulent zu - auch die Adelsfamilie Safamita kriegt das zu spüren. Vor dem Hintergrund der Ereignisse im Land wird die Geschichte von Costanza Safamita erzählt, die es bereits bei ihrer Geburt nicht leicht hat und mit ihrem roten Haar sofort Argwohn erweckt. Das kleine Mädchen wird sogar von ihrer Mutter gemieden und heftet sich an ihre Amme, die sie liebevoll umsorgt.
Simonetta Agnello Hornby erzählt eigentlich gar nicht nur die Geschichte ihrer Hauptfigur, sondern ganz viele Geschichten: über einzelne Familienmitglieder, die Amme, einen Diener und andere; gerade am Anfang steht der Eindruck der Familienbeziehungen im Palazzo von Sarentini und die spezielle Figur der Amme Amalia Cuffaro im Vordergrund. Die Geschichte an sich kommt dabei leider nur langsam in Gang.
Eigenwillige Konstruktion und Namenschaos
Dass der Anfang des Buches etwas schwergängig ist, hat verschiedene Gründe. Die Autorin hat sich eine besondere Konstruktion einfallen lassen, indem sie zwischen den Erzählungen aus dem Leben der Safamita immer wieder Situationen aus dem heutigen Leben der Amme einstreut, die ihrer Nichte von Costanza erzählt. Die Idee ist nicht schlecht, kommt aber nicht unbedingt wohlwollend beim Leser an, da er ohnehin genug mit den ganzen italienischen Namen zu tun hat. Ja, die Namen sind ein echtes Problem, da am Anfang so viele auftauchen, dass man ständig nachschlägt, wer wer ist. Das trübt den Lesespaß.
In der deutschen Ausgabe gibt es ein doppeltes Problem, denn vorne im Buch ist ein Stammbaum der Familie Safamita angelegt, das Personenverzeichnis hingegen befindet sich am Ende des Buches. Im Zweifelsfall schlägt man vorn und hinten nach, was nervt.
Erst wenn man etwa die Hälfte des Buches hinter sich hat, lichtet sich das Chaos. Einerseits, weil man manche Figuren inzwischen oft genug nachgeschlagen hat, um sie sich zu merken, andererseits, weil einige Figuren weniger vorkommen oder bereits verstorben sind. Nun aber gewinnt man endlich einen Überblick und kann die wirklich schönen Beschreibungen der italienischen Landschaft genießen. Auch das Leben der jungen Costanza gerät nach dem Bruch zwischen Eltern und Bruder endlich noch stärker in den Vordergrund und wer bis hierhin gelesen hat, wird jetzt mehr Freude am Buch gewinnen.
Langer Anlauf für ein entzückendes Ende
Costanzas Leben ist oft schwierig, gewinnt aber spätestens nach dem Tod der Mutter auf eine eigenwillige Art und Weise an Dynamik. Die Beziehung zwischen Vater und Tochter wird noch vertrauter. Der Blick auf die Brüder Costanzas eint und trennt sie zeitweise sehr, sie bleiben einander aber immer gewogen. Costanza heiratet dann unter kritischen Blicken des Vaters den Marchese Sabbiamena, den sie von Herzen liebt. Die Ehe ist schwierig und Costanza muss sich auf die Spuren ihres Selbst begeben, um glücklich zu werden.
Die Beschreibung der schwierigen Partnerschaft mit dem Marchese und Costanzas Umgehensweise damit ist der spannendste Teil der Geschichte. Man kann sich plötzlich gut in diese Frau hineinfühlen, man leidet und freut sich mit ihr. Die Autorin setzt daneben die Liebschaft der Amme, die als charmanter Kontrast zu Costanzas Liebe steht. Im liebevoll erzählten Schlussteil versöhnt man sich blitzartig mit dem Chaos der anfänglichen Seiten und liest begeistert bis das Buch dann leider plötzlich zu Ende ist. Den angenehmen Ton der Autorin hätte man sich von Anfang an so einträchtig mit dem Erzählten gewünscht.
Der Roman wird nicht jeden begeistern und manch einer legt ihn vielleicht frühzeitig aus der Hand, aber er offenbart, dass die Autorin eine sensible Erzählerin sein kann. Im nächsten Buch hoffentlich mit weniger Verwirrspielen und mehr Grazie.
Simonetta Agnello Hornby, Piper
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