Galgentochter
- Rowohlt
- Erschienen: Januar 2008
- 6
- Rowohlt, 2008, Titel: 'Galgentochter', Originalausgabe
Eine wenig emotionale Geschichte!
Kurzgefasst:
1536: Als auf dem Frankfurter Galgenberg die Leiche einer Hure gefunden wird, ist für Richter Blettner klar: Es war Selbstmord. Doch seine scharfsinnige, junge Frau Hella sieht das anders. Als man kurz darauf am gleichen Ort einen ermordeten Gewandschneider findet, beschließen Hella und ihre Mutter, die Witwe Gustelies, dass es höchste Zeit für eine ordentliche Ermittlung ist ...
Frankfurt am Main ist der Schauplatz des historischen Kriminalromans Die Galgentochter von Ines Thorn. Im Jahre 1536 wird in Frankfurt auf dem Hinrichtungshügel (auch "Galgenberg" genannt) die Leiche einer Frau, einer Hure entdeckt, die unter dem Galgen verkrümmt liegt. Über der toten Frau baumelt ein Hund in der Schlinge.
Für den Richter Heinz Blettner, der sich zusammen mit dem Scharfrichter und dem Stadtmedicus die Leiche der Hure anschaut und keine Zeichen für einen gewaltsamen Tod entdeckt, steht es fest, dass es sich hier um Selbstmord handeln muss.
Doch für seine junge Frau Hella sprechen die Indizien eindeutig für einen Mord, denn wer legt sich schon für den Freitod unter einen Galgen und nimmt einen Hund mit in den Tod?! Doch Hella steht mit ihrer Meinung recht alleine da. Für ihren Mann sind die Akten und der Fall abgeschlossen und den Weg des kürzesten Widerstands nehmend, beharrt er auf Selbstmord. Sich unverstanden und missachtet fühlend, wendet sich die Richtersfrau ihrer Mutter Gustelies zu, die sie selbstverständlich anhört und ihr auch gut zuredet.
Zusammen mit ihrer Mutter ermittelt Hella auf eigene Faust. Wenig später wird der Gewandschneider vermisst, der nicht nur hinter jedem Rock her ist, sondern auch Schwierigkeiten mit den städtischen Zünften der Stadt hat, zudem ist dieser scheinbar auch noch hoch verschuldet.
Hellas Vermutungen bewahrheiten sich: Der vermisste Gewandschneider wird - wie zuvor die Hure - auch unter dem Galgen tot aufgefunden. Hellas Ermittlungen führen sie in eine Umgebung, in der sich Zünfte, Patrizier und die oberste Riege der Stadt Frankfurt in einem ganz eigenen dunklen Licht zeigen und auch Hellas Mann kommen nun erste Zweifel.
Ines Thorn beschreibt im zweiten Handlungsstrang auch das Leben eines jungen Mädchens, das zusammen mit seiner Mutter in einem Hurenhaus lebt und aufwächst. Wie zuvor schon ihre Mutter, soll auch die junge Frau zu einer Hure werden. Nach der ersten Begegnung mit körperlicher Liebe in Form einer Vergewaltigung, flieht sie aus ihrem Elend. Ein Pastor, der das Weib als Sinnbild der Sünde betrachtet, misshandelt das schon seelisch gebrochene Mädchen erneut und züchtigt sie mit Schlägen und Folter ...
Fernab von Ritterlichkeit und Romantik
Der Ausdruck "buntes Mittelalter", mit aller Romantik und Ritterlichkeit, passt nicht wirklich zu dieser dunklen, aber doch sehr prägenden Zeit. Soziale Einschränkungen und Abgrenzungen innerhalb der Zünfte, sowie Intrigen in der städtischen Verwaltung und der Kirche gehörten zum Alltagsbild und auch die Gewaltbereitschaft, die daraus resultierte, war kompromisslos und kaum vorstellbar.
In der Galgentochter wird die Gewalt vielleicht realistisch für die Zeit beschrieben und auch das alltägliche Leben zu dieser Zeit wird anschaulich erzählt, aber der Grad dieser Brutalität, die Ines Thorn beschreibt und wie viel Leid ein Mensch psychisch und physisch ertragen muss, wird hier gnadenlos übertrieben. Beeindruckend ist allemal, wie viel Wissen und historische Anekdoten Ines Thorn in ihrer Geschichte einbringt. Ihre Recherche zu dem Roman hat die Wirkung nicht verfehlt, doch bei aller Liebe zum Detail wäre hier weniger mehr gewesen. Ohne Emotionen werden hier Szenen beschrieben, die einen beim Lesen innehalten lassen. Eine Vergewaltigung wird aus der Sicht des Opfers beschrieben, was literarisch als grenzwertig anzusehen ist.
Eindimensionale Erzählung, voraussehbare Handlung
Auch die Beschreibung und Charakterisierung der Protagonisten ist unglaubwürdig und allzu haltlos. Eine Frau, wie jung auch immer, könnte niemals in der damaligen mittelalterlichen Zeit derartig eigenmächtig handeln wie die Frau eines Richters, hier Hella oder auch ihre Mutter, die sich fortgeschrittenen Alters ihrer geschlechtlichen Rolle doch schon längst bewusst sein sollte.
Edelmütig und jedermann überlegen ermitteln die beiden Frauen und meistern schließlich alle Hindernisse mit einer Einfachheit, die schier unglaublich unrealistisch ist. Alles wirkt so eindimensional erzählt und auch die Handlung ist vorhersehbar und das schon nach wenigen Kapiteln. Es gibt keine Abwechslungen in der Handlung, keine großartigen Überraschungen bereichern den Spannungsbogen.
Der Ansatz und die Motivation, einen historischen Kriminalroman zu verfassen, sind misslungen, denn außer einigen gastronomischen Rezepten und einigemWissen um die Stadt Frankfurt bleibt nicht viel übrig. Die Handlung ist vorhersehbar, die Charaktere nicht vielschichtig genug. Bleibt nur die Erinnerung an eine wenig berührende und brutale Erzählung, die nicht empfehlenswert ist.
Ines Thorn, Rowohlt
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