Pontius Pilatus

  • Seifert
  • Erschienen: Januar 2010
  • 1
  • Seifert, 2004, Titel: 'Poncije Pilat', Originalausgabe
Pontius Pilatus
Pontius Pilatus
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Jörg Kijanski
801001

Histo-Couch Rezension vonApr 2008

Eine sprachgewandte, differenzierte Charakterstudie

Kurzgefasst:

Die fiktiven Bekenntnisse des römischen Statthalters Pontius Pilatus zeigen einen Mann, der sich heillos in seine eigene Machtfülle und Besitzgier verstrickt und am Zenit seiner Karriere von Zweifel und Weltüberdruss gepackt wird.

 

Wer kennt sie nicht, die Geschichte des Mannes, der Jesus von Nazareth, den "König der Juden" zum Tode verurteilte? Miro Gavran, einer der angesehensten kroatischen Autoren der Gegenwart, erzählt in seinem kurzen Roman das Leben von Pontius Pilatus und hält sich im Zusammenhang mit dessen Rolle bei der Verurteilung von Jesus an die Darstellungen des Evangeliums.

Mit elf Jahren verliert Pilatus seine Mutter, kurz nach seinem vierzehnten Geburtstag seinen Vater. Dieser offenbart ihm auf dem Sterbebett, dass Pontius in Wirklichkeit ein Barbarenwaise sei, den sein "Vater" auf seinem letzten Feldzug unter Kaiser Augustus mitgenommen habe, nachdem seine Eltern von römischen Soldaten ermordet wurden. Fortan nimmt sich Senator Silan der Erziehung des jungen Pontius an, dessen größter Wunsch es ist, in die römische Armee einzutreten. So verschlägt es ihn im Alter von siebzehn Jahren in die Provinz Germanien, wo er im Kampf zum ersten Mal tötet. Die römische Armee gerät jedoch in Bedrängnis, so dass der Tribun Tiberius als Unterstützung heranrücken muss. Als dieser bei einem Feldlager von einem Offizier eines Hilfstrupps heimtückisch angegriffen wird, kann ihm der aufmerksame Pontius das Leben retten.

Jahre später stirbt Augustus, und Tiberius wird zum neuen Kaiser ernannt. In Erinnerung an die frühere Rettungstat von Pontius ernennt er diesen zum neuen Statthalter der Provinz Judäa, wo es seit einiger Zeit zu kleineren Unruhen kommt. Entgegen dem ausdrücklichen Rat seiner Berater entscheidet sich der inzwischen vierzig Jahre alte Pilatus, den Juden mit Härte entgegen zu treten. Diese sollen die römische Vorherrschaft endlich anerkennen. So lässt er in Jerusalem römische Soldaten Feldzeichen mit dem Adler und dem Bild des Kaisers tragen, durch das die Juden ihre heilige Stadt entweiht sehen. Zu tausenden pilgern sie nach Cäsarea, Pilatus' Amtssitz, um mit ihm zu reden. Doch dieser verweigert sich dem Dialog und droht einmal mehr mit Gewalt. Daraufhin setzen sich nach Tagen der Belagerung die Juden vor die Stadtmauer und bieten an, sich eher ohne Gegenwehr töten zu lassen, als weiter die Schmähung ihrer Religion hinzunehmen.

So könnte der Start für Pilatus in Judäa kaum schlimmer beginnen. Doch ausgerechnet er, der Statthalter Roms und harte Soldat, verliebt sich in die junge Jüdin Lea und heiratet diese. Anschließend scheint er mit sich und den Juden ein wenig im Reinen, bis eines Tages erneut Unruhen entstehen. Deren Aufrührer Barabbas kann zwar verhaftet werden, doch kurz darauf wird es noch schlimmer, als ein gewisser Jesus von Nazareth erscheint, dessen Anhänger ihn als den neuen "König der Juden" feiern. Ausgerechnet der Hohe Rat in Jerusalem fordert Pilatus auf, Jesus zum Tode zu verurteilen. Pilatus sitzt in der Zwickmühle und hofft, dass eine Intrige seinerseits Jesus retten kann...

Pontius Pilatus wird je nach christlicher, jüdischer oder wissenschaftlicher Sicht unterschiedlich bewertet. Miro Gavran entscheidet sich für die "Variante" aus dem Evangelium, wonach Pilatus zwar die Hinrichtung von Jesus befiehlt, zuvor jedoch seine Hände in Unschuld waschen kann, da er der Bevölkerung die Wahl lässt, ob Jesus oder Barabbas freigelassen werden soll. Nach Miro Gavran ist Pontius Pilatus ein Mann, der früh seine vermeintlichen Eltern verliert. Er macht mit Unterstützung eines einflussreichen Senators dennoch Karriere, rettet Tribun Tiberius das Leben und wird - Jahre später - zum Dank als Präfekt nach Judäa versetzt. Dort findet er sich erst zurecht, nachdem er sich heillos in die Jüdin Lea verliebt, von der er viel über deren Glauben lernt, ohne diesen jedoch allzu ernst zu nehmen. Erst nach der Wiederauferstehung von Jesus und eines weiteren herben Schicksalsschlages fühlt sich der innerlich gänzlich ausgebrannte Pilatus zu den Lehren von Jesus und seinen Jüngern hingezogen. Letzteres dürfte eine fragwürdige Variante sein, soll doch nach anderen Quellen Kaiser Caligula ihn in den Selbstmord getrieben haben.

Gleichwohl geht es in dem Roman um die "fiktiven Bekenntnisse" eines zynischen Mannes, der zunächst als römischer Soldat und später als römischer Statthalter über Allem zu stehen scheint. Grenzenlose Machtgier zeichnen ihn aus, bevor nach dem Tod seiner geliebten Lea der Absturz ins Bodenlose folgt. Miro Gavran interpretiert das Leben von Pontius Pilatus in einer kurzweiligen, unterhaltsamen und sprachgewandten Weise, so dass man das gerade einmal 167 Seiten umfassende Buch fast zwingend in einem durchlesen muss (und möchte). Mag man über die historischen Begebenheiten unterschiedlicher Auffassung sein, so ist Pontius Pilatus am Ende gar ein warmherziges Buch, in dem der Protagonist seine Verfehlungen ebenso erkennt wie die Bedeutung der Worte Jesus. So endet Pilatus im vorliegenden Buch nicht durch Suizid, sondern als demütiger und mittelloser Bettler in Judäa.

 

Pontius Pilatus

Miro Gavran, Seifert

Pontius Pilatus

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