Schach der Königin
- Lübbe
- Erschienen: Januar 2007
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- Lübbe, 2003, Titel: 'Jaque a la Reina', Originalausgabe
Intrigen am spanischen Königshof
Kurzgefasst:
Madrid, 1668. König Phillipp IV ist tot, und bei Hofe in Madrid wütet der Kampf um die Macht - denn der Thronfolger ist erst vier Jahre alt. Königin Mariana de Austria übernimmt die schwierige Regentschaft. Doch es gibt einen anderen Anwärter auf die Thronfolge: Ihr illegitimer Stiefsohn Juan José de Austria, Sprössling des Königs aus einer Liaison mit einer Komödiantin. Wird Don Gonzalo seine geliebte Elena von der Rechtschaffenheit seines Herrn überzeugen können? Ein dunkles Geheimnis überschattet diese Liebe...
Spaniens Königsgeschichte ist wie wohl jede andere auch gespickt mit Intrigen und Machenschaften, die man sich heute gar nicht mehr vorstellen kann. Ein besonders unangenehmes Kapitel aus den Jahren 1668/69 beschreibt José Calvo Poyatos Roman "Schach der Königin", in dem der Kampf um die Macht in Madrid im Mittelpunkt steht.
Der König ist tot...
Im Madrid des Jahres 1668 gibt es zwar einen König, der ist allerdings erst vier Jahre alt. Daher werden die Regierungsgeschäfte von der Königinmutter und Witwe des verstorbenen Königs Philipps IV., Maria Anna von Österreich, weitergeführt. An ihrer Seite hat ihr Beichtvater und Gerüchten zufolge mehr als das, Everard Nithard (Johann Eberhard Graf Neidhardt), seines Zeichens Jesuit und sowohl Staatskanzler als auch Großinquisitor, großen Einfluss auf die Regierungsgeschäfte.
Der verstorbene König Philipp IV. hat der Welt auch einige illegitime Nachfolger hinterlassen, so auch den Spross aus einer Liebschaft mit einer Schauspielerin, Don Juan José de Austria. Dieser wird zwar geduldet und mit kleineren und unwichtigeren Aufgaben der Regierung betraut, allerdings strebt er nach Höherem und verlangt vor allem die Ausweisung des Beichtvaters Nithard, unter dem das Volk seiner Meinung nach geknechtet und unterdrückt wird. Beide Lager, sowohl die Nithardisten als auch die Anhänger Don Juans, bekämpfen sich, zunächst nur verbal, doch schon bald gibt es den ersten Toten, der auf Kosten dieses Zwistes geht.
Hauptmann Don Gonzalo de Santa Cruz, Held und einer der treuesten im Gefolge von Don Juan, wird durch einige Zufälle noch mehr in die Intrigen der Parteien hineingezogen, als ihm lieb ist. Er verliebt sich ausgerechnet in Elena, die Tochter eines ehemaligen Geschäftsmanns, der durch Don Juan sein Vermögen verloren hat. Mit schwierigsten Aufgaben betraut, sucht Gonzalo, Nithard das Handwerk zu legen, während auf der anderen Seite versucht wird, Don Juan auszuschalten. Es beginnt ein Schachspiel, das viele Opfer fordert, geahnte und ungeahnte und bald muss sich Gonzalo zwischen seiner Liebe und seiner Gefolgstreue entscheiden.
Ein fesselndes Schachspiel zweier gleichwertiger Parteien
Von der ersten Seite an schafft es der spanische Politiker und Autor José Calvo Poyato den Leser an sein Buch zu fesseln. Nach einer kurzen Einführung in die Situation gibt es gleich den ersten Toten und so geht der Autor mit einer Geschwindigkeit voran, die manch anderen Autoren streckenweise auch gut tun würde. Dabei gelingt es Calvo Poyato, das Bild einer Zeit zu zeichnen, über die man hierzulande nicht viel weiß. Wenn auch das Hauptaugenmerk des Romans in königlichen oder zumindest hochadeligen Kreisen spielt, so hat er doch mit der Erzählebene des Hauptmanns Gonzalo eine weitere Gesellschaftsschicht erfasst, die das Bild nicht einseitig erscheinen lassen.
Zu Beginn des Romans ist der Leser noch verwirrt, weil er auch nicht weiß, auf wessen Seite er sich schlagen soll. Zu gleich werden beide Seiten geschildert, keine ist wirklich böse oder gut, jede Seite spinnt ihre Intrigen und versucht ihr bestes. Auch hierin zeigt sich der Buchtitel gut gewählt, denn auch im Schachspiel sind die Figuren dieselben und haben den gleichen Ausgangspunkt. Jede Seite erringt Erfolge und erleidet Niederlagen, wie im richtigen Schachspiel auch. Es ist eine Frage der Strategie, welche den längeren Atem hat und wer langfristig die größeren Erfolge erzielen kann. Das ist vom Autor klug gemacht, auch wenn es sich gegen Ende allmählich abzeichnet, wie es ausgehen könnte, bleibt immer noch Gelegenheit für den einen oder anderen Winkelzug. Dramaturgisch gesehen hat Calvo Poyato mit seinem Roman alles richtig gemacht.
Viel Adel, wenig Volk
Auch wenn ein Erzählstrang nicht in den Königshäusern spielt, so kommt doch das "wahre" Leben im Madrid des Jahres 1668 etwas zu kurz. Man hätte sich mehr Hintergrund gewünscht, worunter das Volk zu leiden hat oder was ihm Grausames angetan wird, um noch mehr in den Konflikt eintauchen zu können. Das einfache Volk ist in diesem Roman zu unterrepräsentiert. Hätte der Autor drauf ein wenig mehr sein Augenmerk gerichtet, hätten die "Bauernopfer", die gelegentlich gemacht werden müssen, noch einen anderen Stellenwert bekommen.
Die Figuren sind allgemein gut gezeichnet, alle Mitglieder des Königshauses und ihre Bediensteten und Ratgeber haben etwas Würdevolles und Intrigantes, wie man es sich auch vorstellt. Je nach Erzählperspektive erfährt man vieles über die Personen, ihre politische Einstellung und ihre Probleme mit Befehlen. So wird versucht, etwas Menschliches in die Intrigen zu bringen und das gibt die Würze in die Erzählung. Etwas zu glatt läuft hingegen die Beziehung zwischen Gonzalo und Elena und vor allem ihrem Vater ab. Zwar sind Einsichten immer willkommen, wenn sie allerdings so schnell eintreten, wirken sie etwas konstruiert. Hier hätte der Autor noch etwas nachwürzen können.
José Calvo Poyatos Roman strotzt vor politischen Kenntnissen, was nicht verwundert, da er selber in der Politik tätig ist. Diese weiß er allerdings dem Leser kurz und klar zu schildern, ohne sich in unnötigen Fachsimpeleien zu ergehen. Zwar hat das Buch einen Epilog, in dem das weitere Geschehen kurz erläutert wird, allerdings fehlt jegliche Form eines Anhangs, so zum Beispiel eine Personenliste, Karten, ein Glossar oder eine historische Zeittafel. Dennoch wird man gerne wieder zu einem Buch des spanischen Autors greifen, denn man hat es nicht oft, dass der Leser von der ersten bis zur letzten Seite an ein Buch gefesselt wird. So lernen wir gern etwas über die spanische Geschichte!
José Calvo Poyato, Lübbe
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