Das Heiligenspiel
- Droemer-Knaur
- Erschienen: Januar 2008
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- Droemer-Knaur, 2008, Titel: 'Das Heiligenspiel', Originalausgabe
Die andere Perspektive einer<br> überlieferten Geschichte
Beim Versuch, seine neugeborene Tochter aus den Fluten zu retten, stirbt Annas Vater und lässt ihre junge Mutter weitgehend unversorgt zurück. Barbara Laminit kann das Geschehene nie verwinden und macht ihre Tochter für das schwere Los verantwortlich. Anna scheint die düsteren Prognosen ihrer Mutter zu bewahrheiten, als sie der Kupplerei angeklagt und aus der Stadt Augsburg gejagt wird. In ihrer höchsten Not begegnet Anna dem Kräuterweib Oda, das das verstörte Mädchen bei sich aufnimmt und es in die Geheimnisse der Heilkunst einführt.
Als Anna Heimweh nach Augsburg bekommt, ist es wiederum Oda, die sich für eine Begnadigung einsetzt und ihr eine Unterkunft bei Betschwestern verschafft. Nach einer Magenerkrankung wird Anna von einer Mitschwester als Heilige angesehen, die sich lediglich von Hostien ernähren kann. Anna versäumt es, das Missverständnis aufzuklären und beginnt, ihren Status als "Heilige" zu genießen. Bald schon muss sie sich aber heimlich ernähren, was nur unter großer Gefahr möglich ist. Zusätzlich schwierig wird es, als Anna sich in den Augsburger Kaufmann Anton Welser verliebt und von ihm schwanger wird. Das Glück, das dem Mädchen hold war, scheint zu schwinden.
Überlieferte Geschichte
Ursula Niehaus hat als Vorlage für "Das Heiligenspiel" die überlieferte Geschichte um Anna Laminit genommen und versucht, die Ereignisse in ein etwas anderes Licht zu tauchen, als sie landläufig erzählt werden. Insbesondere hat sie Anna Laminit als Opfer einer Verkettung von unglücklichen Zufällen dargestellt, während die angebliche Heilige in den Überlieferungen als verschlagene Betrügerin aufscheint. Diese Veränderung der Perspektive könnte durchaus reizvoll sein, wenn die Autorin die Umkehr wirklich konsequent umgesetzt hätte. Doch es gelingt ihr nicht, Anna vom Vorwurf, sich den Irrtum bewusst zunutze zu machen, zu entlasten.
Vielmehr verliert der Charakter Annas im Verlaufe des Buches immer mehr an Stärke - ist das zu Unrecht schlecht behandelte Kind anfänglich in seiner Naivität eine Sympathie-Trägerin, so scheint bald einmal eine Frau durch, die sehr berechnend auftritt. Selbst ihrer Liebe zu Anton Welser scheint nichts von unschuldiger Leidenschaft inne zu wohnen - vielmehr kommt sie zwar als Ausdruck einer tiefen Einsamkeit Annas daher und wird aber in einer Form rücksichtslos ausgelebt, die eher unsympathisch wirkt.
Es braucht Durchhaltewille
Ganz so flüssig zu lesen ist "Das Heiligenspiel" nicht, wie es zu Beginn vermuten lässt. Nach den ersten, temporeichen und atmosphärisch dichten Szenen schleicht sich eine seichte Nuance ein, die letztlich immer wieder mal Durchhaltewillen fordert, um an der Geschichte dran zu bleiben. Erst gegen Ende des Buches vermag Ursula Niehaus das Tempo wieder spürbar zu steigern und den Leser mit den seichten Passagen im Mittelteil zu versöhnen. Sprachlich ist "Das Heiligenspiel" jedoch auf einem angenehmen Niveau gehalten und so liest sich der Roman recht flüssig.
Der Autorin hoch anzurechnen ist der Versuch der "anderen Perspektive", die die Geschichte in ein völlig neues Licht tauchen könnte. Leider scheint es, als sei sich Ursula Niehaus nicht ganz sicher, ob sie hinter ihrer Version stehen könne, sie lässt Anna damit als Figur ohne echte Konturen erscheinen. Dennoch gebührt Niehaus Lob dafür, die Geschichte der Anna Laminit überhaupt thematisiert und damit ein Kapitel der mittelalterlichen Geschichte aufgeschlagen zu haben, das nicht schon in unzähligen ähnlich gelagerten Büchern seinen Niederschlag gefunden hat.Ursula Niehaus, Droemer-Knaur
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