Der prüfende Blick
- Nagel & Kimche
- Erschienen: Januar 2007
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- Nagel & Kimche, 2007, Titel: 'Der prüfende Blick', Originalausgabe
Farbiges Portrait einer faszinierenden Frau
Kurzgefasst:
Das Porträt der Malerin Angelica Kauffmann.
Der Mainzer Hofmaler Franz Joseph Kauffmann reist im Jahr 1800 nach Bregenz, um seine Herkunft zu klären. Im Zuge seiner Recherchen beginnt er auch das Leben seiner Kusine Angelica zu erforschen, mit der er seine Jugend verbrachte - und die er immer noch liebt. Er sucht Menschen auf, die sie kannten - einen Pfarrer in Schwarzenberg, einen gescheiterten Musiker, ihren Schwager in Venedig -, und rekonstruiert ihr Leben mithilfe der Zeugnisse von Gönnern und Freunden, die die Karriere Angelica Kauffmanns begleiteten: der Maler Heinrich Füssli, der in London bei ihr eine Abfuhr erlitt, ihr Förderer Joshua Reynolds, der einflussreichste Maler Londons, ihr zeitweiliger Arzt und Verehrer John Morgan, der in Italien zu ihren Bewunderern zählte.
Schliesslich gerät ihm auch das Tagebuch Johann Friedrich Reiffensteins in die Hände, in dem ihre Zeit in Rom, die launischen Annäherungen des ´Barons', wie man den reisenden Goethe zuweilen titulierte, und die Eifersüchteleien Herders beschrieben sind...
Nur schwer kann der Mainzer Hofmaler Franz Josef Kauffmann eingestehen, dass seine Tochter Katharina Talent zum Malen hat. Im Jahr 1800 scheint es nahezu unmöglich, ein Mädchen in dieser Kunst ausbilden zu lassen. Doch da ist die Kusine des Hofmalers: Angelica Kauffmann. Sie hat es als erste Frau geschafft, mit ihren Portraits international für Furore zu sorgen. Seither reist sie als anerkannte Künstlerin durch Europa. Auf Drängen seiner Frau erklärt sich der Hofmaler bereit, mit seiner Kusine Kontakt aufzunehmen und anzufragen, ob sie Katharina ausbilden würde. Doch der Kontakt zwischen ihm und seiner Kusine ist längst abgerissen. So macht sich Franz Josef Kauffmann auf die Spuren der berühmten Malerin, um einen Fürsprecher zu gewinnen, der ihr seine Bitte vortragen könnte. Dabei lernt er immer mehr vom Leben und Wirken seiner Kusine kennen.
Interessante Erzählperspektive
Der biographische Roman über die faszinierende Portraitmalerin Angelica Kauffmann wird aus einer interessanten Perspektive erzählt. Einerseits ist es der Hofmaler Franz Josef Kauffmann, der den Lesern seine Erfahrungen, Erinnerungen und Gedanken mitteilt. Dann aber sind es auch seine wechselnden Gesprächspartner, die ihr Wissen mit dem Hofmaler und damit mit dem Publikum teilen. So ist das Buch in einer doppelten Ich-Form geschrieben, was von der Autorin eine hohe Disziplin voraussetzt, um beim Publikum keine Verwirrung aufkommen zu lassen. Doch hier beweist sich das Können von Gabriele Alioth. Sie legt nicht nur ein angenehmes Tempo vor, das es möglich macht, das Gelesene in die richtigen Relationen zu setzen, sie hat auch eine klare Struktur und einen roten Faden, an dem sich die Geschichte entlang bewegt.
Faszinierende Persönlichkeit
Da die Autorin dem forschenden Hofmaler eine alte Liebe zu seiner Kusine mitgibt, ist es möglich, der Persönlichkeit von Angelica Kauffmann sehr nahe zu kommen. Er betrachtet sie unvoreingenommen und mit dem Gefühl, die Frau ohne Einschränkungen annehmen zu können. So hört er den Erzählungen weitgehend aufmerksam zu und vermischt sie schließlich mit seinen eigenen Erinnerungen, die sich jedoch auf die kurze Zeitspanne von drei Jahren bezieht und vor allem die Jugend der Künstlerin betrifft. Offen und staunend begegnet Franz Josef Kauffmann einer exzentrischen Frau, die für ihre Kunst gelebt hat und die letztlich mit ihrem Talent durchaus auch kokettierte. Der Erzähler lässt zu, auch negative Seiten der Künstlerin zur Sprache kommen zu lassen, wenn auch immer die Bewunderung für die starke Persönlichkeit von Angelica Kauffmann mitschwingt.
Rundes Gesamtbild
Gabrielle Alioth bedient sich in diesem Roman einer Sprache, die ganz dem Stoff angemessen ist. Es ist eine ausgereifte Erzählweise, die von den Lesern fordert, gedanklich bei der Sache zu sein und sich ohne Abstriche auf die Geschichte einzulassen. Dann wird sich den Lesern allerdings eine kleine, biographische Perle erschließen. Selbst jenen, die zuvor kaum etwas oder gar nichts über Angelica Kauffmann wussten, öffnet sich hier eine farbenprächtige Welt. Spätestens nach diesem Buch wird man nach den Werken der Künstlerin Ausschau halten. Betrachtet man ihre Portraits, wird das eine oder andere aus dem Buch wieder aufflammen. So ist Der prüfende Blick ein intensiver Blick auf eine Künstlerin und ihr Schaffen. Aber auch auf eine Zeit, in der es den Frauen zumeist verwehrt war, ihre Talente zu beweisen. Nur ganz starken Persönlichkeiten gelang es, sich gegen die Konventionen durchzusetzen und ihren Weg zu gehen. Angelica Kauffmann ist eine davon.
Gabrielle Alioth, Nagel & Kimche
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