Die Tochter des Würfelspielers
- Rowohlt
- Erschienen: Januar 2008
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- Rowohlt, 2008, Titel: 'Die Tochter des Würfelspielers', Originalausgabe
Aussichtslose Liebe in den religiösen Wirren rund um den Prager Fenstersturz
Kurzgefasst:
Prag 1618. Von einem Tag auf den anderen wird die junge Protestantin Karola Kusenius aus ihrem wohlbehüteten Zuhause gerissen. Ihr Vater, der Baumeister, hat sie und sein gesamtes Vermögen beim Würfelspiel an den katholischen Lebemann Christoph Sahrenburg verloren. Statt sie zu heiraten, will der aber nur ihren Besitz an sich bringen. Da fasst sein rechtschaffener Bruder Matthias einen kühnen Plan: Er wird sie zur Frau nehmen. Doch das verhindern nicht nur die politischen und religiösen Wirren nach dem Prager Fenstersturz, sondern auch die teuflische Intrige seiner Stiefmutter Maria ...
Karola Kusenius, Halbwaise und Tochter eines protestantischen Baumeisters muss eines Abends miterleben, wie ihr Vater, dem Tode nahe, von zwielichten Habsburgern nach Hause gebracht wird. Bevor sich Friedrich Kusenius seiner Tochter erklären kann, präsentiert ihr der arrogante Christoph Sahrenburg ein Schreiben, in dem ihm Kusenius seine ganze Habe vermacht sowie die Hand seiner Tochter verspricht. Karola und ihre treue Magd Tereza erfahren, dass dies der Einsatz von Friedrich Kusenius in einem Würfelspiel gewesen sei. Kusenius stirbt und Christoph Sahrenburg nimmt die beiden Frauen mit in seinen Palais, um seiner Mutter Maria, einer verbohrten Konvertitin, seine ";Braut"; vorzustellen. Als diese erfährt, wer die junge Protestantin ist, unternimmt sie alles, damit ihr Sohn – der vor allem am Vermögen von Kusenius interessiert ist - die Frau nicht heiratet. Matthias Sahrenburg, der ältere Halbbruder von Christoph und Stiefsohn von Maria, verliebt sich in Karola und möchte sie an seines Bruders statt zur Frau nehmen. Maria, im Glauben, dass sich die beiden nicht gut vertragen, akzeptiert das. Als sie aber erfährt, wie sehr sich die jungen Leute zugetan sind, schafft sie es, Karola durch eine List aus dem Haus zu vertreiben, bevor Matthias von einer Reise nach Wien zurück kehrt. Karola, die ihre Liebe verraten glaubt, willigt unterdessen ein, die Frau von Jan Czernin zu werden, den sie in einer protestantischen Kirche kennen gelernt hatte und der intensiv um sie wirbt. Als Lutheranerin wird sie jedoch von ihrem calvinistischen Schwiegervater Wenzel Czernin abgrundtief gehasst. Obwohl sie dem Tuchmacher durch ihre modernen Kleiderentwürfe viele Aufträge beschert, verfolgt er seine Schwiegertochter mit seiner Abneigung. Auch zu Jan findet Karola nicht, ein unerfreuliches Ereignis entzweit die Beiden schließlich ganz. Da taucht der Habsburger Matthias Sahrenburg wieder in ihrem Leben auf…
Spannende Zeit gewählt
Tiana Faber hat für ihre Geschichte eine folgenschwere Zeit gewählt. Wer nun aber gehofft hat, durch diesen historischen Roman mehr über die Hintergründe des Prager Fenstersturzes zu erfahren, sieht sich bald einmal getäuscht. Die Autorin bleibt bei ihren Beschreibungen stets an der Oberfläche und flicht jeweils nur kurze Beschreibungen von den Ereignissen ein, dies vor allem, um die Handlung ihrer Protagonisten zu erklären. Wer mit den historischen Fakten rund um den Fenstersturz nicht vertraut ist, wird eher verwirrt denn aufgeklärt. Auch das Verhältnis der verschiedenen Glaubensrichtungen untereinander wird angesprochen, bleibt aber ebenfalls ohne Tiefe. Deutlich wird einzig, dass sich zwischen den Glaubensströmungen tiefe Gräben aufgetan haben.
Ein reines Geschöpf
Karola Kusenius bleibt als Protagonistin farblos und uninteressant. Ihre kindlich anmutende Schwärmerei für Matthias wirkt aufgesetzt und mit der Zeit dröge. Dass sie zwar in eine Ehe mit Jan einwilligt, sich aber ihre Jungfräulichkeit vorbehält, obwohl sie sich von Matthias verraten glaubt, wie auch das gebetsmühlenartige Hervorheben ihrer Schönheit und ihres Talentes als Kleidermacherin lassen sie nicht sympathischer erscheinen. Es ist schwierig, mit der jungen Frau mitzuleiden, vielmehr bleibt stets eine große Distanz zwischen dem Leser und der Hauptperson des Buches. Ohne erkennbare Facetten bleibt auch der von Karola angebetete Matthias Sahrenburg. Sein Charakter ist mühelos der ";guten"; Seite zuzuschreiben, während auch die ";Bösen"; von Anfang an definiert sind und sich während des ganzen Buches keine Grautöne ausmachen lassen. Der einzige Protagonist, dessen Bild Spannung erzeugt und der als vielschichtiger Charakter begriffen werden könnte, ist Jan Czernin.
Historie aufgesetzt
Alles in Allem ist ";Die Tochter des Würfelspielers"; eine auch sprachlich unspektakuläre Liebesgeschichte, bei der der historische Hintergrund nicht die Basis bildet sondern von Anfang an aufgesetzt wirkt. Die Geschichte ließe sich mühelos in eine andere Zeit oder in eine andere Gegend transportieren, ohne dass allzu viele Veränderungen notwendig waren. Für ein Publikum, das eine seichte Liebesgeschichte sucht, mag das Buch passend sein, nicht aber für jene Leserinnen und Leser, die darauf gehofft haben, die religiösen Wirren rund um den Prager Fenstersturz als tragfähige Basis einer glaubwürdigen Geschichte wiederzufinden. Selbst die Schilderungen vom Einfall der katholischen Truppen in Prag und ihrem Umgang mit der protestantischen Bevölkerung bleibt leblos. Besonders der Umstand, dass Karola Kusenius alleine mit ihrem ";bösen Blick"; die plündernden Katholiken in Schach halten kann und ohne Blessuren aus der Eroberung der Stadt hervor geht, schrumpft die Kulisse zum reinen Stilelement zusammen.
Schade ist, dass hier ein an sich interessanter Zeitabschnitt lediglich Beigemüse einer seichten Liebesgeschichte bleibt. Aus dem Thema hätte sich einiges herausholen lassen. Dass Tiana Faber derzeit an einer Fortsetzung arbeitet, macht nicht viel Hoffnung. Es sei denn, die historischen Ereignisse bekämen erheblich mehr Gewicht in der Geschichte.
Tiana Faber, Rowohlt
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