Die Pestärztin
- Weltbild
- Erschienen: Januar 2008
- 8
- Weltbild, 2008, Titel: 'Die Pestärztin', Originalausgabe
Juden, Pest und Minnehof
Kurzgefasst:
Mainz im 14. Jahrhundert: Bei der Geburt der kleinen Lucia stirbt ihre Mutter. Deshalb kommt Lucia in die Obhut der jüdischen Familie von Speyer. Sie lernt viel von Al Shifa, der muslimischen Dienerin der Familie, über Medizin. So kann sie nach Jahren voller Unruhe und Gefahren mit dem Pestarzt Clemens die Opfer einer Epidemie behandeln. Doch ihr Ruf als Heilkundige bringt ihr auch gefährliche Feinde. Lucia muss Hals über Kopf Mainz verlassen. Wird sie in den Wirren der Zeit jemals wieder zu ihrem geliebten Clemens zurückkehren?
War die Autorin Ricarda Jordan seither nur als Neuseeland-Romanserie-Schreiberin "Sarah Lark" bekannt, so erschließt sie sich mit diesem Pseudonym eine neue Fangemeinde unter den Lesern historischer Romane.
Ein fesselnder Schreibstil und detaillierte Inszenierung mittelalterlichen Lebens
Ein toller Schreibstil und ein tiefer Einblick in die mittelalterliche Szenerie, dies sind die Stärken der Autorin: Von einer sterbenden Mutter gerade eben noch an eine zufällig vorbeieilende Hebamme gegeben, wächst Lucia als Milchschwester unter Juden auf. Ein aufgewecktes Kind, welches das Wissen der Juden und ihrer Pflegemutter 'Al Shifa', einer morgenländischen Sklavin im Haus der Juden, wissbegierig in sich aufsaugt. Und trotzdem schlägt das Schicksal zu und zwingt sie, ihr Heim zu verlassen. Denn sie ist anders, eine Christin, die unter Juden aufgewachsen ist. Hüben wie drüben eine unannehmbare Situation. Kein Wunder, dass sie fort muss und auch nicht überraschend, dass sie später den Menschen hilft, als die Pest ausbricht - sie hilft Juden und Christen gleichermaßen. Dass sie damit wieder und wieder aneckt, es ist kein Wunder.
Ricarda Jordan fängt die unterschiedlichen Sichtweisen der Menschen im Mittelalter ein und beschreibt eindrücklich deren Leben. Die Juden, der Handel, die religiösen Bräuche, zudem Al Shifa's exotische Kenntnisse der morgenländischen Medizin, die damals so viel fortschrittlicher gewesen sein mussten, als die Kenntnisse einer Hildegard von Bingen beispielsweise. Sehr anschaulich werden die Spannungsfelder aufgezeigt, weshalb es immer wieder zu Streitereien, ja zu Mord und Totschlag zwischen Juden und Christen kommen musste.
Gnadenlos überzogen und unglaubwürdig
Dass eine erfolgreiche Karriere als Roman-Autorin keine Garantie für ein exzellentes historisches Roman-Debüt sein muss, zeigt der vorliegende Roman Die Pestärztin jedoch auch. Zum einen mag man der Autorin vorwerfen, dass wenig Bezug zu historischen Personen und Ereignissen genommen wird, dies jedoch wäre die Königsdisziplin des historischen Genres. Hier traut sich Ricarda Jordan nicht heran. Zum anderen lebt die erzählte Geschichte und die Erlebnisse der Protagonistin doch etwas zu sehr von einer Vielzahl an Zufällen. Man könnte auch sagen, dass ungefähr das letzte Drittel des Buches schlicht eher in Fantasy abschweift. Zu modern, zu unglaubwürdig, ein Märchen einfach. Ab hier hat das Buch auch gar nichts mehr mit dem Titel "Die Pestärztin" zu tun. Hier ohne weitere Ausschweifungen zum Ende zu kommen, wäre mutig und richtig gewesen. Aus der Sicht des historischen Romans schließt sich jedoch noch eine Geschichte nach der Pestärztin an... leider!
Und trotzdem: Der Roman findet seine Leserschaft
Die Pestärztin polarisiert die Leserschaft. Entweder man gewinnt ihm nicht viel ab, zu oberflächlich und fantastisch wird manch Leser denken. Oder aber man wird begeistert sein, von einer anrührenden Liebesgeschichte und den lebendigen Schilderungen des mittelalterlichen Lebens, die den Roman zu einem echten "Pageturner" werden lässt. Ein Roman, der sich locker an einem Wochenende weg lesen lässt und vielleicht auch vergessen lässt, dass es noch andere Verpflichtungen gäbe.
Die Leserschaft selbst möge nun entscheiden, ob sie ein paar Stunden gut unterhalten sein möchte - das wäre bei dem Roman sicherlich gegeben - oder, ob lieber ein historisch anspruchsvolles Buch gewählt werden soll. Dann sollte dieses Buch für eine andere Gelegenheit aufgehoben werden.
Ricarda Jordan, Weltbild
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