Der Sommer der Gaukler

  • btb
  • Erschienen: Januar 2006
  • 1
  • btb, 2006, Titel: 'Der Sommer der Gaukler', Originalausgabe
Der Sommer der Gaukler
Der Sommer der Gaukler
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Carsten Jaehner
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Histo-Couch Rezension vonAug 2008

Eine Theatertruppe macht Theater

Kurzgefasst:

Ein kleines Dorf in den Bergen, eine halbe Tagesreise von Salzburg entfernt. Am Ende des 18. Jahrhunderts geht ein tiefer Riss durch seine Bewohner: den saturierten Großbauern stehen die Bergwerksarbeiter gegenüber, deren Lage sich immer mehr verschlechtert. In diese gespannte Atmosphäre platzt der genialische und brachiale Emanuel Schikaneder mit seiner Wandertheatertruppe. Er hat an den sittenstrengen Salzburger Fürstbischof Colloredo ein Gesuch geschickt, an dessen Hofe auftreten zu dürfen, doch weil die Antwort auf sich warten lässt, sitzen die Schauspieler in dem Bergdorf fest. Der unübersehbare lockere Lebenswandel der Truppe stößt bei einem Teil der Bewohner von Tag zu Tag auf größeren Widerwillen. Zudem gerät Schikaneder in Geldnot, und es wird immer schwerer, seine Schaupieler zusammenzuhalten. Seine rettende Idee: er bringt ein reißerisches Trauerspiel zur Aufführung, eine Sensation für das kleine Dorf. Doch die Geschichte von dem hartherzigen Adligen und dem geschwängerten und im Stich gelassenen Bürgermädchen führt zu Tumulten und schließlich zum Eklat. Für den letzten Akt hat der Dorfrichter heimlich die Gendarmerie in Stellung gebracht, um dem revolutionären Aufruhr mit angemessenen Mitteln bekämpfen zu können ...

 

Lange, bevor Emanuel Schikaneder der berühmte Librettist zu Mozarts "Zauberflöte" wurde, war er bereits Direktor einer Theaterwandertruppe, mit der er durch die Lande zog und vor hoffentlich zahlendem Publikum aufspielte. Von einer dieser zahlreichen Begebenheiten erzählt Robert Hültners Roman "Der Sommer der Gaukler".

Zwangsrast in einem Dorf

Im Jahr 1780 hat die "Schikanederische Schau- und Operngesellschaft mit ihren sieben Gepäck- und Planwagen gerade Augsburg verlassen und macht sich auf den Weg Richtung Salzburg. Da die Gruppe noch auf die Auftrittserlaubnis des Salzburger Fürstenhofes warten muss, kann sie noch nicht einreisen und ist gezwungen, so lange in einem kleinen Dorf Rast zu machen.

Die Dorfbewohner haben eigentlich andere Probleme, als sich mit fahrenden Gauklern zu beschäftigen. Ärger steht ins Haus, da der Bergrichter Ratold und der Bergwerksbesitzer Paccoli gerade eine Krise auszufechten haben. In diese kleingeistige Gegend platzt nun die Wandertruppe, macht sich im Wirtshaus breit und verstößt schnell gegen so manche Dorfregel. Neben einem gewissen Lagerkoller und unbefriedigten Schauspielkollegen merkt Schikaneder schnell, dass er überhaupt kein Geld mehr hat.

Da die Nachricht aus Salzburg länger auf sich warten lässt als erwartet, beschließt die Truppe, für die Dorfbewohner eine Vorstellung zu spielen. Leider wissen die Bewohner nicht unbedingt zwischen Spiel und Realität zu unterscheiden und auch andere Kräfte haben sich scheinbar gegen die Truppe gestellt. Die Aufführung droht in einer Katastrophe zu enden.

Zwei Welten treffen aufeinander

Nur 220 Seiten genügen Robert Hültner, um ein Sittenbild des ausgehenden 18. Jahrhunderts zu zeichnen, das es durchaus in sich hat. Zwei Welten treffen aufeinander: Die Welt der fahrenden Künstler und die Welt von unwissenden und tumben Dorfleuten, die froh sind, wenn man sie in Ruhe lässt. Als wäre jede der beiden Gruppen nicht schon ein Problem für sich, stoßen sie hier aufeinander und bilden damit selbst eine Bühne für neue und für beide Seiten vorher nie da gewesene Konflikte und Situationen.

Hültner beobachtet genau die Schachereien der Schauspieler untereinander, bedient dabei allerdings auch manches Klischee, das man sich unter Künstlern vorstellt: Der welterfahrene, alternde Schauspieler, der keine Rolle nach seinem Geschmack bekommt; die junge, aufstrebende Schauspielerin, die wirklich ALLES für eine Hauptrolle tun würde und die gehörnte Ehefrau des Direktors, die in Wahrheit alles in der Hand hat. Auch sprachlich hebt sich die Schauspieltruppe von den Dorfbewohnern ab. Man merkt schon, wer herumkommt und vielleicht mal ein Buch oder ein Gedicht gelesen hat. Diese Unterscheidung beschreibt Hültner sehr deutlich.

Die Dorfbewohner sind hingegen nicht weit herumgekommen und wissen auch nicht viel über die Welt da draußen. Jeder hat seine eigenen Probleme und kümmert sich einen feuchten Kehricht um die Belange Außenstehender, solange sie ihre Rechnung bezahlen. Dazu gehört auch eine gewisse Engstirnigkeit und eine nicht vorhandene Weitsicht, eine süddeutsche Sturheit und dazu eine Portion Ländlichkeit an sich. Hültner schreibt hier auch im Dialekt der Dörfler, was der ganzen Geschichte eine gewisse Lebendigkeit verleiht, auch wenn manches gelegentlich schwer zu verstehen ist. Aber gerade durch diese sprachlichen Unzulänglichkeiten werden die Dörfler treffend charakterisiert und so von den Schaustellern unterschieden.

Herr Mozart gibt sich die Ehre

Hültner lässt natürlich seinen Helden Schikaneder auch Herrn Mozart begegnen, hier soll ein Kontakt geknüpft werden, der - wie wir heute wissen, erst elf Jahre später - mal in eine Oper münden soll. Mozarts Darstellung als kleines, nerviges Kind (immerhin 24 Jahre alt zu dieser Zeit) folgt zwar so mancher historischer Beschreibung, wirkt aber dann doch etwas zu albern. Hier hätte nicht eine Beschreibung nach Volkes Schnauze, sondern etwas mehr Seriosität wohl getan.

Wie der Höhepunkt, das Theaterstück für die Dörfler, letztlich ausgeht und ob die Erlaubnis aus Salzburg rechtzeitig kommt, ehe herauskommt, dass die Truppe pleite ist, das ist typisch für ein ländliches Komödienspiel, wie Robert Hültner es dem Leser präsentiert. Mehr muss auch nicht sein, Hültner trifft den richtigen Ton und man merkt, dass er weiß, wovon er berichtet. Die gekünstelte Sprache steht der teilweise derben und unrichtigen Sprache des Dorfes gegenüber und wohl nicht nur die Sprache. Amüsant und lehrreich beschreibt Hültner die Personen und ihr Verhalten untereinander. Das ist gut und richtig, auch wenn sich mancher Dorfbewohner und Künstler heutzutage nicht eingestehen mag, sich in den Beschreibungen wiederzufinden. Fein beobachtet, Herr Hültner. Weiter so!

Der Sommer der Gaukler

Robert Hültner, btb

Der Sommer der Gaukler

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