Die leinenweiße Braut

  • Die Hanse
  • Erschienen: Januar 2006
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  • Die Hanse, 2006, Titel: 'Die leinenweiße Braut', Originalausgabe
Die leinenweiße Braut
Die leinenweiße Braut
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Yvonne Schulze
751001

Histo-Couch Rezension vonSep 2008

Osnabrück im Jahre des Herrn 1447

Carlo Feber entführt seine Leser in die spätmittelalterliche Bischofsstadt Osnabrück, die Mitte des 15. Jahrhunderts eine lebendige und wohlhabende Hansestadt ist, berühmt für die Herstellung und den Handel mit feinem Leinen. Als sich jedoch die Beschwerden über die mangelnde Qualität des Leinens und gefälschte Qualitätssiegel häufen, wird der Prüfmeister Tomas Reker von den Osnabrücker Ratsherren beauftragt, diesen Anschuldigungen auf den Grund zu gehen, ein Auftrag, den Reker mit dem Leben bezahlt, denn er wird brutal ermordet. In Verdacht gerät der stellvertretende Prüfmeister und potentielle Nachfolger Reimer Knuf, der ein heimliches Verhältnis mit Margit, der schönen Tochter des reichsten Osnabrücker Kaufmanns hat. Margit ist auch die einzige, die um seine Unschuld weiß.

Der Ratsherr Simon Leent, ein besonnener und integerer Kaufmann, wird mit der Aufklärung des Mordes und der gefälschten Siegel betraut. Unterstützung erhält Leent von seiner Frau und dem jungen Studenten Ertwin, die ihm beide mit Klugheit und Weitsicht zur Seite stehen. Besonders Leents Frau liefert oft die richtigen Denkanstöße.

Nur bedingt ein Kriminalroman

Der Klappentext lässt auf einen spannenden Kriminalroman mit integrierter Liebesgeschichte hoffen. Leser mit dieser Erwartungshaltung werden aber recht bald feststellen, dass dem nicht so ist. Die Liebesgeschichte spielt nur eine Nebenrolle und ist ziemlich emotionslos, was nicht zuletzt auch an Margits sperriger Charakterzeichnung liegt. Die Krimihandlung dient lediglich als roter Faden und Spannungsbogen. Carlo Febers Roman ist in erster Linie ein farbenfrohes und detailfreudiges Sittengemälde einer spätmittelalterlichen Handelsstadt mit all ihren Schwierigkeiten und Problemen. So steht hier mehr das Alltagsleben in einer von außen immer wieder bedrohten Stadt im Fokus der Handlung. Regionale Kleinkriege und die über die Stadt verhängte Reichsacht beeinträchtigen empfindlich das Leben der Bürger. Weltliche und klerikale Macht streiten sich darum, wer das Sagen in der Stadt hat und selbst im Mordfall Reker stehen sich städtische Obrigkeit und Klerus gleichermaßen im Weg, gibt es doch ein ständiges Kompetenzgerangel. In diesen bewegten Zeiten haben die Menschen schlichtweg andere Sorgen als einen Mord aufzuklären, zumal mit Reimer Knuf ja schon der vermeintliche Bösewicht hinter Schloss und Riegel sitzt und die Bevölkerung nach einer Hinrichtung lechzt. So rückt die Aufklärung des Falles immer wieder in den Hintergrund. Detektivische Ermittlungsarbeit sollte man also nicht erwarten. Simon Leent ist im Denken und Fühlen ganz in seiner Zeit behaftet und auch vor Aberglauben nicht gefeit. Seine Denkweisen mögen für heutige Leser befremdlich und unverständlich sein, sie sind aber ein Spiegelbild seiner Zeit und geben dieser Figur ein hohes Maß an Glaubwürdigkeit.

Eine Unmenge unterschiedlichster Charaktere tummelt sich in dieser Geschichte und es fällt oftmals schwer, hier den Überblick zu behalten. So bleibt bei den meisten Personen die Figurenzeichnung dann auch eher skizzenhaft. Die stärksten und am besten ausgearbeiteten Figuren sind Simon Leent und Ertwin Ertmann, der auch die einzige historisch belegte Person in der Geschichte ist.    

Feine Sprache versus emotionsloser Erzählstil

Gewöhnungsbedürftig wird für so manchen Leser die Sprache sein, die der Autor hier einsetzt. Viele Autoren historischer Romane tappen gerne in die Sprachfalle, indem sie  Begriffe, Ausdruckweisen und Redewendungen der Gegenwart verwenden. Nicht so Carlo Feber. Er erzählt seine Geschichte in einem leicht antiquierten Deutsch, benutzt Worte und Satzkonstruktionen, die an einen Sprachgebrauch erinnern, wie er früher einmal üblich war, heute aber als altmodisch gilt. So spiegeln auch die Dialoge die Umgangsformen der damaligen Zeit wider und können auf heutige Leser eher steif wirken. Es gibt im Anhang zwar ein Glossar, das die wichtigsten Begriffe erklärt, insgesamt aber eher dürftig ist. Beim Leser wird offensichtlich ein gewisses Maß an Hintergrundwissen vorausgesetzt.

Die sprachliche Qualität dieses Romans kann aber nicht über die einschläfernde Erzählweise hinwegtäuschen. Carlo Feber zeichnet seinen spätmittelalterlichen Bilderbogen zwar sprachlich ausgefeilt, der Erzählstil an sich kann jedoch nicht überzeugen. Es fehlt der Geschichte an Leichtigkeit, Tempo und Empathie. Die Behäbigkeit und die nahezu emotionslose Nüchternheit in der Erzählweise erschweren nicht nur den Einstieg in den Roman, sie lassen auch keine richtige Spannung aufkommen, halten den Leser auf Abstand und nehmen ihm so einen Teil des Lesevergnügens.

Zusammenfassend kann man sagen, dass dieser Roman eines ganz sicher nicht ist: Seichtes, schnell konsumierbares Lesefutter für Bücherverschlinger, denn dieser Roman lässt sich nicht mal so nebenbei weg lesen. Wer sich von der Erwartungshaltung verabschiedet, hier einen spannungsgeladenen historischen Krimi vor sich zu haben, bekommt vom Autor ein interessantes und auf sprachlich anspruchsvolle Weise erzähltes Stück Osnabrücker Stadtgeschichte präsentiert.       

Die leinenweiße Braut

Carlo Feber, Die Hanse

Die leinenweiße Braut

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