Das Pergament des Himmels
- Rütten und Loening
- Erschienen: Januar 2008
- 4
- Rütten und Loening, 2008, Titel: 'La Excriba', Originalausgabe
Es geht um nichts Geringeres als um die Macht im Abendland ...
Weil in seiner angestammten Heimat die Kaiserin von Konstantinopel vermeintliche Kritiker festnehmen lässt, muss der Gelehrte Gorgias mit seiner Tochter Theresa fliehen. In Würzburg finden sie ein neues Zuhause. Gorgias ist dabei, ein wichtiges Pergament zu übersetzen, als ihm bei einem Überfall seine Arbeit entwendet wird. Während er noch mit den Folgen des Überfalls ringt - er wird schwer verletzt - wird Theresa von ihrem Lehrmeister, einem Pergamentmacher, provoziert. Sie wehrt sich und verursacht dabei einen Brand, der die Werkstatt zerstört. Theresa gelingt es zu flüchten, doch gilt sie aufgrund eines Missverständnisses als tot.
Auf ihrer Flucht begegnet sie Haldor, der sie vor zwei Sachsen beschützt. Kurze Zeit später wird Haldor selbst von Sachsen überfallen und schwebt zwischen Leben und Tod. Mit Hilfe eines Fallenstellers gelingt es Theresa, Haldor nach Fulda zu bringen, wo sie bei der schwangeren Hure Helga Unterschlupf findet. In ihrem Bestreben Haldor zu retten, begegnet Theresa Alkuin von York, einem geheimnisvollen Geistlichen und engen Ratgeber von Karl dem Großen. Alkuin erkennt Theresas Talent als Schreiberin und holt sie zu sich ins Skriptorium. Damit wird das Mädchen allerdings in tödliche Machenschaften verstrickt.
Wer ist hier der Held?
Antonio Garrido hat in seinem Roman zwar eine weibliche Hauptprotagonistin gewählt, doch ist diese weit ab vom Image einer Super-Heldin. Theresas Fähigkeiten beruhen auf der plausiblen Erklärung von frühem Unterricht in Konstantinopel. Ansonsten reagiert die junge Frau ganz so, wie es eine durchschnittliche Frau wohl tun würde. Sie erlebt ihre Ängste, setzt sich da und dort über Anweisungen hinweg und bringt sich damit nicht selten in Schwierigkeiten. Dass sie sich in den attraktiven Haldor verliebt und in ihm ihre Zukunft sieht, ist kaum eine Überraschung. Und doch ist die Liaison der beiden alles andere als eine schwülstige Liebesgeschichte. Geschickt zeigt Antonio Garrido die beginnende Abhängigkeit Theresas von ihrem Liebhaber auf und baut - an geeigneter Stelle - auch den notwendigen Rivalen ein. Bedeutend ist, dass Theresa nicht allein die Rolle der Heldin einnimmt, sondern diese mit anderen Protagonisten teilen muss. Allen voran mit dem undurchsichtigen Alkuin von York.
Jeder verfolgt eigene Interessen
Lässt der Autor zu Beginn noch eine gewisse Menschlichkeit bei den höher gestellten Protagonisten aufblitzen, so zieht er bald einmal die Maske hinunter und zeigt ungeschminkt, wie jeder seine eigenen Interessen verfolgt. Dem Leser wird nach und nach klar, dass die Ereignisse Ergebnisse dieser sind, doch nicht in allen Bereichen einen Zusammenhang zu haben scheinen. Auf zwei Handlungsstränge verteilt schildert Garrido, wie sich Theresa zusammen mit Alkuin auf die Suche nach vergiftetem Weizen macht und herausfinden will, wer diesen wissentlich unter die Leute bringt und wie Gorgias trotz schwerster Verletzungen im fernen Würzburg versucht, weiter an diesem ominösen Pergament zu arbeiten. Diese beiden Handlungsstränge, die voneinander losgelöst erzählt werden, finden erst wieder eine Verbindung, als sich Alkuin zusammen mit Theresa auf den Weg nach Würzburg macht um eben jenes Pergament in Empfang zu nehmen, an dem Gorgias so intensiv gearbeitet hat.
Gute Mischung
Antonio Garrido gelingt es, einen Roman vorzulegen, der Krimi und historischen Roman in einem vereint, ohne die Balance zu verlieren. Es ist nicht wirklich ein historischer Krimi der mit ";Das Pergament des Himmels" vorliegt und doch hat das Buch unverkennbar kriminalistischen Einschlag. Damit wird Garrido wohl einer breiten Leserschaft gerecht, die auf der Suche nach dem etwas anderen historischen Roman sind. Angesiedelt im frühen Mittelalter nimmt die Geschichte viel von den Problemen auf, die die damalige Gesellschaft beschäftigten, sei es nun das vergiftete Korn, das Fulda unsicher macht oder die Hungersnot, unter der Würzburg leidet, nachdem die Ernte von heftigen und lang anhaltenden Regenfällen nahezu vernichtet worden ist.
Gleichzeitig zeigt er ein Bild vom Gefälle zwischen den einfachen Leuten und dem Klerus, der trotz anders lautenden Gelübden durchaus in der Fülle lebt. Die Balance hält Garrido auch, was die einzelnen Charaktere betrifft. Er verzichtet auf eine klassische Schwarz-Weiß-Malerei und lässt seine Protagonisten da und dort auch leichtsinnig, egoistisch oder unbesonnen handeln. Gleichzeitig erzählt er schnörkellos vom Gesellschaftsbild jener Zeit, das weder verklärt noch verteufelt wird.
Spannung bis zum Schluss
Antonio Garrido, Rütten und Loening
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