Die Primadonna

  • Aufbau
  • Erschienen: Januar 2008
  • 1
  • Aufbau, 2008, Titel: 'Die Primadonna', Originalausgabe
Die Primadonna
Die Primadonna
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Carsten Jaehner
581001

Histo-Couch Rezension vonNov 2008

Verschenktes Thema, Schade drum!

Kurzgefasst:

Die zwanzigjährige Anna ist Novizin in einem Kloster in Venedig, in dem der Priester und Komponist Antonio Vivaldi unterrichtet. Sie träumt davon, eine große Opernsängerin zu werden. Schon bald verlieben sich die beiden ineinander, obwohl sie ahnen, dass ihre Liebe keine Zukunft haben kann.

 

Im Venedig des Jahres 1718 unterrichtet der Komponist Antonio Vivaldi im Kloster Sant'Angelo Novizinnen in Musik und Gesang. Daneben schreibt der Priester auch Opern für das direkt neben dem Kloster gelegene Opernhaus. Seine besten Schülerinnen sind die junge Anna Girò und ihre jüngere Schwester Paolina, sowie deren Freundin Claudia.

Schon bald empfindet Anna mehr als nur väterliche Zuneigung zu Don Antonio, wie er überall genannt wird und als er ankündigt, nach Mantua zu gehen, scheint für die drei Novizinnen zunächst eine Welt unterzugehen. Er darf sie jedoch mitnehmen und als Praktikantinnen zu Sängerinnen für die Opernbühne ausbilden und so reisen die vier ab. Schon bald stellt sich heraus, dass Paolina mit den beiden älteren Mädchen nicht mithalten kann und sie lässt sich stattdessen zur Krankenschwester ausbilden, womit sie auch viel glücklicher ist.

Nach zwei Jahren kehren die beiden Schwestern nach Venedig zurück. Vivaldi kommt als Gast wieder nach Venedig und fortan können er und Anna ihre gegenseitige Leidenschaft füreinander kaum mehr verbergen und zurückhalten. Doch er ist Priester und sie Novizin und eine öffentliche Beziehung kommt so nicht in Frage. Zudem hat Vivaldi gesundheitliche Probleme. Als Vivaldis Mutter zum Pflegefall wird, nimmt er die jüngere Paolina zu sich auf, die sich um sie kümmern soll. Währenddessen macht Anna Karriere als große Interpretin der Rollen, die Vivaldi ihr auf den Leib geschrieben hat. Doch ihre Leidenschaft zum Komponisten bleibt bestehen und auch er ist von ihr entflammt.

Guter Anfang, miserabler Schluss

Jürgen Barthelmes entführt den Leser in seinem ersten Roman in die barocke Welt der Musik und der Oper und zeichnet neben einem Stück Musikgeschichte auch ein Bild der Zeit, in der sich die Gesellschaft in einem Wandel befindet. Dabei gelingt Barthelmes vor allem der Charakter der Anna, einer Sängerin, die historisch belegt ist und tatsächlich unter Vivaldi in seinen Opern gesungen hat.

Die Erzählung liest sich sehr gefällig und flüssig, der Leser kann in die Zeit und in das Denken der Musiker eintauchen. Doch nach zwei Dritteln des Buches kommt ein Bruch und die Erzählung verliert an Spannung und Struktur. Der Lesefluss wird durch eine zum Teil fast protokollarische Zerstückelung gestört und das leider so konsequent, dass es ärgerlich ist und man das Buch weglegen möchte, ohne es ausgelesen zu haben. Die Dialoge, die zuvor Einblick in das Seelenleben von Anna und Vivaldi gegeben haben, werden platter und kürzer, die Stimmung im Buch verflacht zusehends. Handlungen, für die zuvor mehrere Seiten gebraucht wurden, werden in kurzen Sätzen und Absätzen abgehandelt, als wären es nur ausformulierte Aufzählungen von Notizen des Autors. Das ist schwach und zerstört den guten Eindruck, den das Buch bis dahin hinterlassen hat.

Leider plätschert der Roman dann auch nur noch vor sich hin. Die Biografie Annas wird lustlos weitererzählt, ihre endlosen Gefühle Vivaldis gegenüber, der sich zurück zur Priesterschaft entscheidet, nerven eher als dass sie berühren, und die ausformulierten Liebesszenen wirken unnötig und fehl am Platz. Zudem kommt, dass während des gesamten Buches immer wieder seitenweise Inhaltsangaben zu Vivaldis Opern kommen, die man auch kürzer hätte fassen können. Natürlich dienen sie dazu, die Parallelen zwischen den Frauenfiguren, die Anna auf der Bühne darstellt, und ihr selbst zu verdeutlichen, aber sechs Seiten (!) Nacherzählung der Oper „Orlando Furioso" sind mehr, als in jedem Opernführer zu finden sind. Damit tut der Autor dem Leser keinen Gefallen.

Verschenktes Thema

Anfänglich angelegte Handlungsstränge oder Konflikte, wie der mit der Freundin und Konkurrentin Claudia oder mit Vivaldis Eltern, verflachen oder werden nicht genutzt, um Spannung aufzubauen. Hier wählt der Autor eine ungünstige Dramaturgie. Daraus hätte man viel mehr machen müssen. Einige Druckfehler komplettieren den leider enttäuschenden Blick in dieses im Endeffekt unzureichende Buch. Hätte der Autor sich die Mühe gemacht, die Intensität der ersten zwei Drittel in das letzte Drittel des Buches hinüberzuretten, wäre ein rundum gelungener Roman entstanden, so überdecken diese Unzulänglichkeiten leider den ersten gelungenen Eindruck.

Zwar geben zwei winzige biografische Angaben zu Anna und Vivaldi am Ende des Buches wenig Auskunft über die realen Figuren, allerdings hätte man sich in einem in der Opernwelt angesiedelten Roman doch mehr Informationen zu den tatsächlichen Ereignissen erwartet. So bleibt ein Ergebnis, in dem die Charaktere schwach bleiben, die Protagonistin immer mehr nervt und die "gefährlichen Verwicklungen", die auf dem Buchcover angekündigt werden, schlichtweg fehlen. Und dass auf dem Cover eine brünette Dame abgebildet ist, obwohl die Protagonistin hellblond ist, passt somit ins unbefriedigende Bild. Hier wird im letztlich alles falsch gemacht, was man falsch machen kann. Schade drum.

Die Primadonna

Jürgen Barthelmes, Aufbau

Die Primadonna

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