Wir Ertrunkenen

  • Knaus
  • Erschienen: Januar 2008
  • 4
  • Knaus, 2006, Titel: 'Vi, de druknede', Originalausgabe
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Rita Dell'Agnese
891001

Histo-Couch Rezension vonDez 2008

Als ob der Grossvater erzählte...

Kurzgefasst:

Dänemark zwischen 1848 und 1945: Der Seemann Laurids Madsen aus Marstal fliegt in den Himmel und kehrt unversehrt wieder zur Erde zurück. Der Tod hat ihn noch nicht gewollt. Später wird er sagen, seine Stiefel seien zu schwer für ein Leben da oben gewesen. Seither ist Laurids eigenartig, und irgendwann verschwindet er auf den Weltmeeren. Seine Stiefel bleiben zurück, bis sein Sohn Albert sie anzieht. Er macht sich auf den Weg in die Südsee, um seinen Vater zu suchen. Mit dem Schrumpfkopf von James Cook und dem Geheimnis der Geldvermehrung kehrt er als Reeder zurück in seine Heimatstadt. Er weiß, dass im neuen Jahrhundert die Zukunft in den Frachträumen der großen Segelschiffe liegt. Von Marstal aus sollen noch mehr Schiffe in See stechen. Doch Albert hat nicht mit den Frauen gerechnet. Sie hassen das Meer, das ihnen ihre Männer und Söhne genommen hat und immer wieder nimmt. Eine von ihnen nimmt den Kampf auf.

 

"Wir Ertrunkenen" ist ein Buch, das sich von der ersten Seite an abhebt, das sich in kein Klischee pressen lässt. Im Erzählton geschildert, nimmt die Geschichte ihren Anfang 1848 mit Laurids Madsen aus dem dänischen Hafenstädtchen Marstal. Laurids ist ein typischer Vertreter der Marstaler, er fährt zur See, lässt Frau und Kinder zurück. Irgendwann bleibt er auf See, niemand weiß um sein Schicksal. Seine "Witwe" ist in guter Gesellschaft, vielen Frauen aus Marstal geht es gleich. Doch Laurids Sohn Albert will die Wahrheit wissen. Er macht sich auf die Suche nach seinem Vater und lernt dabei die ganze Härte der Welt kennen.

Wie schon sein Vater ist auch Albert hart genug, sich dem rauen Leben zu stellen. Er kehrt nach Marstal zurück, um viele Erfahrungen reicher. So entschließt er sich, eine eigene Reederei aufzubauen. Kinderlos geblieben, vermacht er diese später seiner Geliebten Klara. Sie, eine junge Witwe mit zwei Kindern, sagt dem Meer, das die Väter und Söhne von Marstal regelmäßig verschlingt, den Kampf an. Verzweifelt versucht sie zu verhindern, dass ihr Sohn ebenfalls zur See fährt.

Unbekannter Beobachter

Als Erzähler tritt ein unbekannter Beobachter auf, der den Leser schnell so fasziniert, dass dieser gerne mit auf die gedankliche Reise über die raue See geht. Nahtlos gehen dabei die Geschichten der Generationen ineinander über. Immer verbunden durch den Erzähler, der in Wir-Form schildert, wie die Verhältnisse damals waren. Oft glaubt man, seinen Großvater erzählen zu hören, so authentisch kommt die an sich immer wieder fantastische Geschichte daher.

Es sind nicht die spektakulären Ereignisse, von denen es doch einige gibt im Buch, die packen und immer wieder den Wunsch wecken zu wissen, wie es weitergeht. Es ist vielmehr die Nähe, die der dänische Autor Carsten Jensen zu den Figuren jeder Generation herstellt, die nicht mehr los lässt. Wird ein Protagonist von der See verschlungen, so mutet es an, als ob man Bruder, Freund, Vater verloren hätte. Und so leidet der Leser mit den einzelnen Personen mit bei deren Kampf ums Überleben.

Sprachlich virtuos

"Wir Ertrunkenen" schildert verhältnismäßig emotionslos, wie die verschiedenen Kriege, unter anderem die beiden Weltkriege, die Welt im Würgegriff hatten. Das Buch erzählt aber auch davon, wie die majestätischen Segelschiffe von den sichereren Stahlschiffen abgelöst wurden, wie die Neuzeit langsam Einzug hielt und das Leben der Menschen von Marstal veränderte. Trotz aller Distanz, die Carsten Jensen zu den Geschehnissen aufrecht erhält, steckt der Leser mitten drin in den Veränderungen. Sprachlich virtuos umgesetzt, wird schon fast mit allen Sinnen wahrnehmbar, was die ruhige Geschichte erzählt.

Es braucht Geduld

Die Ambivalenz des Buches kommt zum Ausdruck, wenn es darum geht, sich den über 750 Seiten starken Inhalt zu erschließen. Es braucht Geduld, um die Fäden aufzugreifen und der Geschichte zu folgen. Da und dort schleicht sich eine leichte Länge ein, da und dort bleibt es zu sehr an der Oberfläche. Grundsätzlich ist "Wir Ertrunkenen" jedoch eine meisterhaft erzählte Generationen umfassende Geschichte, die nicht nur Seefahrer-Herzen höher schlagen lässt. Es lohnt sich, sich mit dem Buch zurückzulehnen und die einzelnen zeitlichen Abschnitte an sich vorbeiziehen zu lassen.

Wir Ertrunkenen

Carsten Jensen, Knaus

Wir Ertrunkenen

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