Der Kodex des Bösen
- Gmeiner
- Erschienen: Januar 2009
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- Gmeiner, 2009, Titel: 'Der Kodex des Bösen', Originalausgabe
Mittelalterliches Verwirrspiel um Reliquienteile
Kurzgefasst:
Neuss 1288. Der zum jungen Mann gereifte Marcus gerät in den Verdacht, die Reliquie des heiligen Quirinus gestohlen zu haben. Mit letzter Kraft raunt ihm der sterbende Priester, der die tatsächlichen Räuber überrascht hat, einige rätselhafte Worte zu. Für Marcus beginnt eine abenteuerliche Flucht, die ihn schließlich mitten in die Schlacht von Worringen und auf die Spur eines unglaublichen Geheimnisses führt...
Im Neuss des Jahres 1288 geht der junge Mann Marcus, inzwischen vom Wirtsehepaar Janssen aufgenommen, seiner Wege, als ihm aus einer Kirche ein Mönch entgegenstürmt. Blutend bricht er zusammen, stammelt noch ein paar Worte und stirbt in Marcus' Armen. Sofort wird Marcus des Mordes an dem Mönch verdächtigt und zudem auch des Diebstahls einer Reliquie des Heiligen Quirinus aus der Kirche beschuldigt. Marcus flieht, ohne dass er sich von seinen Zieheltern hätte verabschieden können.
Auf seiner Flucht stösst er auf eine Gauklertruppe, die gerade eine Vorstellung gibt. Er verliebt sich in die rothaarige Patty, die zur Truppe gehört, und auch sie scheint ein Auge auf ihn geworfen zu haben. Die Truppe nimmt Marcus vorerst mit, wird aber überfallen. Nur durch Zufall überleben Marcus und der kroatische Zwerg Niko, den Marcus des Reliquienraubs verdächtigt. Sie machen sich auf die Suche nach Patty, die scheinbar entführt worden ist.
Zur gleichen Zeit sucht der junge Bibliothekar Nikodemus im Auftrag seines Abtes nach einem Geheimnis, das in einem mysteriösen Kodex verborgen ist. Als ein neuer Prior ins Kloster kommt, wird schnell klar, dass auch er auf der Suche nach dem Geheimnis ist, und wie es scheint, hat es etwas mit dem Heiligen Quirinus zu tun. Es beginnt ein Lauf gegen die Zeit, denn es naht das Heer, das auf dem Weg zur Schlacht bei Worringen ist, und der Heerführer weiß nur zu genau, dass der Prior eigentlich gar kein Prior ist...
Mehrere Handlungsstränge, teils verwirrend
Der Kodex des Bösen ist der zweite historische Roman von Frank Kurella und eine Art Fortsetzung, wobei man den ersten Teil Das Pergament des Todes für das Verständnis nicht gelesen haben muss. Sein zweiter Roman spielt vier Jahre nach dem ersten, und mir 370 Seiten ist er auch gleich ungleich länger geraten. Mit dem jungen ehemaligen Tagedieb Marcus greift er auf den Helden seines vorherigen Romans zurück und bringt ihm wieder ungeahnte Probleme und auch die Teilnahme an der Schlacht von Worringen ein.
Erzählt werden mehrere Handlungsstränge, die für sich alle recht interessant sind, allerdings fehlt - auch gegen Ende - zwischen manchen der rechte Zusammenhang. Die Geschichte wird von einem Prolog eingeleitet, bei dem man sich im Nachhinein fragt, was für einen Sinn er überhaupt hatte, da auf ihn gar nicht mehr rückverwiesen wird. Der Rest der Geschichte(n) spielt im Zeitraum von neun Tagen.
Die Erzählung verläuft, auch aufgrund der häufigen Orts- und Handlungswechsel, nicht geradlinig, und manche Erzählstränge werden zwischendurch so sehr vernachlässigt, dass man sie schon fast wieder vergessen hat. Es gibt einige vorhersehbare Cliffhanger, und manche Dinge erscheinen doch recht unwahrscheinlich. So scheint zwischen Marcus und Patty (natürlich rothaarig, jung, alleinstehend und allseits beim Mannsvolk begehrt) von der ersten Begegnung an alles klar zu sein - kein Herumgeplänkel, man ist füreinander bestimmt und denkt nur noch an den anderen. Das ist sehr einfach und daher unglaubwürdig und somit auch ein schwacher Aufhänger für das weitere Geschehen. Auch die Tatsache, dass niemand den Mordfall an dem Mönch tatsächlich untersucht, sondern alle sofort Marcus verdächtigen und während seiner Abwesenheit auch niemand etwas anderes unternimmt, ist selbst für das wankelmütige Mittelalter unwahrscheinlich.
Undeutliche Charakterzeichnungen
Durch die vielen unterschiedlichen Handlungsstränge bleiben auch so manche Charaktere blass, die eine intensivere Betrachtung durchaus verdient hätten. So bleiben die Motive des Dietrich von Keppel, dem "Bösen" der Geschichte, lange vernebelt und auch am Ende nicht schlüssig. Am Ende fragt man sich "Warum?", hier wird der Autor nicht abschließend deutlich. Auch andere Bösewichte oder auch "gute" Personen hätten deutlicher und mit mehr Ecken und Kanten versehen werden können. So bleibt zu vielen Charakteren eine unnötige Distanz übrig.
Auch das Auftauchen vieler verschiedener Figuren, teilweise mit langen Adelsnamen, verwirrt gerade im mittleren Teil mehr, als dass es hilft. Gerade bei der Beschreibung der Schlacht von Worringen, die eigentlich recht gelungen ist, gerät man bei den vielen Namen und den zusammengewürfelten Heeren durcheinander, so dass man am Ende wirklich überlegen muss, wer denn da eigentlich gewonnen hat und wer bei wem im Heer mitgekämpft hat. Hier wäre eine klare Beschreibung wünschenswerter gewesen als der Versuch, nicht immer dieselben Namen wiederzugeben.
Ansprechender Erzählstil
Im Grunde hat auch der Titel letztlich mit der Geschichte von Marcus nichts zu tun. Marcus wird für den Handlungsstrang mit dem Kodex überhaupt nicht gebraucht, er hat genug mit seinem eigenen Überleben und der Suche nach Patty zu tun. Hier wurden aus zwei Romanen einer gemacht, oder man hätte die Handlungsstränge noch enger miteinander verknüpfen sollen. So hätte die Geschichte auch ohne Marcus funktioniert, Marcus wird nur zu einem bunten Mosaiksteinchen im Gesamtbild, aber nicht Hauptfigur. Das ist schade, denn sein Charakter und seine Vorgeschichte böten eigentlich Potenzial für mehr.
Kurellas Erzählstil ist ansprechend, wenn auch manchmal etwas langatmig, aber dennoch gut und flüssig zu lesen. Letztlich reicht Der Kodex des Bösen aber nicht an seinen Vorgänger heran. Zwar lässt der Autor einige unnötige Zusätze des Erstlings weg, ein Personenregister hätte es aber trotzdem gerne geben dürfen. Der Anhang ist kurz, aber interessant, zumal die Geschichte letztendlich in der Gründung der Stadt Düsseldorf mündet. So wird sich der Leser gewiss auf einen möglichen dritten Teil um Marcus freuen, wenn er denn etwas forcierter vorangeht. Nicht schlecht, aber auch nicht durchgehend überzeugend.
Frank Kurella, Gmeiner
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