Die Toten kehren wieder mit dem Wind
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- Erschienen: Januar 2009
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- , 2009, Titel: 'Die Toten kehren wieder mit dem Wind', Originalausgabe
Nur für wahre Ägyptenfans
Kurzgefasst:
Ägypten im Jahre 1362 v. Chr.: Haremhab, der 10-jährige Sohn eines armen Pächters aus der Provinz, wird seiner Familie entrissen und als Soldat an die Armee des Pharao verkauft. Doch der Junge hat Glück: Er gewinnt die Gunst der Schwiegertochter des mächtigen Herrschers und wird bei Hofe aufgenommen. So nimmt eine der schillerndsten und dramatischsten Karrieren des alten Ägypten ihren Lauf. Haremhabs Weg durch die hohen Ämter des Landes ist gepflastert mit Intrigen und Verschwörungen, mit Liebe, Neid und Verrat. Er erlebt die Regierung des Echnaton und der Nofretete, und unter Tut-anch-Amun steigt er unversehens zum höchsten General der Armee auf. Bis schließlich sogar der Thron Ägyptens zum Greifen nahe scheint.
Der Klappentext klingt nach der allseits bekannten "Vom Tellerwäscher zum Millionär"-Story: Haremhab lebt in ärmlichen Verhältnissen auf dem Land und hütet gerade die Schafe, als er und sein Bruder eines Tages vom Vater an die königliche Armee verkauft werden. In der Stadt Men-nefer angekommen, lernt Haremhab die schöne Kija kennen, Gemahlin des zukünftigen Pharao, die sein Potenzial sofort sieht:
Er ist klug und vor allem loyal. Schnell steigt er durch die Gunst der Königsfamilie die Karriereleiter herauf und wird Jahrzehnte später sogar selbst Pharao. Und dabei ist er nicht einmal königlicher Abstammung! Genau dies ist die Besonderheit an der historisch verbürgten Person Haremhab.
Seitenweise ägyptischer Rituale
Dieses Buch ist unterhaltend, aber nicht spannend. Man mag dies als Manko betrachten. Jedoch kommen immerhin Ägyptenfans auf ihre Kosten - sofern sie nicht schon Profis auf diesem Gebiet sind - denn ständig wird gestorben und befördert. Dies wiederum bedeutet seitenweise Beschreibungen ägyptischer (Glaubens-)Rituale bis ins kleinste Detail. Wer so etwas mag, dem wird "Die Toten kehren wieder mit dem Wind" sicher zusagen.
Dadurch, dass der Roman nur rund 300 Seiten umfasst und der Großteil aus Beschreibungen von Ritualen und auch Schlachten besteht, geschieht allerdings Vieles zu schnell. Die interessanteren Teile, zum Beispiel die sich zuspitzenden politischen Probleme (abgesehen von den Grenzbedrohungen und militärischen Auseinandersetzungen), werden eher abgehakt, als in den Roman eingeflochten.
Wenig Verständnis für Haremhabs Handeln
Weiterhin muss man leider auch die Figurenzeichnung dieses Romans kritisieren. Dass man sich bei einem 300-seitigen Roman kaum auf viele Charaktere konzentrieren und diese gleich interessant gestalten kann, leuchtet ein und ist auch nicht Gegenstand dieser Kritik. Aber die Hauptperson um die es geht, Haremhab, bleibt dem Leser nach dem Lesen nicht lange in Erinnerung. Zwar ist es interessant zu lesen, wie sein Leben verläuft, jedoch kann man seine Handlungsweise in den meisten Fällen nicht verstehen.
Um hier mal ein Beispiel zu nennen: Als Kind verkauft ihn sein Vater an die Armee. Auf dem Weg vom Land in die Stadt Men-nefer, in der auch die Kaserne steht, wird Haremhab von den erwachsenen Militärvorstehern sehr brutal behandelt. (Auch verkauft zu werden von den eigenen Eltern ist wahrscheinlich ein sehr prägendes Erlebnis.) An der Stelle, als Haremhab einem feindlichen Soldaten brutale Folter androht, muss man stutzen: Zwar wäre so ein Verhalten nachvollziehbar, wenn es von einer unbändigen Wut herrühren würde. Oder er müsste im Gegenteil jemand sein, der Brutalität aufgrund seiner Vergangenheit verabscheut. Sofern es dem Leser nur richtig erklärt würde, wären beide Verhaltensweisen durchaus plausibel.
Leider erfährt der Leser jedoch nur gelegentlich (und dann auch nur wenig) über Haremhabs Seelenleben. Seine Gedanken kommen relativ selten zum Vorschein und wenn, dann auch meist in Beschreibungen von Situationen, die er beobachtet oder als er sich verliebt. Aber eine wirkliche Beziehung, positiv oder negativ, kann sich zur Hauptperson dieses Romans nicht entwickeln.
Kein Roman im klassischen Sinne
Auch die Bezeichnung "Roman" passt nicht perfekt zu diesem Buch. Man hat vielmehr das Gefühl, man läse ein anschauliches Geschichtsbuch, als wäre die Geschichte selbst das Hauptanliegen des Autors, und nicht das Leben Haremhabs. Über ihn erfährt man letztlich gar nicht so viel. Zwar weiß man am Ende, wer Haremhab war und wie sein Leben verlaufen sein könnte, aber kurz nach dem Lesen dieses Buches ist auch das Meiste wieder vergessen.
Abschließend bleibt zu sagen, dass "Die Toten kehren wieder mit dem Wind" die Gratwanderung zwischen Unterhaltung und der Vermittlung geschichtlichen Wissens nicht zu meistern versteht, jedoch eine interessante Lektüre für Ägyptenfans sein kann. Nicht unerwähnt möchte ich auch die sehr gute Ausstattung lassen: Es gibt ein Nachwort mit Klärungen des Inhalts, eine Danksagung, eine Tafel mit kurzer Übersicht der im Buch vorkommenden Herrscher-Dynastien, sowie ein Namens- und Begriffsverzeichnis (im Buch kommen zahlreiche ägyptische Wörter vor) und eine kleine Karte von dem Teil Ägyptens, der in diesem Roman eine Rolle spielt.
Herr Höveler-Müller sollte das Schreiben keinesfalls aufgeben, auch wenn sein erster historischer Roman definitiv kein Überflieger ist. Gut Ding will Weile haben und das schriftstellerische Potenzial ist auf jeden Fall vorhanden. Ich bin gespannt, welches Thema er in seinem nächsten Roman auffassen wird und werde ihn gern noch einmal zur Hand nehmen. Und ich habe jede Menge über das alte Ägypten gelernt!
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