Kaffee oder das Aroma der Liebe
- Arche
- Erschienen: Januar 2009
- 0
- Arche, 2008, Titel: 'The Various Flavor of Coffee', Originalausgabe
Weckt Lust auf einen wahrhaftigen Mokka
Kurzgefasst:
Woher kommt eigentlich Kaffee? Schmeckt er weltweit gleich? Und: taugt er als Aphrodisiakum? Im Jahr 1895 treiben den Londoner Dandy Robert Wallis andere Fragen um: Ihn bedrücken Schulden, die schlagende Ignoranz seiner Mitwelt gegenüber seinem überwältigenden Genie und ein ganz klein wenig auch das bohrende Gefühl, dass es mit diesem überwältigenden Genie vielleicht doch nicht ganz so weit her sein könnte. Gleichzeitig hat Robert Wallis einen festen Vorsatz: um keinen Preis einen Handschlag zu tun, um seinen Lebensunterhalt zu verdienen. Da erreicht den darbenden Dichter ein kurioser Auftrag: "Erfinde eine universell verständliche Sprache für das Aroma von Kaffee!" Samuel Pinker, schwerreicher Kaffeehändler und einer der ersten Big Player der globalisierten Geschäftswelt Ende des 19. Jahrhunderts, wendet sich mit dieser heiklen Mission ausgerechnet an den Taugenichts Wallis - auf Vorschlag seiner Tochter. Der Beginn einer furiosen Liebesgeschichte, die nach Afrika, Südamerika und in den Tod führen wird - und darüber hinaus.
Robert Wallis, Dichter in spe, macht zufällig Bekanntschaft mit dem Kaffee-Kaufmann Samuel Pinter. Dieser engagiert den jungen Dandy, um einen Katalog der Genüsse anzufertigen. Denn Wallis verfügt über einen exzellenten Gaumen, was Café anbelangt. Mehr noch als der unerwartete Job gefällt Wallis die Tochter seines neuen Arbeitgebers, Emily. Als er um Emilys Hand anhält, schickt Pinter den Lebemann auf eine mehrjährige Reise. Er solle sich vor der Ehe bewähren. So gelangt Robert Wallis Ende des 19. Jahrhunderts in eine abgelegene Gegend in Nordafrika, wo ein spezieller Mokka angebaut wird. Für den englischen Dandy eine völlig neue Erfahrung. Nach und nach stellt er fest, dass nichts so ist, wie er geglaubt hatte.
Ungewohnter Genuss
Kann man einem Kaffeliebhaber neue Geschmacks-Nuancen auf die Zunge zaubern? Ja, man kann: Anthony Capella beweist dies mit seinem Roman eindrücklich. Er schafft es, den sinnlichen Teil zur an sich bekannten Geschichte des Kaffees beizusteuern. Und damit den Kaffeegenuss auf eine ungewohnte Art zu bereichern. Dies tut er in einer recht saloppen Art - jener Art eben, deren sich Robert Wallis, Held des Romans, 1896 als junger Mann in London bedient. Der gereifte Wallis ist Ich-Erzähler der Geschichte. Schonungslos skizziert er sich als jungen Lebemann, dem es an Ernsthaftigkeit fehlt und dem jede Form von Arbeit zutiefst widerstrebt. Dies erzählt er in einem leicht amüsierten Plauderton, der sich ganz angenehm liest, der aber mit fortschreitender Geschichte etwas nervig wird. Es sei dem Autor verziehen, bleibt die Geschichte doch unterhaltend und oft amüsant. Besonders angenehm nimmt sich der sachliche Hintergrund des Buches aus - zu keinem Zeitpunkt wirkt der Autor damit dozierend oder langweilig. Dies, obwohl Capella etliche Schilderungen zum Anbau von Kaffee einfließen lässt.
Ein Antiheld, den man mag
Warum auch immer, man vermag sich der Anziehungskraft des Schwerenöters Wallis nur schwer zu entziehen. Er hat alles, was einen Antihelden ausmacht: Er ist ein Ich-bezogener Mensch, der mit den Gefühlen anderer auch mal spielt. Und er scheut davor zurück, erwachsen zu werden und die Verantwortung für sich selber zu übernehmen. Trotz aller - oder gerade vielleicht wegen dieser in schonungsloser Offenheit präsentierter - Fehler ist es nicht schwer, ihn irgendwie zu mögen und ihm Glück zu wünschen. Auch Emily und ihre Schwestern werden zu guten Vertrauten, von denen man sich nur ungern lösen mag. Die Ausgestaltung der Persönlichkeiten ist Capella fast ausnahmslos gelungen - einige wenige Figuren bleiben etwas blass. Da sie aber für die Geschichte nur eine untergeordnete Rolle spielen, ist dies kein wirklicher Grund zur Kritik.
Perspektivenwechsel und Längen
Anthony Capella schafft es, einige Perspektivenwechsel ins Buch einfließen zu lassen, obwohl das Schwergewicht auf dem Erzähler Wallis liegt. So etwa bei den Briefen, die Wallis an Emily, deren Schwester oder auch an Freunde schickt und durch die er die in der Heimat Gebliebenen an seiner Reise teilhaben lässt. Leider sind diese Briefe in einer höchst ermüdenden Kursivschrift gehalten, was zwar den Lesefluss nicht inhaltlich, aber formell stört. Hier wünschte man sich vom Verlag, auf eine andere, leichter lesbare Schriftart auszuweichen, zumal sich die Briefe über mehrere Seiten erstrecken.
Obwohl die Geschichte munter dahin plätschert - wirkliche Höhepunkte muss man eher suchen - kommt sie nicht ohne einige Längen aus. Dies ist schade, denn dadurch bleibt der Roman auf einem oberen Mittelmaß stehen und vermag es nicht, den Sprung in den Reigen der wirklich bemerkenswerten Romane zu schaffen. Unterhaltend, stellenweise amüsant und auf jeden Fall mit viel Liebe zum Kaffee geschrieben ist der Roman allemal.
Anthony Capella, Arche
Deine Meinung zu »Kaffee oder das Aroma der Liebe«
Wir freuen uns auf Deine Meinungen. Ein fairer und respektvoller Umgang sollte selbstverständlich sein. Bitte Spoiler zum Inhalt vermeiden oder zumindest als solche deutlich in Deinem Kommentar kennzeichnen. Vielen Dank!