Kein schöner Ort zum Sterben
- Ullstein
- Erschienen: Januar 2007
- 2
- Ullstein, 2007, Titel: 'My Lady Judge', Originalausgabe
Detailverliebte Reise nach Irland zu Beginn des 16. Jahrhunderts
Kurzgefasst:
Irland im 16. Jahrhundert: Mit Milde und Klugheit sorgt Richterin Macha für Gerechtigkeit. Allwöchentlich verhandelt sie kleinere und größere Fälle - von Diebstahl über Eheverträge bis hin zum Totschlag. In jüngster Zeit herrscht allerdings wegen einer Vergewaltigung Unfriede in der Gemeinde. Dann wird auch noch der Assistent der Richterin ermordet aufgefunden. Schon bald stellt sich heraus, dass Coleman alles andere als beliebt war - ein Umstand, der die Suche nach dem Täter nicht gerade erleichtert...
Mit ihrem Roman "Kein schöner Ort zum Sterben" entführt uns Cora Harrison in eine irische Karstlandschaft, den Burren, im Jahre 1509. Es ist der Tag von Bealtaine, an dem das traditionelle Freudenfeuer auf den Höhen des Mullaghmore entzündet wird. Doch bevor die Menschen auf den Hügel ziehen können, um diesem Schauspiel beizuwohnen, müssen sie sich zunächst an dem Dolmen von Proudnabrone treffen, wo einer der vier großen öffentlichen Gerichtstage des Jahres stattfindet.
Ein scheußliches Verbrechen sorgt für Unruhe in der Gemeinde. Die 12-jährige Nessa wurde vergewaltigt, eine Totgeburt war die Folge. Beschuldigt wird der junge Barde Rory, doch recht schnell finden sich Zeugen, die ihm ein sicheres Alibi geben, so dass Richterin Macha ihn freisprechen muss. Der Fall bleibt somit zunächst ungeklärt und als Macha die Verhandlung daraufhin schließen will, meldet sich Daniel mit einem weiteren Anliegen. Er möchte seine hübsche Tochter Emer, die in Roderic verliebt ist, mit Machas Rechtsgehilfen Colman verheiraten. Da der Wille des Vaters maßgebend ist, bleibt Macha nichts anderes übrig als den Ehevertrag anzuerkennen.
Danach geht es endlich hoch auf den Mullaghmore, an dessen Aufstieg selbst König Tourlough Donn O'Brien teilnimmt, der sich zu Macha hingezogen fühlt. Als diese zwei Tage später zu einer Wolfsjagd in die Hügellandschaft aufbrechen, machen sie einen grausigen Fund. Colman liegt tot in einer Höhle, in seinem Nacken befindet sich ein Messer. Die auffallend schöne Tatwaffe gehört Hugh, einem von sechs Schülern an Machas Rechtsschule. Hugh beteuert vehement seine Unschuld und so beginnt Macha mit Hilfe ihrer Schüler herauszufinden, was sich in der Nacht des Freudenfeuers auf dem Berg ereignet hat.
Bei ihren Recherchen ergibt sich für Macha jedoch ein ganz neues Bild ihres Gehilfen. Offenbar hat Colman im großen Umfang die Rollen mit den Urteilssprüchen missbraucht, um zahlreiche Bewohner des Burren zu erpressen. Da die Familie in dieser Gegend das Wichtigste ist und Mitglieder aller vier großen Clans betroffen sind, stoßen Macha und ihre Schützlinge auf eine Mauer des Schweigens ...
Ein Erpresser ist tot
und nur die Richterin will den Fall klären
An der Rechtsschule von Cahermacnaghten ist Macha die einzige Brehon (Richterin) des Reiches von König Turlough. Sie gilt als besonnen und fair und erfreut sich größter Beliebtheit. Doch der Mord an ihrem Gehilfen stellt eine besondere Herausforderung dar, da niemand im Burren so richtig traurig über Colmans Ableben zu sein scheint. Im Gegenteil, alle sind froh den gehassten Erpresser endlich los zu sein. So erwartet die Leser des vorliegenden Romans dann auch kein temporeicher Plot, sondern im Gegenteil eine ruhige, ja fast schon beschaulich anmutende Geschichte.
Im "Prolog" wird zwar der Mord vorweg genommen, doch bis Colman erstochen aufgefunden wird, vergehen über hundert Seiten. Zunächst wollen zahlreiche Personen vorgestellt werden. Auch das Alltagsleben der Leute und insbesondere der Tagesablauf an der Rechtsschule nehmen viele Seiten in Anspruch. So kann man sich bestens in die damalige Zeit hineinversetzen, wenngleich man deswegen nicht gleich ein Ale zum Frühstück trinken möchte.
Interessanter Vergleich zwischen
englischenm und irischem Rechtswesen
Die Stärken dieses "historischen" Romans sind zweifelsohne die detailreichen Schilderungen des Alltagslebens. Aber auch die Einblicke in die damalige Rechtsprechung und hier insbesondere die Unterschiede zwischen der Justiz im Tudorengland und dem gälischen Irland sind höchst interessant. Während in England die Todesstrafe immer häufiger Anwendung findet, lässt sich im Burren jedes (!) Verbrechen gegen eine Entschädigungszahlung ausgleichen. Zu zahlen sind wahlweise entsprechende Unzen Silber oder Milchkühe.
Neben der historischen Detailverliebtheit verliert die Autorin die Auflösung des Mordes (und der Vergewaltigung) nicht aus den Augen, wenngleich Macha die einzige Person zu sein scheint, die an der Auflösung interessiert ist. Doch die Richterin weiß, dass ein ungelöster Mordfall das Gemeinwesen nachhaltig stören wird. So trägt sie die einzelnen Puzzleteile mühsam zusammen, bis sie am Ende, ganz im Stil einer Agatha Christie, die Auflösung präsentiert. Macha sitzt zu Gast beim König und erzählt diesem, wie sie auf die Lösung des Falles kam. Das ist leider nicht originell und wirkt zudem konstruiert. Schade, denn ansonsten ist der Roman durchweg gelungen. (Nicht nur) Für Fans der grünen Insel unbedingt empfehlenswert.
Cora Harrison, Ullstein
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