Pforten der Nacht
- Diana
- Erschienen: Januar 1998
- 27
- Diana, 1998, Titel: 'Pforten der Nacht', Originalausgabe
Liebe, Freundschaft und Pest im 14. Jahrhundert
Johannes soll gegen seinen Willen zu einer befreundeten Familie nach Italien, um die Feinheiten des Fernhandels zu erlernen. Anna will nicht mehr in der Schankstube der Stiefmutter stehen und Esra begehrt gegen seinen jüdischen Glauben auf.
Köln, 1338: Anna, Esra und Johannes könnten kaum aus unterschiedlicheren Familien stammen und schwören sich dennoch ewige Freundschaft. Halbwaise Anna kommt aus einer armen Färberfamilie, muss in der Schankwirtschaft der Stiefmutter arbeiten und jederzeit fürchten, vom Vater an einen beliebigen Mann verheiratet zu werden.
Der jüdische Esra lebt bei seinem Onkel, einem Rabbiner. Je älter er wird, desto mehr begehrt er gegen den jüdischen Glauben auf. Johannes dagegen kommt aus einer reichen Kaufmannsfamilie, ist aber wegen seiner in sich gekehrten Art eine Enttäuschung für den Vater. Je älter er wird, desto fanatischer wird sein christlicher Glaube und der Wunsch, ein Mönch zu werden.
Als die drei Freunde erwachsen werden, trennen sich ihre Wege - Anna heiratet, Esra geht nach Venedig, Johannes nach Lucca. Doch weder Esra noch Johannes können Anna vergessen. Der Ausbruch der Pest und die Judenverfolgungen bringen sie schließlich wieder unter dramatischen Umständen zusammen ...
Köln im ausgehenden Mittelalter
Brigitte Riebe versetzt ihre Leser in die Mitte des 14. Jahrhunderts. Schauplatz ist überwiegend Köln, aber auch nach Italien gibt es Abstecher, die viele Informationen über das damalige Leben liefern. Die unterschiedlichen Herkünfte der Hauptfiguren sorgen dafür, dass der Leser Einblicke in die verschiedensten Schichten und Berufe erhält: Der Alltag der Reichen und Mächtigen wird ebenso thematisiert wie das Leben in der Gosse oder im Kloster. Großen Spielraum nehmen die Glaubenskonflikte ein und viele Rituale aus dem Judentum werden anschaulich näher gebracht. Vor allem die zunehmenden Anfeindungen gegen die Juden erschüttern, ebenso wie die Schilderungen vom Einzug der Pest. Handelsschiffe vom Schwarzen Meer bringen sie im Jahr 1347 in den Süden und von da an breitet sich die Seuche unaufhaltsam aus, bis sie schließlich Venedig erreicht, wo Esra inzwischen lebt. Seine Flucht vor der Pest führt ihn zurück nach Köln, wo es erneut zu dramatischen Verwicklungen zwischen den drei Freunden kommt - und wo zwei Jahre später ebenfalls die Pest Einzug hält. Dem Buch mangelt es nicht an Lokalkolorit, wer sich in Köln auskennt, wird einige bekannte Ecken wiedererkennen. Ein Glossar führt am Ende die wichtigsten zeitgenössischen Begriffe auf und ein Personenregister hilft dabei, den Überblick zu behalten. Auch das tägliche Leben, die Entbehrungen der Menschen werden ausgiebig thematisiert - und ein glückliches Ende für die liebgewonnenen Charaktere darf der Leser zwar erhoffen, aber bei all dem wiederkehrenden Leid nicht voraussetzen.
Ein buntes Potpourri an Charakteren
Die drei Hauptcharaktere bieten jeder für sich abwechslungsreiche Leben, die immer wieder unvorhersehbare Wendungen nehmen. Anna hat es nicht leicht bei ihrer Familie, fühlt sich von der Stiefmutter eher geduldet und hat die Hoffnung schon früh aufgegeben, dass sie einmal Zuflucht in einer glücklichen Ehe findet. Nach einem schrecklichen Vorfall in der Fastnacht erfährt ihr Leben endgültig einen Bruch und sie ergibt sich in ihr Schicksal - die Ehe mit einem alten Gerber, der sie gut behandelt, den sie aber nicht liebt und an dessen Seite sie hart arbeiten muss. Das Wiedersehen mit Johannes und Esra Jahre später bringt ihre Gefühle erneut durcheinander. So verschieden diese beiden jungen Männer sind, beide bedeuten ihr etwas, aber beide haben wiederum mit eigenen Problemen zu kämpfen - Johannes entwickelt sich mehr und mehr zu einem religiösen Fanatiker, Esra muss als Jude um sein Leben fürchten.
Neben den drei Protagonisten bevölkern noch zahlreiche Nebenfiguren den Roman, deren Schicksal ebenfalls recht ausgiebig beleuchtet wird. Da ist etwa Annas Tante, die Begine Regina, die ihr so manches Mal Trost spendet - die aber selbst ein düsteres Geheimnis in sich trägt, das sie seit vielen Jahren belastet. Da ist Ursula, die Anna einst als halb verhungertes Bettelmädchen von der Straße auflas. Ursula findet in der Schankwirtschaft ein neues Zuhause, doch anstatt Anna dankbar zu sein, entwickelt sie mehr und mehr Heimtücke und spielt heimlich belauschtes Wissen gegen Anna und Regina aus. Auch das Schicksal von Esras kleiner Schwester Lea bewegt: Nach einer schweren Krankheit kommt sie gerade noch einmal mit dem Leben davon, wird aber von nun an stark hinken. Es scheint beinah aussichtslos, dass sie mit diesem Makel einmal einen Ehemann für sich gewinnt. Ausgerechnet Annas Onkel Guntram findet Gefallen an Lea und sie wiederum scheint als Einzige nicht auf seine Lippenspalte zu schauen, das "Teufelsmaul", das ihn bisher zu einem Außenseiter gemacht hat. Esra aber wehrt sich vehement dagegen, dass Lea mit Guntram verheiratet wird und löst damit in Guntram eine folgenschwere Verzweiflung aus.
Kleine Makel
Der Roman braucht ein wenig Zeit, bis er an Fahrt gewinnt. Es ist nicht immer ganz leicht, den verschiedenen Handlungssträngen gleichermaßen Aufmerksamkeit zu schenken. Im Grunde böte jeder der drei Hauptcharaktere mit seinem dramatischen Schicksal die Möglichkeit, allein einen Roman zu füllen - und gerade wenn man sich in das Leben der einen Figur gut eingelesen hat, wird wieder zum nächsten Protagonisten gesprungen. Auch die Nebenfiguren nehmen so viel Raum ein, dass sich phasenweise die Ereignisse parallel überschlagen und der Roman somit unnötig überladen wirkt. Während Esra und vor allem Anna überzeugende Gestalten sind, fällt es schwerer, mit Johannes zu fühlen. Schon früh zeigt er unsympathische Züge und es ist nicht immer nachvollziehbar, warum Anna immer noch an ihren Gefühlen für ihn festhält.
Fazit: Ein trotz kleiner Schwächen lesenswerter Roman, der ins Köln des Mittelalters entführt und nicht mit dramatischen Geschehnissen geizt.
Brigitte Riebe, Diana
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