Mörderische Weihnacht
- Heyne
- Erschienen: Januar 1990
- 3
- Heyne, 1986, Titel: 'The raven in the foregate', Originalausgabe
Ein weiches Herz für Sünder
Kurzgefasst:
Weihnachten im Jahre des Herrn 1141: In England tobt ein Bürgerkrieg, der seine Schatten auch auf die Benediktinerabtei von Shrewsbury wirft, wo Bruder Cadfael im Klostergärtchen seines Amtes waltet. Aber die Ruhe ist trügerisch. Am Morgen des Weihnachtstages entdeckt man die Leiche eines allseits unbeliebten Paters. Cadfael fühlt sich endlich wieder in seinem Element - schließlich geht es um die Auflösung eines Mordfalls.
Ein schwerer Verlust hat die Vorstadt rund um das Kloster St. Peter und St. Paul getroffen: Vater Adam ist gestorben, lange Jahre Priester für die Vorstadtgemeinde. Nun wird ein neuer Priester gesucht. Möglichst einer, der Verständnis hat für die Sorgen und Nöte seiner Schäfchen, der mit nicht allzu harter Hand ihre Sünden bestraft und ihnen beisteht in der Bedrängnis.
Da trifft es sich gut, daß Abt Radulfus von einem Treffen hoher kirchlicher Würdenträger einen gelehrten Mann mit nach Shrewsbury bringt, einen neuen Priester für die Vorstadtgemeinde. Doch schon bald schleichen sich erste Zweifel ein, ob Radulfus hier die richtige Wahl getroffen hat. Die Menschen in der Vorstadt murren und beschweren sich bei Radulfus. Zwar versucht der Abt, den neuen Priester zu mehr Milde zu bewegen, allerdings erfolglos. Niemand jedoch rechnet damit, daß die Wogen des Zorns so hoch schlagen, daß Vater Ailnoth dafür mit dem Leben bezahlen muß.
Am Weihnachtsmorgen findet man ihn ertrunken im Mühlteich. Cadfael stellt fest, daß der Tote eine Kopfwunde hat. Jemand hat ihn offenbar von hinten auf den Kopf geschlagen und in das eiskalte Wasser geworfen. Zu dumm nur, daß Vater Ailnoth praktisch jeden in der Vorstadt verärgerte und kränkte. Es gibt kaum jemanden dort, der keinen Grund gehabt hätte, mit dem Priester in Streit zu geraten. Da ist Centwin, dessen Kind nun in ungeweihter Erde ruht, weil Aiolnoth seine Gebete nicht unterbrechen wollte um das sterbende Kind zu taufen. Ebenso Jordan, der zwar ein Lustmolch und mieser Ehemann, aber ein ehrlicher Bäcker ist. Ihn hatte Ailnoth beschuldigt, zu kleine Brote zu backen. Da ist Aelgar, dessen Status als freier Mann vom Priester in Frage gestellt wurde und der einen tiefen Groll gegen Ailnoth hegte. Und auch Eluneds Mutter hätte ein Motiv, die mit ihrer wenige Wochen alten Enkelin allein zurück blieb als ihre Tochter sich im Mühlteich ertränkte weil Ailnoth ihr Beichte und Buße verweigerte.
Nicht zuletzt ist da aber auch Benet, Cadfaels neuer Gehilfe. Er kam mit dem neuen Priester nach Shrewsbury, denn seine Tante führt dem frommen Mann den Haushalt. Zwar zeigt sich Benet anstellig bei der Gartenarbeit, allerdings wird Cadfael schnell klar, daß mit diesem jungen Mann viele Dinge nicht so sind, wie sie nach außen scheinen. Offenbar kannte auch Ailnoth die Geheimnisse des Gärtnergehilfen und Benet gerät in den Verdacht, sich von einem unerwünschten Mitwisser befreit zu haben. Cadfael jedoch glaubt nicht an die Schuld seines Schützlings. Und so macht er sich auf, den wahren Mörder zu fassen.
Stephen und Maud
Dieser Cadfael-Krimi spielt im Dezember 1141. Wie alle anderen Bücher der Reihe ist er eingebettet in die Ereignisse rund um den Thronfolgekrieg zwischen König Stephan (Stephen) und Kaiserin Mathilda (Maud). Während einige Romane die Situation im Land nur andeuten, werden andere davon unmittelbar berührt und die Handlung durch das Kriegsgeschehen beeinflusst. Mörderische Weihnacht gehört zu den Krimis, die den politischen Konflikt direkt mit einbeziehen und seine Auswirkungen auf das Leben der einfachen Menschen zeigen. Die realen Ereignisse brechen die Scheinwelt des Romans auf und verleihen ihm eine große Authentizität. Der Leser erhält genaue Einblicke in die politische Situation, in der England sich im Dezember 1141 befand. Hier wird deutlich, welch enorme Recherchearbeit Ellis Peters geleistet haben muß. Aber sie vermittelt eben nicht nur die Fakten sondern bettet sie in die Handlung ein, lässt sie von den Protagonisten kommentieren und so vor dem Leser ein sehr reales Bild der damaligen Situation entstehen. Dabei zeigt Ellis Peters auch, welche unterschiedlichen Wege die Menschen damals fanden, um von den gnadenlosen Rädern der Politik nicht zermalmt zu werden.
Der Kriminalfall, der in diesen Rahmen eingebettet ist, bietet Spannung und Rätselraten. Und auch wenn der Mord erst auf Seite 81 entdeckt wird, so findet man auf den einleitenden Seiten reichlich Gelegenheit, sich mit all den zukünftigen Verdächtigen vertraut zu machen. Zwar kommt recht schnell ein vager Verdacht auf, was denn da nun wirklich geschehen sein könnte, aber der Leser muß sich doch erst einmal gemeinsam mit Cadfael durch die Fakten und Aussagen arbeiten bis er (im wahrsten Sinne des Wortes!) den Faden zur Lösung in der Hand hat.
Die Schönheit des Alltäglichen
Die Autorin hat ihr Herz den kleinen Leuten geschenkt. Jenen, die sich ihr Leben immer wieder neu erkämpfen müssen. Das Alltägliche spielt eine große Rolle in den Cadfael-Krimis. Wunderbare, kleine Beschreibungen erleichtern es dem Leser, sich in die jeweilige Situation hinein zu versetzen. Kleine Lebensweisheiten sind in den Seiten versteckt, die dem, der sie zu finden weiß, viel Freude bereiten können:
Wenn zwei sich gegenseitig festhalten, dann vermögen beide sicher zu stehen, aber wenn einer sich zu hoch reckt, kann der andere an unsicheren Stellen ausgleiten. Besser eine holperige Stütze als ein massiver Fels, der ewig außer Reichweite der ausgestreckten Hand bleibt.
Der Sprachduktus scheint zunächst einfach. Man liest und gleitet unmerklich immer tiefer hinein in diese Welt, die Ellis Peters da neu zum Leben erweckte. Und irgendwann stellt der Leser fest, daß die Autorin auch einen nicht zu unterdrückenden Hang zur Poesie hat. Gleichwohl setzt sie diesen Hang recht zweckdienlich ein, denn sie nutzt ihn für atmosphärisch dichte Beschreibungen und erleichtert es ihren Lesern so, sich in bestimmte Situationen hinein zu versetzen.
Die Bäume streiften ihren klingelnden Schmuck aus überfrorenem Rauhreif ab, bis sie nackt und schwarz vor dem niedrigen Himmel standen. Tropfen durchbohrten die Schneewehen unter den Dachtraufen mit kleinen, dunklen Pockennarben, und das schwarz der Straße und das Grün des Grases begannen, durch die Schneedecke zu schimmern.
Dabei ist auch dieser Krimi nach bewährtem Rezept gestrickt: Viele, viele Verdächtige und ein Liebespaar. Altbekannte Protagonisten wie Prior Robert, Hugh Beringar oder Abt Radulfus, dazu nur relativ wenig neues Personal. Das schafft Wiedersehensfreude beim Leser, der ganz genau weiß, daß Jerome wieder stänkern und ganz gewiß auch wieder auf die Nase fallen wird. Ellis Peters braucht nicht viele Worte, um ihre Protagonisten plastisch und greifbar zu schildern. Und immer wieder schleicht sich feine Ironie ein, die dem Leser zumindest ein Schmunzeln entlocken kann:
,Ihr seid ein heimtückisches Geschöpf', sagte Cadfael in einem Tonfall, der irgendwo zwischen Vorwurf und Bewunderung schwankte. ,Ich frage mich nur, wie ich euch ertragen kann.'
Hugh drehte sich in der Tür noch einmal um und sah ihn über die Schulter kurz an. ,Gleich und gleich gesellt sich gern!' sagte er und schritt über den Kiesweg davon...
Nicht nur zur Weihnachtszeit spannend
Mörderische Weihnacht bietet viel: Spannung, Unterhaltung, historische Fakten und ein bisschen Romantik. Eigentlich kann man mit diesem Buch nichts falsch machen und man muß nicht die anderen Bücher aus der Reihe gelesen haben, um sich in die Handlung hinein zu finden. Da die Autorin eine Karte des Klosters St. Peter und St. Paul dem Roman vorangestellt hat, können auch Cadfael-Ungeübte sich auf dem Klostergelände orientieren und schnell in den Kriminalfall einsteigen.
Dieser Roman zeigt Menschen, die fest in ihrer Religion eingebunden sind, die Ruhe und Trost in ihr finden. Dies tun eigentlich alle Cadfael-Krimis. Und vielleicht ist es tatsächlich so, daß sie damit in uns Heutigen eine Sehnsucht wecken, die uns immer wieder zu diesen Büchern greifen lässt. Mörderische Weihnacht jedenfalls bietet nicht nur zur Weihnachtszeit bestes Lesefutter.
Ellis Peters, Heyne
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