Das siebte Werk

  • Rowohlt
  • Erschienen: Januar 2009
  • 3
  • Rowohlt, 2009, Titel: 'Das siebte Werk', Originalausgabe
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Rita Dell'Agnese
891001

Histo-Couch Rezension vonAug 2009

Stimmiger Roman und Mordfälle im Bestattungswesen-Milieu

Kurzgefasst:

Hamburg 1892. Im Gängeviertel wird eine Tote gefunden, die auf verblüffende Weise Lili Winterberg, der Tochter eines Bestatters, gleicht. Die Polizei verdächtigt Winterberg selbst des Mordes, da die Mordwaffe aus seiner Werkstatt stammt. Die energische Lili macht sich auf, die Unschuld ihres Vaters zu beweisen und taucht ein in die dunklen Abgründe ihrer Stadt. Zwei junge Männer - heimliche Konkurrenten um ihre Gunst - unterstützen sie dabei. Und dann ist da noch die rätselhafte Magdalena, eine Freundin der Toten, die bald Lilis Vertrauen gewinnt. Doch als Lili endlich das Komplott durchschaut, wartet schon eine neue tödliche Gefahr...

 

Maiken Nielsen spielt in Das siebte Werk auf poetische Art mit der Sprache und zaubert auf diese Weise viel Atmosphäre in den Roman. Den hat sie in einem eher ungewöhnlichen Milieu angesiedelt: Es geht um das Bestattungswesen im Hamburg des ausgehenden 19. Jahrhunderts. Die Autorin ist mit dem Stoff vertraut, über den sie schreibt. Dies wird schon aus den ersten Zeilen ersichtlich und verliert sich auch nicht mehr. Durch ihre sprachliche Virtuosität holt Maiken Nielsen den Leser, die Leserin mitten ins Geschehen hinein. Ein offenherziges Kleid wird ebenso sichtbar wie die etwas vermoderten Holzplanken, die im Regen düster glänzen.

Nicht "nur" ein Krimi

Grundsätzlich geht es in Das siebte Werk um Mordfälle an rothaarigen Mädchen. Zunächst mal ist Bestatter Winterberg überzeugt, die Tote in seinem Haus sei seine Tochter Lili. Als diese aber quicklebendig auftaucht und sich herausstellt, dass sich die tote Unbekannte und die Tochter des Hauses stark gleichen, bahnt sich ein Geheimnis seinen Weg. Und fortan ist der Krimi nicht mehr "nur" ein Krimi. Er vereinigt viele Elemente in sich, ohne dass die Spannung darunter leidet. Sehr feinfühlig geht Maiken Nielsen etwa ans Werk, wenn sie die Zerrissenheit des Arztes Christian schildert, mit der er sich der Nachbarstochter Lili nähert. Ginge es nach seiner Mutter, müsste er die Bestatterstochter meiden, ginge es nach seinem Herzen, käme er ihr sehr schnell sehr viel näher. Wenn Lili nicht ausgerechnet einem jungen Nachrufschreiber ihr Herz schenken würde. Und so entsteht unvermittelt ein Reigen von Ereignissen, der in die Abgründe des alten Hamburgs führt.

Spiel mit den Stil-Elementen

Mühelos schafft es Maiken Nielsen, mit dem vorliegenden Roman Grenzen zu überschreiten und mit den verschiedenen Elementen zu spielen. Wann immer sich der Leser in einem Krimi wähnt, wird er mit Liebe konfrontiert, wann er an eine Liebesgeschichte glaubt, sieht er sich im Elend des überall grassierenden Cholera-Todes wieder. Nirgends kann man sich richtig fest machen, und doch läuft man keinen einzigen Moment Gefahr, sich zu verirren. Virtuos manipuliert Maiken Nielsen ihr Publikum, gaukelt ihm Bilder vor und löst sie auf unerwartete Weise wieder auf. Das siebte Werk ist kein Roman, der sich auf die Schnelle runter liest - er verlangt Aufmerksamkeit und bietet dafür höchsten Lesegenuss.

Die Leichtigkeit des Todes

So morbide sich das Thema auch anhört, bei Maiken Nielsen ist der Tod nichts Düsteres. Auf jeden Fall der Tod im hohen Alter. Den Schrecken bekommt der Tod erst durch Cholera oder Mord. Und auch hier verzichtet Maiken Nielsen auf Bilder von Ausweglosigkeit und Düsternis, immer wieder kommt eine heitere Note ins Spiel. Dass mit dem fast unsterblichen Afrika-Forscher ein Running-Gag eingebaut ist, macht diesen Nebenschauplatz äußerst charmant und liebenswert.
Hier können also nicht nur Krimi-Fans zugreifen - für sie könnte der Roman etwas zu wenig an "mörderischen" Elementen bereit halten - sondern all jene, die einen gut geschriebenen Roman mit einer Prise Humor zu schätzen wissen.

 

Das siebte Werk

Maiken Nielsen, Rowohlt

Das siebte Werk

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