Schatten der Zeit
- Droemer-Knaur
- Erschienen: Januar 2009
- 3
- Droemer-Knaur, 2008, Titel: 'The Glass of Time', Originalausgabe
Viktorianisch durch und durch
Kurzgefasst:
1876: Noch immer trauert Lady Tansor um ihre Liebe, die vor Jahren ermordet wurde. Als sie Alice Gorst als Zofe einstellt, scheint sie eine Vertraute gefunden zu haben, denn die junge Frau ist gebildet und feinfühlig. Auch Lady Tansors Söhne suchen die Nähe der attraktiven Alice. Was sie nicht ahnen: Alice hat einen Auftrag, der ihre ganze Existenz zerstören könnte...
Schatten der Zeit ist ein Roman, den man entweder mag - oder nicht. Wer gerne Familiengeschichten aus der viktorianischen Zeit liest, wer einen eigenwilligen Stil mag und wer kantige Protagonisten bevorzugt, wird zur Gruppe gehören, die diesen Roman mag. Roman - denn, auch wenn das Werk einem Krimi ähnlich aufgebaut ist, ist es doch eher ein Roman mit allen Elementen, die dazu gehören. Ausser eben der atemlosen Spannung, die einen Krimi zu einem gutem Krimi macht.
Im Haus der Feindin
Die Geschichte dreht sich um Esperanza Alice Gorst, die von ihrer Erzieherin in ein Herrenhaus geschickt wird, wo sie als Zofe für Lady Tansor wirken soll. Für die junge Frau keine leichte Aufgabe, ist sie doch eher als Herrin denn als Zofe erzogen worden. Doch die Erzieherin gibt Esperanza - die sich im Plauderton an die Leser wendet und mit ihren Schilderungen da ein Lächeln, dort ein Kopfnicken und wieder an einer anderen Stelle ein Stirnrunzeln entlockt - eine Aufgabe auf den Weg. Dumm nur, dass es eine ganze Weile dauert, bis sich die junge Frau, die an ihrem neuen Wirkungsort nur Alice genannt wird, darüber im Klaren ist, was genau diese Aufgabe sein soll. So tappt Alice also zunächst einmal im Dunkeln und muss mit spärlichen Informationen auskommen. Nach und nach gelingt es ihr, in die Tiefen der Familiengeschichte der Tansors einzudringen und Dinge ans Licht zu bringen, die sorgsam in der Dunkelheit hätten verborgen werden sollen.
Gewöhnungsbedürftiger Erzählrhythmus
Grundsätzlich schafft Autor Michael Cox durch den leichten Plauderton der Erzieherin eine spezielle Atmosphäre. Doch braucht es einige Zeit, bis man sich ganz auf das Geplauder einlassen mag. Zuvor ist es oft schwierig, dem Geschehen ganz zu folgen. Dies umso mehr, als sich die Perspektiven unvermittelt verschieben können und so manchmal zunächst nicht ganz klar ist, aus wessen Blickwinkel man gerade das Geschehen betrachtet. Hat man den Rhythmus aber erst einmal in sich aufgenommen, kann man sich wunderbar auf die Geschichte einlassen und wird von ihr in jeder Hinsicht mitgetragen.
Wer ist der Held, wer der Schuft?
Michael Cox narrt seine Leserschaft durch den Aufbau der Geschichte immer wieder. Kaum glaubt man, zuteilen zu können, wem zu glauben ist und wer sich als Schuft herausstellen wird, da nimmt Alice eine neue Wendung und das ganze Bild präsentiert sich in einem völlig neuen Licht. Dieses Vorgehen ist so subtil aufgebaut, dass man dem roten Faden mit wachsender Lust zu folgen vermag. Eine weniger feine Feder hätte hier einen grossen Teil des Publikums verloren. Denn über weite Strecken passiert in diesem Roman - nichts! Ausführliche Schilderungen und unwichtige Wortgeplänkel reihen sich aneinander und verlangen von den Lesern streckenweise einiges an Geduld ab. Aber Durchhalten lohnt sich auf jeden Fall.
Schade, dass es nicht mehr gibt
Wer die letzte Seite gelesen hat und das Buch zuklappt wird zunächst einen Moment brauchen, um auf sich wirken zu lassen, was gerade geschehen ist. Danach kommt ein Gefühl von Leere auf. Wer sich nun flugs nach weiteren Romanen des Autors umsieht, wird enttäuscht werden. Leider bleibt es bei den beiden Bänden. Anders als bei vielen, die mehrbändige Geschichten vorlegen, muss man hier sagen: "Schade, dass es nicht mehr gibt."
Um einer allfälligen Enttäuschung vorzubeugen, sollte jeder, der dieses Buch zur Hand nehmen möchte, zunächst eine Leseprobe auf sich wirken lassen. Denn sowohl der Schreibstil als auch die Story stellen einige Ansprüche an die Leser. Wer sich ihnen aber öffnet, wird dem Zauber des Buches erliegen und noch lange an die Geschichte zurück denken.
Michael Cox, Droemer-Knaur
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