Das Caffeehaus
- Rowohlt
- Erschienen: Januar 2009
- 3
- Rowohlt, 2009, Titel: 'Das Caffeehaus', Originalausgabe
Nach diesem Roman schmeckt der Kaffee plötzlich ganz anders
Kurzgefasst:
Der Würzburger Bischof will eine Residenz, prächtiger als Versailles. Zum Baumeister bestimmt er den unbekannten Balthasar Neumann. Die Konkurrenten sinnen auf Rache. Da erhält Neumann Unterstützung von der jungen Sabiha. Das Schicksal hat die ehemalige Haremsdame nach Franken verschlagen. Sie träumt von einem Caffeehaus, prunkvoll und eines Sultans würdig. Gegen alle Widerstände machen sich die beiden Außenseiter daran, ihre kühnen Pläne zu verwirklichen.
Wenn es Bücher gibt, die nicht nur zur Unterhaltung beitragen sondern deren Spuren bis tief in den Alltag der Leser führt, dann gehört Das Caffeehaus von Roman Rausch zweifellos dazu. Denn nach der Lektüre wird sich so mancher bis dahin "gewöhnliche" Kaffeetrinker dabei ertappen, auf dem Etikett der Packung nach der Herkunft der Kaffeebohnen zu gucken. Der Autor hat es auf seine eigene Art verstanden, dem Kaffeegenuss eine neue Note beizufügen. Und hier vereint der Autor auch gleich die größten Stärken und Schwächen des Buches. Während an vielen Stellen die Erklärungen zum Kaffee stimmig und als besondere Würze des Romans daher kommen, werden sie an anderen Stellen so ausschweifend, dass nur noch eine bittere Brühe bleibt.
Einblick in andere Kulturen
Sprachlich gekonnt und mit großem Detailwissen über die türkische Hofkultur steigt Roman Rausch in die Geschichte ein. Er lässt schon nach wenigen Seiten die junge Haremsdame Sabiha ein eigenes Gesicht bekommen. Sie, die Schöne, mit der der Wesir die Nacht verbringen wollte, überlebt wie durch ein Wunder den Sturm auf die von den Türken belagerte Festung Kalemegdan in Belgrad. Veit Sturm, der beim Ausspionieren der Festung einen Blick auf Sabiha werfen konnte, ist in unsterblicher Liebe zu der fremden Schönheit entbrannt. Diese aber macht ihn und dessen Förderer Balthasar Neumann - einen begnadeten Kanonier und in seinen Träumen ebensolchen Architekten - dafür verantwortlich, dass ihre Träume platzten. Sabiha gelingt es ausgerechnet mit Hilfe von Veit Sturm und Neumann nach einigen Wirren, in Würzburg ein Caffeehaus zu errichten und wird bald durch die außergewöhnliche Qualität des Trunks berühmt. Derweil versucht sich Neumann als Baumeister und verblüfft mit seinen gewagten Konstruktionen.
Gute Ansätze, aber...
Der Roman besticht durch mehrere gute Ansätze, die die Handlungsstränge auch teilweise bestimmen. Aber immer wieder stolpert Roman Rausch etwas über seinen eigenen Anspruch, möglichst viel seines Wissens einzubauen. Dies geht eindeutig zu Lasten der Spannung und es braucht an einigen Stellen denn doch recht viel Durchhaltewillen, um nicht ein paar Seiten weiter zu blättern oder den Roman ganz beiseite zu legen. Während die ersten Beschreibungen und Überlegungen Sabihas zur Herkunft der Kaffeebohne noch durchaus reizvoll und interessant ist, so wirkt sie auf den "normalen" Kaffeetrinker bisweilen etwas grotesk, wenn es um Begriffe wie: "fruchtige Blume mit leichten Anklängen von Pfirsichen und Aprikosen" geht. Hier stößt der Autor zu tief in eine Fachsprache - die bestenfalls von Weindegustationen her bekannt ist - vor.
Welche Geschichte wird erzählt?
Das Buch kränkelt auch etwas an der Unschlüssigkeit des Autors, welche der beiden Geschichten denn nun im Vordergrund stehen soll: Ist es jene von Sabiha und dem Saray, dem Caffeehaus, oder ist es die Geschichte von Balthasar Neumann und seiner Architektur? Sicher, es lassen sich in nahezu jedem Roman zwei oder mehr Handlungsstränge miteinander verknüpfen, doch hier ist die Gewichtung unklar und so kommt es zu einer Konkurrenzierung statt Verknüpfung. Dem Lesegenuss vollends abträglich ist das Fehlen eines vernünftigen Glossars sowie einer Zeittafel, auf der die sich ständig wechselnden politischen Verhältnisse ablesen ließen oder die verwandtschaftlichen Verknüpfungen besser ersichtlich würden.
Gut ausgearbeitete Figuren
Die Stärke von Das Caffeehaus findet sich vor allen Dingen in den guten ausgearbeiteten Figuren. Sie sind facettenreich und nicht davor gefeit, das eine oder andere Mal eine völlig falsche Richtung einzuschlagen. Besonders Sabiha, die sich bei aller Hilfe durch Veit und Neumann nicht von ihrem Groll gegen die beiden lösen kann, ist sehr gekonnt dargestellt. Einige wenige Figuren bleiben zwar zu blass und zu schwarz-weiß, doch das Gesamtkonzept stimmt durchaus.
Fortsetzung vorgesehen
Leider gehört Das Caffeehaus wie immer mehr der neu auf den Markt drängenden historischen Romane zu jenen, für die die Fortsetzung schon fest vorgesehen ist und die deshalb mit einem sehr vagen Schluss auskommen müssen, der die Neugier auf den nächsten Band ankurbeln soll. Dass dabei die Lust auf einen zweiten Band auch vergehen kann, weil im Mund schließlich ein schaler Geschmack zurück bleibt, wird nur allzu schnell vergessen.
Wer sich mehr mit dem Thema "Kaffee" und dessen Herkunft auseinander setzen möchte, wird bei diesem Roman auf seine Rechnung kommen. Für andere könnte es aber auch zu viel des Fachwissens werden. Gleiches gilt übrigens für das Thema Architektur, das dem geneigten Fachmann einige Informationen zu bieten hat, dem Durchschnittsleser aber ein Buch mit sieben Siegeln bleiben könnte. Auf jeden Fall eignet sich Das Caffeehaus nicht für jene, die vor allem kurzweilige Unterhaltung suchen.
Roman Rausch, Rowohlt
Deine Meinung zu »Das Caffeehaus«
Wir freuen uns auf Deine Meinungen. Ein fairer und respektvoller Umgang sollte selbstverständlich sein. Bitte Spoiler zum Inhalt vermeiden oder zumindest als solche deutlich in Deinem Kommentar kennzeichnen. Vielen Dank!