Antonia - Die schöne Polin
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- Erschienen: Januar 2009
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- , 2009, Titel: 'Antonia - Die schöne Polin', Originalausgabe
Zu wenig Platz für Sachsens Glanz
Kurzgefasst:
April 1718. Die junge Antonia, Tochter des polnischen Grafen Kazimir Ostrowski, gelangt als Gesellschafterin ihrer Cousine Maria Magdalena Gräfin Dönhoff an den Dresdner Hof. Denn die Dönhoff ist die derzeitige Mätresse August des Starken, Kurfürst von Sachsen und König von Polen. Dem fremdartigen erotischen Reiz der schönen Polin verfallen in Dresden alsbald vier Männer allen voran König Friedrich August. Als Frauenkenner hat er sie schnell ins Visier genommen, doch Antonia gibt sich ihm gegenüber unnahbar. Dem jungen Hauptmann Georg von Lichtenhain winkt da schon eher das Glück. Er und Antonia werden ein Liebespaar. Ein weiterer Verehrer Antonias ist der Hofnarr Joseph Fröhlich. Und auch der Maler Johannes Kupezky, der die schöne Polin auf Wunsch des Königs porträtiert, verliebt sich in sie. Nach sechs Jahren ist August der Starke der Gräfin Dönhoff überdrüssig. Nun möchte er Antonia zu seiner neuen Mätresse machen. Dazu ist ihm jedes Mittel recht. Grausam trennt er die Liebenden. Wird die zarte Verbindung zwischen Georg und Antonia dennoch Bestand haben? In diesem prallen Roman entfaltet sich das barocke Tableau des glanzvollen Dresdner Hofes. Dabei werden auch dessen Schattenseiten, die Willkür des Königs und das tragische Schicksal des Goldmachers Johann Friedrich Böttger deutlich.
Am Anfang war ein Bild. Als Inspirationsquelle für einen Roman nicht die schlechteste Idee. Das "Bildnis einer jungen Polin" des Malers Johannes Kupezky, das im Herzog-Anton-Ulrich-Museum in Braunschweig hängt, diente der Autorin Renate von Rosenberg als Ursprung ihres kurzen Romans aus dem Dresdner Buchverlag, und gleichzeitig als Titelbild des Buches. Und warum auch nicht? Über diese junge Polin scheint nicht viel bekannt zu sein. Hier dürfen Romanautoren einspringen, die Lücken der Geschichtsbücher zu füllen. Aber kann man einen "prallen Roman", in dem sich das "barocke Tableau des glanzvollen Dresdner Hofes" entfaltet (siehe Klappentext) wirklich auf 173 Seiten unterbringen?
Nein, man kann nicht. Renate von Rosenberg liefert allenfalls das Skelett für einen vermeintlich opulenten Hofroman. Sie folgt sehr konsequent den Wegen der Antonia von ihrem heimatlichen Gut in Polen an den Dresdner Hof, in ihre Wohnung in Dresden selbst, ihrer Flucht nach Wien und ihrer Entführung zurück nach Dresden. Aber der Roman bleibt unbevölkert. Es treten nur Figuren auf, die unmittelbar mit der Handlung zu tun haben. Dabei dürfte Augusts Hofstaat durchaus umfangreicher gewesen sein. Wo sind die eifersüchtigen Hofdamen, die sich die geschminkten Mäuler über des Kurfürsten Favoritin, die sich nicht erobern lassen will, zerreißen? Wo sind die Dresdner Bürger, die unter der Abgabenlast stöhnen, weil August eine Geburtstagsfeier zu viel ausgerichtet hat? Wo sind all die Nebenfiguren, die einen Roman zum Leben erwecken?
Alles viel zu anständig
Freilich, es gibt Nebenfiguren, durchaus nicht wenige. Aber der Reiz eines Romans liegt darin, nicht jeder Figur das gleiche Gewicht zu verleihen. Die vier Verehrer, die Antonia ihr Leben mal schwer, mal leichter machen, sind - bis auf August - viel zu anständig. Der wirkliche Bösewicht ist ein ehemaliger Bediensteter auf dem heimatlichen Gut, doch er hat einen viel zu kurzen Arm und tritt viel zu selten auf, um Antonia wirklich schaden zu können. Die Cousine Maria verschwindet irgendwann aus der Geschichte, weil der Kurfürst sie als seine Geliebte ablegt. Auch sie ist viel zu anständig: Sie sieht, wie August Antonia den Hof macht und wie diese ihn ablehnt. Rasende Eifersucht wäre angebracht, Maria fügt sich jedoch erstaunlich schnell in ihr Schicksal. Antonia selbst ist die Anständigste von allen. Sie verschmäht höfische Lustbarkeiten wie eine gestellte Jagd (ein grausames Schauspiel, zugegeben), sie hält den Nachstellungen des Kurfürsten stand (wie glaubwürdig ist das?) und sie nimmt arglos eine ehemalige Bedienstete aus ihrer Heimat als ihre Köchin auf, ohne sie zu erkennen (und wie glaubwürdig ist bitte das?).
Zu wenige und doch zu viele Figuren - ein Widerspruch? Nicht unbedingt. Es kommt halt auf die Figuren an. Es sind zu wenige wirklich wichtige und zu viele eher unwichtige Figuren.
Der kurze Roman ist vollgepackt mit - vor allen Dingen historischen - Informationen, die das Bild vervollständigen sollen. Doch der Autorin gelingt es nicht, sie mit ihrer Geschichte zu einem Roman zu verschmelzen. Die Episode mit Johann Friedrich Böttger, dem Erfinder des Meißener Porzellans, ist nett, ihre "dramaturgische Notwendigkeit" - ein Mitarbeiter Böttgers flieht nach Wien, der fesche Hauptmann von Lichtenhain soll ihn zurückholen, weil Herzog August ihn bei seinem eigenen Werben um Antonia aus dem Weg haben will - wirkt aber an den Haaren herbeigezogen. So funktionieren Fernsehserien à la "Dallas" oder "Denver-Clan".
Von allem viel zu wenig
Letztendlich taugt das Büchlein in seiner vorhandenen Darreichungsform (nur) als Treatment - also als Handlungsbeschreibung - für einen dreistündigen Historienfilm. Die Opulenz, die der Klappentext verspricht, käme dann durch die Bilder. Die Romanfassung der Geschichte bleibt dünn und unausgewogen. Zwar liegt in der Kürze die Würze, was durchaus auch für Romane gelten kann. Dieser ist jedoch zu kurz. Ein weiterer Beitrag zur großen Rubrik "verschenktes Thema".
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