Die Ritterin des Königs
- Ehrenwirth
- Erschienen: Januar 2008
- 2
- Ehrenwirth, 2005, Titel: 'Historia del Rey Transparente', Originalausgabe
Missratener Entwurf eines historischen Romans
Kurzgefasst:
Südfrankreich, 12. Jahrhundert: Die junge Leibeigene Leola verliert in den Kriegswirren zwischen französischen und aragonesischen Rittern ihre Eltern und ihren Verlobten. Ganz auf sich allein gestellt, schlüpft sie in die Rüstung eines gefallenen Ritters, nennt sich fortan Leo und begibt sich auf die Suche nach einem neuen Platz in der Welt. Damit beginnt für sie das größte Abenteuer ihres Lebens. Die Ritterrüstung gewährt ihr Schutz, doch da sie weder Schwert noch Lanze zu führen weiß, wird sie bald Opfer grausamer Wegelagerer. In Nyneve, einer Frau mit übernatürlichen Fähigkeiten, findet sie ihre Retterin und eine treue Wegbegleiterin. Von ihr lernt sie Lesen und Schreiben, absolviert eine Ritterschule, überlebt mit ihr unzählige Gefechte und befreit sich aus den Fängen der kaltherzigen Dhuoda, der "Weißen Dame".
Als sich Leola in den jungen Alchimisten Gastón verliebt, glaubt sie endlich ihren Platz in der Welt gefunden zu haben. Doch sie wird bitter enttäuscht. Denn als der Papst zum Kreuzzug gegen die Katharer aufruft und Leola sich auf die Seite der nun verfolgten Glaubensgemeinschaft stellt, verrät ausgerechnet Gastón sie an die Inquisition...
Rosa Montero, eine der meistgelesenen Romanautoren Spaniens, versucht sich mit Die Ritterin des Königs erstmals am Genre des historischen Romans.
Minnehöfe und die frühe Grundsteinlegung der Renaissance
Die Autorin nähert sich bei dem vorliegenden Roman Die Ritterin des Königs zwei Themen, nämlich zum Einen der Beschreibung der Minnehöfe, bei denen in spielerischer Form Gerichtsverhandlungen über das Verhalten der Menschen gegenüber Gott und für die Beziehung der Menschen untereinander, abgehalten wurden. Eine Welt der Diskussion, der Argumentation, des gesellschaftlichen Umgangs, aber vor allem des unverbrüchlichen ritterlichen Dienstes an und die Werbung um die Gunst der auserwählten Dame, welche nicht zuletzt auch für den Wandel im Umgang der seitherigen Rittergesellschaft gegenüber den Frauen einerseits, aber auch der Bildung andererseits, steht.
Zum Anderen beschreibt sie die Geschehnisse des Ketzerfeldzugs (gegen die Katharer bzw. Albingenser) in Südfrankreich im 13. Jahrhundert, welcher ebenfalls ein wichtiger Wendepunkt in der europäischen Geschichte darstellt, da er als ideologische Rechtfertigung für die Vernichtung und Ausrottung Andersgläubiger selbst durch Päpste und hohe geistliche Würdenträger (z.B. Bernhard von Clairvaux oder Thomas von Aquin) gilt. Gleichwohl verlor die katholische Kirche dadurch ihre Glaubwürdigkeit, was letztlich im 16. Jahrhundert zur religiösen Reformation und im 18. Jahrhundert zur politischen Aufklärung geführt hat.
Ein Thema mit Potential - schlecht umgesetzt
Abgesehen von den durchaus ordentlich dargestellten Themen der Minnehöfe und den Geschehnissen rund um die Ketzerverfolgungen in Südfrankreich im 13. Jahrhundert ist sonst leider nicht sehr viel stimmig:
Die Schilderung einer Schlacht zwischen den Rittern zweier befeindeter Adeliger auf freiem Feld, wo leibeigene Bauern den angrenzenden Acker pflügen, ist wohlwollend betrachtet eher unwahrscheinlich.
Der Plauderton des Romans - obwohl Rosa Montero natürlich sehr schön schreibt - ist einfach nervig. Immer wenn man glaubt, dass die Geschichte langsam in Fahrt kommt, bleibt die Autorin unverbindlich und beginnt mit neuen Handlungssträngen, statt die vorhandenen Ansätze schlüssig zum Ende zu bringen.
Die Erzählungsansätze über "Die Geschichte vom Unsichtbaren König" - dem spanischen Originaltitels des Romans - enden mehrmals nach wenigen Sätzen mit einem Unglücksfall, wobei der Erzähler der Geschichte jeweils den Tod findet. Warum ist das so und welche Bedeutung soll das haben? In welchem Zusammenhang steht das zu der Geschichte, die in dem vorliegenden Roman erzählt wird?
Die Ritterin des Königs ist eine unsägliche Gemengelage mystischer und fantastischer Ereignisse, Legenden und der Aufzählungen historischer Persönlichkeiten. So erscheint es wenig notwendig zu sein, ein verwunschenes Schloss einer weißen Teufelin ohne Ausgänge einfließen zu lassen, die Protagonisten in einem geheimnisvollen Nebel umherirren zu lassen oder Hexen auftreten zu lassen, die sich immer wieder auf die Artus-Sage und deren Heldenfiguren berufen.
Die Nennung der historisch belegten Figuren "Ulrich von Liechtenstein" (Minnesänger und Dichter im 13. Jahrhundert), Ritter Saldebreuil (der für Königin Eleonore von Aquitanien ohne Rüstung zum Tjost angetreten sein soll) oder auch die Herren von Adres und Gunes (die ein Jahrhundert lang täglich die Schwerter gegeneinander erhoben haben sollen) - um hier nur ein paar Ereignisse zu nennen - dient wohl eher dem Ego der Autorin, sich als Kennerin des Mittelalters auszuweisen, bestimmt jedoch nicht, um dem Romanfluss Gutes tun zu wollen. So mutiert der Roman zumindest zu einem "Who-is-who" des Mittelalters, verzettelt sich jedoch gleichzeitig in ein Sammelsurium von unzusammenhängenden Geschichten und bleibt Stückwerk, als wäre er aus dem Repertoire eines Mittelalter-Baukastens zusammengesetzt worden.
Die Autorin fasst eine Zeitspanne von ca. 150 Jahren (vom Volkskreuzzug 1095 bis kurz nach dem Untergang der Katharer 1244 in Montségur) auf zwei sich zeitlich überlappende Menschenleben, zusammen, wobei einer der Protagonisten sowohl den Volkskreuzzug 1095 als auch den Kinderkreuzzug 1212 erlebt haben will.
Eine Marketing-Mogelpackung
Die Autorin ordnet ihren Roman selbst als Abenteuerroman und als fantastische Literatur ein. Dem kann man wohl nur zustimmen. Auch gibt Rosa Montero einen Überblick über die beachtlich umfangreiche Verdichtung der Zeit im Anhang. Jedoch nützt das den meisten Lesern und Käufern dieses Romans wenig, da beide Umstände anhand der Aufmachung und Ankündigung nicht zu erkennen sind und somit der Roman unter falschen Vorstellungen erworben wird.
Der deutsche Titel ist wieder einmal nicht aussagekräftig, da Ritterin Leola keinem König per Treueeid verpflichtet ist (in der vorliegenden Geschichte kommt außer dem im Anhang äußerst vage beschriebenen "Unsichtbaren König" kein König vor). "Historia del Rey Transparente" bzw. "Die Geschichte vom Unsichtbaren König" wäre etwas exakter, obwohl auch dieser Aspekt nur kurz und reichlich kryptisch im Roman erwähnt wird.
Kurzum, ein reichlich unausgegorener Roman, der aufgrund einem geschickt gewählten und ansprechenden Titel, einem interessant gemachten Klappentext und ordentlich viel Lob für die Autorin und den Hinweis auf den Erfolg des Buches im Heimatland seine Käufer finden wird. Ob die allerdings glücklich sein werden, ist eher fraglich.
Rosa Montero, Ehrenwirth
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