Der nasse Fisch

  • Kiepenheuer & Witsch
  • Erschienen: Januar 2007
  • 5
  • Kiepenheuer & Witsch, 2007, Titel: 'Der nasse Fisch', Originalausgabe
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Carsten Jaehner
911001

Histo-Couch Rezension vonDez 2009

Spannung pur im Berlin der Weimarer Republik

Kurzgefasst:

Berlin 1929: Gereon Rath ist ein junger Ermittler, der in Köln aufwuchs, dort seine Karriere bei der Polizei begann und nach einem tödlichen Schuss die Stadt verlassen und in Berlin bei der Sitte neu anfangen muss. Er erlebt eine Stadt im Rausch. Kokain, illegale Nachtclubs, politische Straßenschlachten - ein Tanz auf dem Vulkan. Der junge Kommissar schaltet sich ungefragt in die Ermittlungen der Mordkommission ein - und ahnt nicht, dass er in ein Wespennest gestoßen hat.

 

Kommissar Gereon Rath wird 1929 vom Rheinland nach Berlin versetzt und ins Sittendezernat abgestellt. Viel lieber würde er in der Mordkommission arbeiten, aber dort war keine Stelle frei. So muss er sich mit Razzien in Nachtclubs und anderen Vergehen herumschlagen, die ihn eigentlich nicht wirklich interessieren. Erst als ein Auto über ein Brücke stürzt und der Fahrer bereits seit mehreren Stunden tot war und die Kollegen in den Ermittlungen auf der Stelle treten, nimmt er ungefragt Ermittlungen auf.

Gemeinsam mit seinem Kollegen Bruno Wolter arbeitet er sich durch die Fälle der Sitte, bleibt aber bei dem Mordfall lieber allein, bis er etwas stichhaltiges vorweisen kann. Durch Zufall kommt er auf eine hilfreiche Spur, und auch sein Wohngenosse bei seiner wankelmütigen Zimmerwirtin, ein Redakteur einer örtlichen Tageszeitung, bringen ihn auf hilfreiche Gedanken. Zu all dem kommt eine Liaison mit einer Stenotypistin der Kripo, und all das ist nicht leicht unter einen Hut zu bekommen. Das geht auch nicht immer glatt, und als Rath den wahren Drahtziehern auf die Spur kommt, merkt er erst, wie groß die Kreise sind, die der Fall zieht.

Ein Kommissar mit Ecken und Kanten

Inmitten der Weimarer Republik beginnt Volker Kutscher seine auf sieben Bände angelegte Reihe um Gereon Rath, den neuen Ermittler in Berlin, und um es vorweg zu nehmen: Es ist ein spannender und sehr gut zu lesender Roman, der keine Wünsche offen lässt. Kutscher versetzt den Leser mühelos und lückenlos in eine Zeit, in der das Deutsche Reich gerade auch politisch sehr aktiv ist und sich die Anhänger der Parteien Straßenschlachten liefern. Die Nachtszene blüht, legal wie illegal, und immer wieder gerät Rath bei seinen Nachforschungen in Szenekneipen, die dem Leser Zeit und Menschenschlag nahe bringen. Das ist nicht nur gut beobachtet, sondern auch hervorragend niedergeschrieben.

Gerade die normalen Bürger aus Berlin bekommen in ihrer Sprache den Berliner Jargon verpasst, und das sorgt neben Amüsement auch für eine gehörige Portion Lokalkolorit. Man sieht förmlich das Nachtleben vor sich, die Hinterhöfe und die Menschen in ihren alten Anzügen, und man möchte immer weiterlesen. Der Fall selbst ist spannend konstruiert und in sich bis zum Ende schlüssig und geschickt verschachtelt. Falsche Fährten und immer wieder ein Auf-der-Stelle-Treten gehören genauso dazu wie kleine und größere Erfolge, die mal erarbeitet, mal zufällig sich allmählich zu einer Lösung zusammensetzen.

Facettenreiche Sprache und Bilder

Positiv anzumerken ist auch, dass sich Kutscher nicht nur auf das Berufsleben seines Protagonisten beschränkt, sondern ihm auch ein Privatleben beschert, das nicht immer einfach zu führen ist. Dabei holt ihn auch immer wieder seine Vergangenheit, hauptsächlich in Form seines Vaters ein, der damals für seine Versetzung gesorgt hat und ihn somit vor dem beruflichen Aus bewahrt hat. Seine sich entwickelnde Beziehung zur Stenotypistin und Assistenzkommissarin Charlotte Ritter gibt dem ganzen noch einen zusätzlichen Farbtupfer.

Überhaupt findet Kutscher stets die richtige Mischung aus beruflichem und privatem, wenn es sich nicht sogar vermischt. Dass nicht alle Fragen, gerade aus Gereons Vergangenheit, geklärt werden, ist nicht schlimm, behält sich der Autor doch so noch einige Aspekte für die weiteren vorgesehenen Teile vor.

Ein "nasser Fisch" ist im Berliner Polizeijargon der Begriff für einen ungelösten Fall, und in einem solchen ermittelt Rath, nachdem die Kripo nur auf der Stelle tritt, die Öffentlichkeit aber Ergebnisse erwartet. Der Tote aus dem Auto ist schließlich nicht der Einzige und auch nicht der letzte, und für jeden muss eine Erklärung her. Dass dabei nicht immer alles glatt und legal zugeht zeugt für eine facettenreiche Erzählweise, die dem Autor jederzeit gelingt. Das und der bewundernswert hohe Kaffeekonsum des Kommissars sind nur einige der positiv auffallenden Aspekte des Romans.

Rundum gelungen

"Hardboiler" steht auf dem Buchrücken, "Pageturner" sagt man heute neudeutsch, und gemeint ist wohl, dass man das Buch schneller durchlesen will, als man es selber merkt, und genau das ist auch der Fall. Volker Kutschers Schreibstil ist flüssig, schlüssig und mehr als lesbar, man fühlt sich als Leser immer auf der Höhe der Ermittlungen, sprachlich wie inhaltlich. Leider gibt es keinen Anhang mit Extras wie einer kleinen historischen Beschreibung des Berlin der 20er und 30er Jahre, vielleicht lässt sich das in den Folgeteilen ergänzen.

Dem Ermittler Gereon Rath wird der Leser gerne noch durch weitere Fälle folgen, es dürfen auch gerne mehr als sieben werden, wenn der Autor seinen Standard halten kann, den er mit dem "nassen Fisch" vorlegt. Der Roman ist spannend, was sowohl den Fall als auch die Zeit angeht, und wer einmal zwischendurch etwas anderes als Mittelalter und Hexenverfolgung lesen will, der wird hier einen erfrischenden Roman lesen, der ihn bis zur letzten Seite in den Bann zieht. Mehr davon, weiter so!

 

Der nasse Fisch

Volker Kutscher, Kiepenheuer & Witsch

Der nasse Fisch

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