Der Minnesänger
- Heyne
- Erschienen: Januar 2010
- 5
- Heyne, 2010, Titel: 'Der Minnesänger', Originalausgabe
Das Hohelied der Minne stark gesungen
Kurzgefasst:
Mitte des 12. Jahrhunderts: Es ist ein Privileg, als Sohn eines unfreien Lehnsherrn in einem Kloster ausgebildet zu werden. Hartmann von Aue weiß das zu schätzen. Als sich der junge Mann in die Nachbarstochter Judith verliebt, lernt er das Harfespielen nur, um seiner Angebeteten ein Lied zu singen. Bis der Minnesänger sie wiedersieht, vergehen Jahre voller Sehnsucht und Gefahren. Jahre, die den Ritter auf den Kreuzzug führen und die zu Unrecht des Giftmordes beschuldigte Heilerin in den Kerker. Wird er ihr je von seiner Liebe singen können?
Im Jahr 1164 gelingt es Dankwart von Aue, seinem Herrn und Fürsten in einer Schlacht das Leben zu retten. Als Dank dafür darf sein zweitgeborener Sohn Hartmann, sonst ohne Aussicht auf irgendeine Karriere, unstandesgemäß in einem Kloster das Schreiben und Rechnen lernen. Als sechsjähriger geht Hartmann ins Kloster und sieht für die nächsten sieben Jahre nichts anderes mehr.
Als er dreizehnjährig erstmals zu Ostern wieder nach Hause darf, lernt er seine Freundin aus Kinderspieltagen, Judith, neu kennen. Beide verlieben sich ineinander, wissen sich jedoch nicht recht auszudrücken, obwohl eigentlich alles klar ist. Hartmann muss zurück ins Kloster und verspricht, im nächsten Jahr wiederzukommen.
Durch Krankheit und Verpflichtungen jedoch kommt er erst zwei Jahre später wieder und muss feststellen, dass Judith inzwischen verheiratet ist - mit einem Mann, den sie nicht liebt und den sie auf Druck vor allem ihrer Mutter geheiratet hat. Für Hartmann geht eine Welt unter. Aber er gibt nicht auf, und allen Widrigkeiten zum Trotz findet er Trost in der Kunst der Musik und des Minnesangs. Bald kommt er in die Dienste des neuen Fürsten und macht Karriere, aber Judith geht ihm nicht aus dem Kopf. Und auch sie hat Hartmann nicht vergessen.
Gute Darstellung von Ort und Zeit
In die hochmittelalterliche Welt des Minnesangs entführt Autor Tim Pieper den Leser in seinem Erstlingswerk Der Minnesänger, und er tut dies anhand eines der seinerzeit berühmtesten und heute zu den zwölf alten Meistern des Minnesangs gehörenden Hartmann von Aue. Wortgewandt beschreibt er eine Zeit, in der man wusste, wo man hingehörte, und wenn man das mal vergessen hatte oder aufstreben wollte, dann wurde man schon an seinen Stand erinnert.
Einfühlsam und mit großer Sorgfalt entsteht ein mittelalterliches Bild, in dem sich der Leser schnell zu Hause fühlt, und auch nach aufgezwungenen Lesepausen ist man sofort wieder "drin" im Roman. Das schafft nicht jeder Autor, gerade in einem Debütroman. Die Figuren sind klar gezeichnet, auch die Standesunterschiede und die Beweggründe der einzelnen Personen sind klar herausgearbeitet und erleichtert dem Leser das Verfolgen der Handlungsstränge. Diese sind geschickt miteinander verwoben, und auch, wenn man ahnt, wie es endet, lässt man sich immer wieder gerne überraschen.
Der "Böse" schwächelt nach hinten heraus
Geht Judith Ehemann zu Beginn der Ehe doch sehr brutal vor, ist seine Durchtriebenheit, die im Folgenden die Brutalität ablöst, allerdings so nicht recht stimmig mit der vorherigen Charakterisierung. Hier verliert der vermeintlich "Böse" des Romans doch an Intensität. Etwas übertrieben scheinen auch Judith Fähigkeiten als Heilerin, zumal diese doch nicht so entscheidend sind, wie der Klappentext dem Leser glaubhaft machen will.
Für einen der größten Minnesänger aller Zeiten spielt gerade gegen Ende der Minnesang doch eine sehr untergeordnete Rolle. Hier hätte doch, ausnahmsweise, mehr übertrieben werden dürfen und tatsächlich der große Erfolg Hartmanns mit mehr Beispielen dargestellt werden können.
Trotz dieser kleinen Unebenheiten in der Erzählung ist jedoch ein Roman entstanden, der den Leser durchaus zufrieden stellt und der einen hervorragenden Einblick in Zeit und Sitten und Gebräuche gibt. Was allerdings stark vermisst wird, ist ein Anhang mit einer kurzen Darstellung der historischen Person Hartmann von Aue. Es ist einfach zu wenig über ihn bekannt, als dass da drüber hinweg gegangen werden könnte. Und gerade die Passagen, wo die historische Überlieferung einmal etwas hinterlassen hat, sind die stärksten in der Erzählung. Auch die spärliche Überlieferung seines größten Erfolges Erec wäre eine Erwähnung wert gewesen. Alles in allem aber bleibt ein gelungener Roman, und man freut sich auf ein neues Werk des Autors.
Tim Pieper, Heyne
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