Das Erbe der Königin
- Lübbe
- Erschienen: Januar 2010
- 4
- Lübbe, 2006, Titel: 'The Boleyn Inheritance', Originalausgabe
Leben und Sterben am Hofe Heinrichs VIII.
Kurzgefasst:
Jeder bei Hofe weiß, dass die Frauen Heinrichs VIII. gefährliche leben. Hat er einmal das Augenmerk auf eine gerichtet, so schwebt die Königin an seiner Seite in Lebensgefahr. Die Deutsche Anna von Kleve kommt als vierte Gemahlin des Herrschers nach England. Die schüchterne junge Frau ist fasziniert vom höfischen Leben, doch schon bald begreift sie, welche Abgründe hinter der schillernden Fassade lauern. Nach Katharina von Aragorn und den Boleyn-Schwestern versucht neben Anna nun auch ihre Hofdame, die bildhübsche Katherine Howard, sich bei Heinrich durchzusetzen. Ihnen ist allen bewusst, dass sie in eine Löwengrube geraten sind, aus der sie sich nur schwer wieder befreien können. Nur eine von ihnen kann die Gunst Heinrichs, die Krone Englands und den Kampf um Leben und Tod gewinnen...
Der Preis für die Krone Englands kann das eigene Leben sein
(Zitat vom Klappentext)
Nach dem Tod der Königin Jane Seymour im Jahre 1537 plant Heinrich VIII. eine neue Ehe einzugehen. Im Jahre 1539 wird unter anderem Anna von Kleve als mögliche Kandidatin von Hans Holbein gemalt, zu diesem Zeitpunkt setzt der Roman ein. Das weitere Geschehen wird aus Sicht der späteren Königin Anna von Kleve sowie ihren Hofdamen Katherine Howard und Jane Boleyn, der Schwägerin der früheren Königin Anna Boleyn, geschildert. Heinrich wird von seinen Beratern gedrängt, Anna von Kleve als Ehefrau zu wählen, obwohl er nach einer verhängnisvollen ersten Begegnung mit Anna daran kein Interesse mehr hat. Trotz allem feiern sie die Hochzeit, und Anna von Kleve bemüht sich nach Kräften, dem alternden und kranken König eine gute Ehefrau zu sein. Sie scheitert allerdings an ihrer konservativen Erziehung und den höfischen Intrigen. Auch hat der König bereits eine neue Favoritin ins Auge gefasst: die junge und bildhübsche, aber sehr naive Katherine Howard soll die Nachfolgerin werden. Und Jane Boleyn könnte erneut zum Stolperstein einer englischen Königin werden und die eigenen und die familiären Interesse über alles andere stellen.
Drei Erzählerinnen und drei Blicke auf die Ereignisse
Die drei Frauen schildern jeweils abwechselnd als Ich-Erzählerin die Geschehnisse am englischen Hof zwischen den Jahren 1539 bis 1547. Durch die unterschiedlichen Erzählperspektiven und den Eigenheiten der Erzählerinnen entsteht eine ganz eigene Spannung und es entwickelt sich ein Reiz, dem Geschehen zu folgen. Die Charaktere der drei sehr verschiedenen Frauen werden nachvollziehbar und mit Tiefe entwickelt. Anna von Kleve ist unerfahren, sehr konservativ erzogen und durch die mangelhaften Sprachkenntnisse zunächst sehr eingeschränkt. Trotz allem steht sie dem Leben in England aufgeschlossen gegenüber und sie ist eine gute Beobachterin, die mit ausgeprägter Menschenkenntnis auf die höfische Welt reagiert. Katherine Howard ist ein sehr naives junges Mädchen, dessen Interesse auf schöne Kleider, Schmuck und das höfische Geplänkel begrenzt sind. Sie wird so zum Spielball ihres machtbesessenen Onkels, des Herzogs von Norfolk. Jane Boleyn kommt als Schwägerin der hingerichteten Königin Anne Boleyn an den Hof zurück. Sie wird von der Autorin als sehr gespaltener Charakter gezeichnet, die mit ihrer eigenen Geschichte und ihrer Beteiligung an der Hinrichtung der Schwägerin und des Ehemannes kämpft und zugleich sich wieder einen Platz am Hofe und ein dauerhaftes Auskommen sichern will. Ihr Schicksal ist eng mit dem der Königinnen verbunden. Wer wird die Löwengrube des englischen Hofes überleben ?
Leben am Hofe Heinrichs VIII als Tanz auf der Rasierklinge
Der Roman bezieht seine Spannung aus der von der Autorin gewählten Erzählweise, welche die unterschiedlichen Ereignisse am Königshof durch die drei Protagonistinnen ganz verschieden wahrnehmen lässt und auf diese Weise den Leser mit in die Handlung einbindet, da er angeregt wird, sich selbst ein Bild von dem höfischen Leben zu machen. Der Roman ist insgesamt flüssig zu lesen, auch wenn die geschichtlichen Ereignisse in die Handlung einfließen, geht das Romanhafte nicht verloren. Die Charaktere der Protagonisten finden sich in der Sprache wieder, so dass auch dieser abwechslungsreiche Stil sehr reizvoll zu lesen ist. Obwohl Heinrich VIII. in diesem Roman mehr ein Nebenfigur ist, ist die Gefährlichkeit und Sprunghaftigkeit seines Charakters in den Erzählungen der drei Frauen durchgängig spürbar. Sie genießen die Vergnügungen des Hofes in vollen Zügen, sind sich des Tanzes auf der Rasierklinge aber immer bewusst. Auch hierin liegt ein Reiz des Romans.
Ein kleiner Kritikpunkt ist der für die deutsche Ausgabe gewählte Titel, der wenig aussagekräftig ist. Der englische Originaltitel, deutsche Übersetzung "Die Boleyn - Erbschaft", vermag den Charakter des Romans in seiner Vielschichtigkeit besser zu erfassen, da die Vermächtnisse der Familie Howard-Boleyn eine zentrale Rolle spielen. Dies tut der Freude an dem Buch jedoch keine Abbruch.
Insgesamt ein sehr reizvoller Roman um die Tudor-Könige und insbesondere Heinrich VIII., der die eher vergessenen Königinnen Anna von Kleve und Katherine Howard in den Mitteilpunkt stellt und doch viel über die späten Jahre des legendären Königs zu erzählen vermag.
Philippa Gregory, Lübbe
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