Das Delta
- Rütten und Loening
- Erschienen: Januar 2007
- 2
- Rütten und Loening, 2007, Titel: 'Das Delta', Originalausgabe
Die Stille der Trommeln
Kurzgefasst:
Im Jahre 1894 reist Mary Cooley als erste weiße Frau im Auftrag der Royal Geographic Society in eine der gefährlichsten Regionen der Welt: ins Nigerdelta. Noch bevor sie ihr Ziel erreicht, wird ihr prophezeit, dass sie in Afrika einen Mann sehen wird, der ein Geist ist, und einen Toten, der nicht tot ist. Und dass sie auf eine Liebe stoßen wird, die schon lange auf sie wartet...
Mit Das Delta legt Jens J. Kramer einen ausgereiften historischen Roman vor, der - obwohl einem ernsten Thema gewidmet - von überquellender Farbenpracht und Sinnlichkeit ist. Wohl mag man bei der Bezeichnung "Afrika-Roman" auf dem Cover zunächst zögern, gibt es doch wenige solcher Romane, die ohne Idealisierung auskommen. Doch hier ist tatsächlich drin, was drauf steht: Ein Stück lebendiges Afrika. Dabei sind es keineswegs Krokodile, Nilpferde oder andere exotische Tiere, die als drohende Gefahr in den Mangrovensümpfen lauern. Es ist letztlich nichts anderes als die Arroganz der Menschen - ob weiß oder schwarz, die auf Opfer lauert. Es gelingt Jens J. Kramer, die Ereignisse, die zum Aufstand der Brass führten, ohne Moralinspritze aufzuarbeiten. Dazu bedient er sich einer Gruppe von Figuren, die so überlegt charakterisiert sind, dass man sich ihnen nicht entziehen kann.
Sprechende Bilder
Der Autor lässt über weite Strecken Bilder für sich sprechen. Nur so wird er dem Wesen jenes Gebiets gerecht, dem er seinen Roman widmet. Dabei sind es immer wieder ganz ruhige Formulierungen, die dem Roman eine besondere Stärke verleihen. So etwa das Crescendo der Trommeln, das seinem Höhepunkt entgegen strebt. Und dessen Wucht durch den Schluss deutlich wird: "Die Stille der Trommel". Immer wieder zeigt sich das dramaturgische Fingerspitzengefühl des Autors, der gefangen nimmt und seine Leser ähnlich berauscht, wie es der Rhythmus der Trommeln mit den auf Rache sinnenden Brass tut.
Fiktiv und doch so lebendig
Zur "komischen" Heldin hat Jens J. Kramer die Engländerin Mary Cooley bestimmt. Sie reist ins Nigerdelta, vordergründig um Fische für die Royal Geographic Society zu fangen. In Wahrheit auf der Suche nach Abenteuer und Lebenslust, geht sie unerschrocken ihren Weg - der sie mehr als einmal ins Wasser wirft. Doch da ist der kauzige Cap'n, der sich irgendwie für die schrullige Engländerin verantwortlich fühlt, die so wenig Sinn für Gefahr hat - und die über einen starken Schutzgeist verfügt. Denn es wäre grundfalsch, sich unter der - fiktiven - Figur Mary Cooley ein leicht dümmliches Geschöpf vorzustellen, das sich ständig in Gefahr bringt. Es sind aber nicht nur diese beiden "Helden", die den Roman so köstlich und belebend machen, es sind auch die vielen anderen Protagonisten, die gefährlicher als eine Raubkatze oder liebenswürdiger als eine schnurrender Kater auftreten - und doch so viel Charakter und Persönlichkeit mitbringen.
Ein Stück Kolonialgeschichte
Hinter all den verwickelten Taten der Protagonisten verbirgt Jens J. Kramer die eigentliche Botschaft des Romans: Die Schilderung eines Stücks Kolonialgeschichte. Diese ist durchaus real und detailliert recherchiert. Aber nie erdrückend, wenn auch da und dort eine etwas zu ausführliche Schilderung den Lesefluss hemmt. Nicht glücklich gelöst ist die Frage der Zeitsprünge. Der Autor verzichtet auf nähere Datumsangaben, damit macht er es da und dort sehr schwierig, die Chronologie auf die Reihe zu bringen. Auch wenn es möglicherweise ein bewusst eingesetztes Stilelement ist, gibt es dafür doch einen leichten Abzug. Positiv ist hingegen die Karte, die einen Überblick über das Gebiet gibt und so die Ereignisse besser nachvollziehen lässt.
Jens J. Kramer, Rütten und Loening
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