Das Krähenweib
- Droemer-Knaur
- Erschienen: Januar 2010
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- Droemer-Knaur, 2010, Titel: 'Das Krähenweib', Originalausgabe
Mut zum ungewöhnlichen Blickwinkel
Kurzgefasst:
Krähenweib! Dieses Schimpfwort schallt Annalena im Walsrode des Jahres 1701 immer wieder entgegen, denn sie ist eine Unehrliche, eine Henkerstochter. Sie versucht alles, um diesem Schicksal zu entkommen - und ihrem brutalen Ehemann. Als sie Johann Friedrich Böttger kennenlernt und die beiden sich verlieben, schöpft Annalena Hoffnung auf ein neues Leben. Doch Johann hat noch eine andere Geliebte: die Alchemie! Und diese Liebe ist trügerisch, denn sie führt Johann in die Kerker Augusts des Starken. Annalena folgt dem Alchemisten nach Dresden und findet sogar eine Anstellung am Hof. Doch kann es ihr gelingen, Johann aus den Fängen des mächtigen Kurfürsten zu befreien?
Leicht hat es Annalena nicht: Zunächst wird sie als Tochter des Henkers in Lübz als Krähenbalg verspottet, dann gibt ihr Vater sie auch noch einem brutalen Henkersknecht zur Frau. Erst als Peter Mertens sie beinahe totschlägt, wehrt sie sich und flüchtet. Auf fremde Hilfe kann sie dabei nicht zählen - als Tochter eines Henkers und Frau eines Henkerknechtes ist sie eine Unehrliche und wird nirgends gern gesehen. Auf der Flucht vor ihrem Mann kommt Annalena schließlich nach Berlin, wo sie in die Dienste des verschlagenen Kaufmanns Röber tritt. Dieser hat ein Auge auf seine hübsche Magd geworfen. Annalena ihrerseits ist dem Apothekergesellen Johann Friedrich Böttger zugetan, den sie auf dem Markt kennen gelernt hat. Mit Böttger, dessen Leidenschaft die Alchemie ist, muss Annalena erneut flüchten. Die Flucht führt sie nach Dresden.
Plädoyer für die Menschlichkeit
Geschickt verwebt Corina Bomann in ihrem Roman verschiedene gesellschaftliche Begebenheiten des frühen 18. Jahrhunderts. Einerseits ist es die zweifelhafte Haltung, die die ehrlichen Bürger ihren Henkern und Henkersknechten gegenüber an den Tag legten. So greifen auch die Bürger von Walsrode, wo Annalena mit ihrem Mann lebt, gerne auf die Dienste der Unehrlichen zurück, wenn es darum geht, Leiden zu heilen. Denn nebst den Aufgaben als Henker, also Vollstrecker der von den Gerichten gefällten Todesurteilen, sind die Unehrlichen auch meist heilkundig und haben ein großes Wissen in Sachen Heilkräuter. So auch Annalena. Andererseits werden die Unehrlichen aber als verfemte Menschen gemieden. Doch ist es nicht nur dieser Berufsstand, den die Autorin hier näher beleuchtet. Annalenas vernarbter Rücken - ein "Geschenk" ihres Ehemannes, zeichnet sie als Gesetzesbrecherin oder Hure aus, was es ihr fast unmöglich macht, in einem ehrbaren Haus eine Anstellung zu finden. Als die junge Frau dennoch eine Anstellung findet, erlebt sie die Rechtlosigkeit der Frau als Bedienstete. Dies alles wird in einer so lebendigen Sprache geschildert, dass es als ein Plädoyer für Menschlichkeit verstanden wird.
Eine Frau an der Seite
Im Anhang zum Buch stellt Corina Bomann klar, dass die Liebe zwischen Annalena und Böttger auf Fiktion beruht. Und doch könnte es eine solche Liebe gegeben haben, wie die Autorin meint. Mit ihrer Präzisierung tut Corina Bomann all jenen Genüge, die auf historischer Genauigkeit bestehen. Damit lässt sich der Roman bedenkenlos genießen - als eine Mischung zwischen historischen Gegebenheiten und schriftstellerischen Freiheiten. Die in den Roman eingewebte Liebesgeschichte zwischen Annalena und Böttger kommt stimmig und nicht zu süß daher, sie schiebt sich nicht zu stark vor den historischen Teil. Etwas Stirnrunzeln dürfte hingegen die Anzahl der glücklichen Zufälle, die das Schicksal von Annlena bestimmen, hervorrufen.
Makellose Heldin
Einzig bei den Charakteren gibt es ein paar Einschränkungen. Annalena ist ohne jeden Tadel, eine strahlende, makellose und unerschrockene Heldin. Damit fehlt ihr aber da und dort die Tiefe. Sie vermag nicht mitzuhalten mit Böttger, der zwar zielstrebig seiner Leidenschaft frönt, aber einige kleinere charakterliche Schwächen und Stärken aufweist und damit an Größe gewinnt. Überzeichnet wirken auch die Bösewichte, die Annalena bedrängen. Da sie so aber in den Verlauf der Geschichte passen, mag man es der Autorin nachsehen. Zumal sie sprachlich wie auch vom Plotaufbau her mit großem Geschick vorgeht.
Nicht für Porzellan-Fans
Wer sich von diesem Roman mehr über die Geschichte des Porzellans verspricht, wird wohl etwas enttäuscht sein. Hier könnte die Figur von Johann Friedrich Böttger für falsche Erwartungen sorgen. Allerdings lassen weder Klappentext noch Titel oder Buchcover diese falschen Erwartungen aufkommen.
So empfiehlt sich dieser Roman für Leserinnen und Leser, die eine starke Sprache, einen gut aufgebauten Handlungsstrang und eine feinfühlige Schilderung gesellschaftlicher Zusammenhänge in früheren Jahrhunderten mögen und sich nicht an einer zentralen Liebesgeschichte stören.
Corina Bomann, Droemer-Knaur
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