Der Kalligraph des Bischofs
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- Erschienen: Januar 2002
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- , 2002, Titel: 'Der Kalligraph des Bischofs', Originalausgabe
Ein gelungenes Debüt
Turin im 9. Jahrhundert: Der junge Germunt findet hier Zuflucht, nachdem er aus seiner Heimat über die Alpen geflohen ist. Ihm auf den Fersen sind vier Bluträcher, die seinen Tod fordern. Mehr schlecht als recht schlägt er sich als Dieb durch, bis er eines Tages vom Bischof Claudius über den Haufen geritten wird. Nach seiner Genesung findet er Anstellung am Bischofspalast von Turin und lernt das Schreiben und Lesen, ist von dieser Tätigkeit bald fasziniert. Trotzdem bringt er sich immer wieder in Schwierigkeiten, bei denen ihm der Bischof tatkräftig zur Seite steht.
Doch Claudius hat selbst bald ernste Probleme. Der Graf Godeoch möchte den kirchlichen Widersacher im Kampf um die Herrschaft Turins aus dem Weg räumen und Claudius liefert ihm reichlich Munition. Der Bischof verabscheut nämlich Heiligenfiguren und Kreuze in den Kirchen, die die Gläubigen seiner Meinung nach nur von Gott ablenken. So manövriert er sich schließlich in eine fast ausweglose Situation.
Farbenprächtig und ausdrucksstark
„Der Kalligraph des Bischofs" ist ein Buch der leisen Töne, dabei aber trotzdem ein farbenprächtiges Werk. Durch die eingängige und ausdrucksstarke Sprache fühlt man sich als Leser mitten in die Zeit und die Geschichte hineinversetzt. Die sich durch den Schnee kämpfenden Ochsen stehen einem bildlich vor Augen, die furchtbaren Gerüche Turins im Sommer meint man direkt zu riechen und die Stille in einer Schreibstube, nur unterbrochen vom Kratzen der Feder auf das Pergament, klingt einem im Ohr.
Zum Einen erzählt das Buch die Geschichte von Claudius, dem Bischof von Turin, der sich mutig den Sarazenen und anderen Feinden entgegenstellt. Da er sehr extreme Ansichten der kirchlichen Lehre vertritt, spielt er seinen Feinden aber immer wieder in die Hände. Für ihn sind nämlich die Heiligenbilder und die Kreuze in Kirchen nichts anderes als „Götzenbilder" und er ermutigt seine Gläubigen, direkt zu Gott zu beten. Dies steht in deutlichem Gegensatz zu der kirchlichen Lehre der damaligen Zeit und selbst ein Bischof ist nicht vor der Anklage der Ketzerei gefeit, sodass er sich immer wieder in Schwierigkeiten bringt.
Auf der anderen Seite geht es um den jungen Germunt, der versucht, von Selbstzweifeln und Selbstverachtung geplagt, seinen Platz im Leben zu finden. Nach und nach erfährt man auch, was für ein Geheimnis ihn umgibt, dass ihn zur Flucht aus seiner Heimat gezwungen hat.
Der tägliche Kampf gegen sich selbst
Zwei Sachen werden in diesem Buch deutlich: dass fast jeder täglich gegen seine Schwächen und Unzulänglichkeiten zu kämpfen hat und dass es nicht immer gelingt, sich selbst zu besiegen, so sehr man sich auch bemüht. Das galt damals und gilt auch noch heute, so dass viele der Handlungen und Taten der Protagonisten für den Leser nachvollziehbar und glaubhaft dargelegt sind.
Zum Zweiten zeigt Titus Müller auf, dass es sehr wohl gelingen kann, sich im richtigen Augenblick zu überwinden und für die Sache oder die Person einzutreten, an die man glaubt oder die man liebt, auch wenn es bedeutet, sich selbst Unannehmlichkeiten zu bringen oder dass man persönlich einiges riskieren muss. Dabei wirkt das Buch aber keinesfalls belehrend oder maßregelnd, die Erkenntnisse kann der Leser sozusagen „nebenbei" gewinnen, wenn er sich auf den Text einlässt und auch einmal zwischen den Zeilen liest.
Hier liegt aber auch eine Schwachstelle des Buches: Manchmal sind die Zwischentöne schon fast zu leise, so dass einem, wenn die Aufmerksamkeit einmal nachlässt, das eine oder andere Detail entgehen kann.
Alles in allem ist „Der Kalligraph des Bischofs ein wunderbares, feinfühliges und farbenprächtiges Buch, das dem Leser einiges vermitteln kann, wenn er sich darauf einlässt.
Titus Müller, -
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