Mord in der Josefstadt
- Rowohlt
- Erschienen: Januar 2010
- 1
- Rowohlt, 2008, Titel: 'Lord Mord', Originalausgabe
Unterhaltsames Sitengemälde aus Prag
Kurzgefasst:
Ende des 19. Jahrhunderts: Eine Mordserie erschüttert die Prager Josefstadt. Immer wieder werden Prostituierte tot aufgefunden. Adi, ein tuberkulosekranker und heroinsüchtiger junger Mann aus gutem Hause, verfolgt das Geschehen nicht ohne Voyeurismus. Als aber seine Geliebte umgebracht wird, macht er sich auf die Jagd nach dem Mörder. Dieser versetzt das Viertel auch deshalb in Angst und Schrecken, weil man in ihm Kleinfleisch vermutet, eine abgrundtief hässliche und zutiefst böse Gestalt aus der jüdischen Mythologie, vergleichbar mit dem Golem, was den Morden eine mythische Dimension gibt. Seine nächtlichen Streifzüge durch das Judenviertel, in dem mittelalterliche Häuser mit schiefen Schornsteinen und gotischen Kragsteinen sich in engen Gassen aneinanderducken, lehren Adi das Fürchten. Schon wieder wurde eine Frau umgebracht, hinter vorgehaltener Hand wird der Name Kleinfleisch geflüstert. Adi aber verfolgt längst eine ganz andere heiße Spur. Und eines Nachts steht er dem gesichtslosen Mörder plötzlich gegenüber.
Morde an jungen Frauen, die den Gerüchten nach von einer mythischen Gruselgestalt verübt werden, erschüttern Prag. Ende des 19. Jahrhunderts, die Assanierung der Josefstadt, des alten jüdischen Viertels, hat gerade begonnen, als eine Mordserie an jungen Prostituierten die Menschen in Angst und Schrecken versetzt. Adi, ein wohlhabender Dandy aus altem Adel, unternimmt regelmäßig Streifzüge durch die Prager Judenstadt und wird in die Ereignisse hineingezogen.
Leichten Mädchen und heroische Pillen
Adi, selbst ist ein Freund der leichten Mädchen, war mit einer der Getöteten wohl vertraut. Die Geschehnisse begleitet er mit einem gewissen Voyeurismus. Schnell macht unter der Bevölkerung der Namen "Kleinfleisch", eine Spukgestalt aus der jüdischen Sagenwelt, die Runde und wird mit den Untaten in Verbindung gebracht. Doch Adi, der gegen sein Lungenleiden dem gerade neuerfundenen Heroin zuspricht, verfolgt eine ganz andere Spur. Und eines Nacht steht Adi auf einem seiner Streifzüge der gesichtslosen Spukgestalt unvermittelt gegenüber ...
Bonvivant und Schatten des Lebens
Das Buch ist weit mehr als ein gelungener Kriminalroman, es ist vielmehr ein Sittengemälde des Prag des 19. Jahrhunderts aus dem Blickwinkel eines gutsituierten Lebemannes. Adi entstammt einem alten Adelsgeschlecht und seinen Tagesablauf bestimmen die Freuden des Lebens. Ihn plagen kaum Geldsorgen und falls doch mal, hat er gute Freunde, die aushelfen können. Allerdings leidet er unter einer Lungenkrankheit, die er mit Hilfe des neuerfundenen Heroins zu behandeln versucht. Diese Beschreibung klingt zunächst wenig ansprechend, doch dem Autor gelingt es, Adi als sympathischen Helden des Romans zu zeichnen. Er ist seinen Frauen und Freunden zugetan. Auch die Geschehnisse in der Josefstadt, die in der breiten Öffentlichkeit wenig Beachtung finden, fesseln sein Interesse und er ist bestrebt, den Täter dingfest zu machen. Dabei scheut er auch den Konflikt mit den Großen und Mächtigen nicht. Dass er dabei in die revolutionären Bestrebungen Böhmens verwickelt wird, muss er in Kauf nehmen.
Subtile Spannung und eine en passant erzählte Krimihandlung
Der Roman lebt von einer ganz subtilen Spannung und vermag den Leser dabei ungemein zu unterhalten. Die eigentliche Krimihandlung wird en passant erzählt und ist dabei ein Spiegelbild von Adis Leben, welches sich ebenfalls wie zufällig gestaltet. Das Augenmerk des Erzählers liegt auf der Beschreibung der Stimmung in Prag zur Zeit der Assanierung, als die Menschen ihre Wohnungen und Häuser verloren und in neue hygienische Wohnungen umgesiedelt wurden und dabei ihre gewachsenen Bindungen und ein Stück Identität verloren. Es ist, als streife der Leser Nacht für Nacht mit Adi durch das alte Prag und bedaure den Abriss der Häuser und entdecke das Entstehen täglich neuer Baugruben.
Die Sprache des Romans vermag den Leser ins 19. Jahrhundert zu versetzen. Dem Autor gelingt es, durch den Stil und Ausdruck eine stimmungsvolle, fast Kaffeehausatmosphäre zu schaffen, ohne dabei den Lesefluss zu beschränken. Das Leben der Menschen in der Josefstadt wird in ganzer Vielfalt und Unterschiedlichkeit beschrieben, so dass der Leser in diese Zeit eintauchen kann, um mit Adi Kleinfleisch zu verfolgen und den Täter zu finden.
Als einziger Kritikpunkt mag angeführt werden, dass die politischen Ereignisse und die freiheitlichen Bestrebungen Böhmens nur am Rande gestreift werden und für den mit der Landesgeschichte nicht vertrauten Leser dadurch etwas verschwommen bleiben.
Insgesamt aber ein gelungener Roman mit Krimihandlung, der ein interessantes Kapitel der Prager Geschichte beschreibt und für unterhaltsame Lesestunden wunderbar geeignet ist.
Milos Urban, Rowohlt
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