Im Tempel der Wildgänse

  • Bebra
  • Erschienen: Januar 2008
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  • Bebra, 1961, Titel: 'Gan no tera', Originalausgabe
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Jörg Kijanski
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Histo-Couch Rezension vonJul 2010

Der japanische Bestseller liegt erstmals in deutscher Sprache vor.

Kurzgefasst:

November 1934. Der Abt des Kohoan-Tempels verschwindet spurlos. Hat er sich trotz seines fortgeschrittenen Alters auf eine spirituelle Wanderung begeben? Oder ist er betrunken im Wald verunglückt? Zuletzt gesehen wurde er nur von seiner Geliebten, die heimlich mit ihm im Kloster lebte, und von einem jungen Novizen, dessen Herkunft ein dunkles Geheimnis umgibt... Haben die beiden etwas mit dem Verschwinden des Abts zu tun?

 

Kishimoto Nangaku, ein bekannter Maler, erhält am Tag vor seinem Tod einen letzten Besuch von Kitami Jikai, dem Abt des nahe gelegenen Kohoan-Klosters. Hier lebte Nangaku längere Zeit und verschönerte einen Raum mit zahlreichen Bildern von Wildgänsen, die lebensecht auf die Betrachter wirken. Jetzt, da Nangaku im Sterben liegt, ist es ihm wichtig, dass sich nach seinem Tod jemand um Sato, seine Geliebte, kümmert und übergibt diese in Jikais Obhut. Schon lange fühlt sich Jikai zu Sato hingezogen und nimmt diese nur zu gerne als Geliebte in seinem Kloster auf. Neu im Kohoan-Kloster ist auch der erst neunjährige Jinen, der soeben seine Ordination erhalten hat und sich um die alltäglichen Arbeiten zu kümmern hat.

Jinen leistet seine Arbeit mit hoher Zuverlässigkeit, ist jedoch aufgrund einer körperlichen Verunstaltung wenig beliebt. Auf seinem schmächtigen Körper thront ein überdimensionaler Kopf, seine Augen wirken eingefallen und zudem gibt sich der Junge sehr einsilbig. Auch seine Herkunft ist für Sato völlig unbekannt. So hat vor allem sie große Schwierigkeiten mit Jinen, wird jedoch durch die nahezu täglichen Liebesspiele mit Jikai abgelenkt.

So vergeht die Zeit als sich eines Abends Jikai von Sato verabschiedet. Er wolle ins Kloster Genkoji gehen, um dort mit einem befreundeten Abt eine Partie GO zu spielen. Doch in Genkoji kommt Jikai nie an, war angeblich auch schon längere Zeit nicht mehr dort gewesen. Aber wo war er dann, wenn er sich zum GO spielen verabschiedete und vor allem, wo ist Jikai jetzt? Sollte er trotz seiner 58 Jahre noch einmal auf Wanderschaft als Bettelmönch gegangen sein oder ist er, der regelmäßig und viel Sake trank, womöglich auf seinem Weg verunglückt?

Im Tempel der Wildgänse ist ein auf den ersten Blick recht einfach gestrickter Roman. Ein Abt lebt mit seiner Geliebten und seinem Novizen in einem Kloster und verschwindet eines Tages spurlos. Der Verdacht liegt nahe, dass hier ein vertracktes Liebesgeflecht die Lösung bietet, doch es kommt ganz anders. Angesichts der wenigen Personen und den damit verbundenen geringen Lösungsmöglichkeiten über den Verbleib des Abtes, überrascht die Auflösung nicht wirklich, aber darauf kommt es im vorliegenden Fall auch gar nicht an.

Der Roman ist eine kurzweilige Geschichte, in der das Leben im Tempel sowie das nicht ganz unkomplizierte Verhältnis zwischen Jikai, Sato und Jinen im Vordergrund stehen, so dass man nicht bemerkt, dass die Geschichte in den 1930er Jahren spielt. Einsamkeit, Besessenheit, Armut und Würde sind Mizukamis vorrangige Themen, dessen preisgekrönter Roman sehr deutliche autobiografische Züge enthält. Wie Jinen wurde auch der Autor von seinen Eltern in ein Kloster abgegeben, in dem er sich nie recht wohl fühlte. Armut, Krankheit und das Gefühl ein Außenseiter zu sein prägten viele Jahre seines Lebens bevor er mit dem Schreiben begann und zu einem der beliebtesten Schriftsteller Japans wurde. Seinen Stil vergleicht The Independent mit den Werken von Patricia Highsmith und Leonardo Sciascia. Keine schlechten Gegenüber möchte man meinen und in der Tat drängen sich gerade die "ruhigen", sehr atmosphärisch gehaltenen Werke des italienischen Autors Sciascia zum Vergleich auf. Gan no tera erschien im Original bereits 1961, doch obwohl Mizukamis Gesamtwerk zahlreiche Bände umfasst, gibt es bisher kaum internationale Übersetzungen. So ist es besonders erfreulich, dass der be.bra-Verlag in seiner Japan-Edition diesen lesenswerten und (nahezu) zeitlosen Roman der deutschen Leserschaft zugänglich macht.

 

Im Tempel der Wildgänse

Tsutomu Mizukami, Bebra

Im Tempel der Wildgänse

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