Der Ruf der Walküren
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- Erschienen: Januar 2010
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- , 2010, Titel: 'Der Ruf der Walküren', Originalausgabe
Die Nibelungensaga zu sehr entstaubt
Kurzgefasst:
Fünf Menschen. Grimhild, die aus Liebe eine Katastrophe heraufbeschwört. Sigfrid, der plötzlich versteht, als es zu spät ist. Hagen, dessen eiserne Selbstbeherrschung von einem Lächeln bis auf den Grund zerschlagen wird. Brünhild, die ihre Seele verschenkt und der Macht gebrochener Versprechen erliegt. Gunter, der zum ersten Mal etwas für sich will und sich nicht damit abfinden kann, dass es unerreichbar sein soll.
Fünf Menschen, die in unauflösbaren Leidenschaften miteinander verstrickt sind. Fünf Menschen, die ihrem Schicksal nicht entfliehen können. Denn Wodan, der Gott der Ekstase, liebt es, Lust und Leid gleichermaßen bis zum Äußersten auszuloten.
Wir haben wohl alle in der Schule die Nibelungensaga gehört, von Siegfried, der den Drachen erschlug, von Hagen, der den Siegfried erschlug und von vielen weiteren Begebenheiten bis hin zum Goldschatz, der im Rhein versenkt wurde und der bis heute nicht gefunden wurde. Gunnar Kunz hat die Geschichte entstaubt und in einen historischen Roman verwandelt.
Es ist die Zeit der Völkerwanderung. Im Jahr 477 erscheint Sigfrid, ein Königssohn, bei den Niflungen. Die Tochter des toten Königs, Grimhild, verliebt sich sofort in ihn und will ihn für sich gewinnen. Da Sigrid bereits einer anderen versprochen ist, wendet sie einen Trank an, der ihn zu Grimhild bringt, und die beiden verlieben sich und werden unzertrennlich. Kritisch beäugt wird das ganze nicht nur von Hagen, dem Schmied und Halbalben, der bei den Niflungen lebt. Auch König Gunter, Grimhilds Bruder, ist sich zunächst nicht sicher, was er davon halten soll.
Gunter schmiedet selbst Heiratspläne, und zwar mit Brünhild, mit der Sigfrid einst ein Stelldichein hatte, sich aber aufgrund des Trankes von Grimhild nicht mehr daran erinnern kann, dass er ihr einst die Ehe versprochen hatte. Ausgerechnet Sigfrid soll nun zu Brünhild reiten und bei ihr in Gunters Namen um ihre Hand anhalten. Somit ist Ärger vorprogrammiert, und auch die Alben, deren Schwert Sigfrid besitzt, mischen in diesem Verwirrspiel mit. Und somit sind viele Königsgeschlechter dem Untergang geweiht.
Historisch oder eher Fantasy?
Gunnar Kunz schreibt erstmals einen Roman aus der Zeit der Völkerwanderung, wenn man diesen Roman überhaupt so bezeichnen kann, denn eigentlich hat er damit überhaupt nichts zu tun und spielt nur in dieser Zeit. Das Auftauchen des Drachens, den Sigfrid tötet, mutet auch mehr an, dass die Geschichte vielleicht mehr in den Bereich Fantasy gehört, allerdings wird man so einer der ältesten und berühmtesten Sagen der Deutschen natürlich nicht gerecht. Auch das Auftauchen von Schwarzalben, zu denen Hagen gehört, lässt den Leser überlegen, was für eine Art Roman er denn nun da in den Händen hält.
Gunnar Kunz pflegt einen recht uneinheitlichen Schreibstil. Mal gelingt es ihm, den Leser durch seine Sprache an das Geschehen zu fesseln, beispielsweise wenn das Schwert geschmiedet wird oder Kämpfe stattfinden. Dann gibt es aber auch immer wieder Erzählteile, in denen man das Gefühl hat, er schreibe einen Kinderroman, mit wenig Gefühl und völlig ohne Pathos, fast gelangweilt, weil diese Passage irgendwie mit in den Roman hinein muss. Dies stört natürlich das Leseempfinden, wenngleich sich dadurch der Roman schneller durchlesen lässt.
Figuren bleiben blass
So bleiben auch leider die meisten Figuren recht blass, und gerade Grimhild schafft es schnell, dass sie dem Leser auf die Nerven geht mit ihrem ewigen schlechten Gewissen. Man hat schnell kapiert, dass sie Sigfrid liebt und dass sie alles dafür tun wird, ihn zu behalten, ebenso wie man schnell gewahr wird, dass Brünhild darauf wartet, von Sigfrid geheiratet zu werden. Das ist naiv und, schlimmer noch, genauso vom Autor formuliert. Hier wären ein paar Varianten durchaus wünschenswert gewesen.
Wer erwartet, hier eine spannende und erhellende Neuerzählung des Nibelungenliedes präsentiert zu bekommen, wird sicherlich enttäuscht werden. Und auch Schüler, die meinen, diesen Roman lesen zu können, um ihre Nibelungen-Klausur zu bestehen, seien gewarnt: Lest lieber das Original, es ist zwar vielleicht nicht so leicht verständlich, letztlich aber um einiges spannender und auch durchgängiger erzählt.
Wer meint, hier die Vorlage zu Richard Wagners Operntetralogie des Rings der Nibelungen in 350seitiger Romanform zu bekommen, sei ebenfalls gewarnt: hier ist auch einiges anders als man es zu kennen meint.
Insgesamt hinterlässt Der Ruf der Walküren einen zwiespältigen Eindruck. Zwar freut man sich, eine vielleicht verständlichere Version der Sage als das Original zu lesen, allerdings ist einiges geändert und sprachlich liest man ein Auf und Ab. Hier wäre ein einheitlichere Sprache unbedingt vonnöten gewesen. Immerhin hat der Autor einen Glossar, ein Personenverzeichnis und ein Runenverzeichnis angehängt sowie ein Karte mit den Schauplätzen in Franken und Sachsen zu dieser Zeit. Diese Karte ist allerdings zum einen unvollständig, zum anderen sind die damaligen Ortsnamen nicht in die heutigen Ortsnamen transponiert, so dass einem die Karte eigentlich nicht viel bringt und man sie dann auch hätte weglassen können. So geht das Gesamtergebnis des Romans eher in Richtung Enttäuschung denn in Richtung Erhellung. Schade.
Gunnar Kunz, -
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