Die Himmelsstürmerin
- Rotbuch
- Erschienen: Januar 1998
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- Rotbuch, 1998, Titel: 'Die Himmelsstürmerin', Originalausgabe
Hier stimmt der ganze Mix
Kurzgefasst:
Gertrud Elisabeth Freiin von Beust wächst wohlbehütet im Schloss ihrer Eltern bei Weimar auf. Nichts stört ihre romantische Sicht auf die Welt. Nach ihrer Adoption durch den Herzog von Schleswig-Holstein scheinen schließlich alle Wege für ihren Aufstieg in den europäischen Hochadel und eine sorglose Zukunft geebnet. Doch der Ausbruch des Deutsch-Französischen Krieges 1871 erschüttert die Idylle, und Gertrud gelangt nach Paris, wo sie dem deutschen Deserteur Albert Lauterjung, Messerschleifer und Sozialdemokrat, begegnet. Er bringt ihre Weltanschauung ins Wanken - und erobert ihr Herz. Als die Pariser Commune die alte Ordnung hinwegfegt, muss sie sich entscheiden, auf welcher Seite sie steht...
Wird ein historischer Roman aus Komponenten wie "junge Adelige wird entführt", "unstandesgemässe Liebe" und "unerschrockener Held" zusammen gesetzt, muss er damit rechnen, von einigen in die Ecke der "Nackenbeisser" geschoben zu werden. Dies könnte auch diesem Roman passieren - womit ihm jedoch auf der ganzen Linie Unrecht geschähe. Tatsächlich spielen die typischen "Nackenbeisser"-Elemente eine gewichtige Rolle in Die Himmelsstürmerin, doch sind sie in einem durch und durch gut geratenen Roman ein an sich stimmiger Teil. Tatsächlich wird die junge Adlige Gertrud von Beust aus ihrem behüteten Leben gerissen und mitten hinein in ein von revolutionären Gedanken durchdrungenes Paris geworfen. Dort begegnet sie dem wagemutigen Deserteur Albert Lauterjung, der ihr die Auswüchse des Standesdünkels vor Augen führt. Und in der unkonventionell denkenden Gertrud den sozialdemokratischen Gedanken weckt.
Sehr gut getroffen
Autorin Jutta Ditfurth trumpft gleich zu Beginn des Romans mit Szenen auf, die ein Versprechen für das ganze Buch sind. Ein Versprechen übrigens, dass fast vollständig eingehalten wird. Vor dem geistigen Auge des Lesers entsteht das Bild einer rotzigen, wenngleich adligen jungen Dame, die sich nicht nur auf eine etwas temperamentvolle Art gegen die Intrigen innerhalb der besseren Gesellschaft stellt, sondern auch - ganz ihrem Alter entsprechend - in heftigen Gefühlsausbrüchen ihren verletzten Stolz präsentiert und einen spektakulären Abgang wählt. Die Autorin kommt dabei der Protagonistin so nahe, dass man den Eindruck bekommt, sie sei als stumme Beobachterin dabei gewesen. Dass Jutta Ditfurth die Urenkelin von Getrud von Beust ist, erklärt diese Nähe nur zum Teil. Der andere Teil findet sich wohl im erzählerischen Talent der Autorin.
Zwischen Hofleben und Revolution
1871 kommt die verwöhnte Getrud nach Paris. Sie gerät von einer heilen Welt, die die Realität noch teilweise auszublenden vermag, in eine Welt des Aufbruchs. Staunend erlebt die junge Frau, wie sich die Gesellschaft zu verändern beginnt. Und dass dies nicht ohne Auswüchse auf beiden Seiten passieren kann. Sehr geschickt geht die Autorin mit dieser Zerrissenheit um. Sie macht sich weder über die höfischen Sitten lustig, noch verklärt sie das revolutionäre Gedankengut. Ohne Wertung stellt sie die beiden Welten einander gegenüber. Und gerade dadurch kann sie äußerst starke Bilder vom Geschehen zeichnen. Leider gibt es aber im Verlauf der Geschichte einige Wendungen, die nicht so richtig ins Bild passen wollen, oder die erst relativ spät erklärt werden. Dies führt zu einigen Irritationen, die so nicht sein müssten. Das positive Gesamtbild vermögen sie jedoch nicht zu schmälern.
Ein Stück Geschichte
Jutta Ditfurth hat die Geschichte ihrer Urgroßmutter als Basis für einen Roman genommen, der sich mühelos von der breiten Masse abhebt und nicht nur vom Gehalt, sondern auch von der Sprache her überzeugt. Sie präsentiert mit Die Himmelsstürmerin ein Stück Geschichte, das den meisten im Geschichtsunterricht wohl zu trocken gewesen wäre, um sich ernsthaft damit auseinander zu setzen. Und genau dies macht Die Himmelsstürmerin zu einem kleinen Juwel. Denn die Mischung aus Fakten und Emotionen hat zu einem überzeugenden Werk geführt, das zu lesen sich auf jeden Fall lohnt. Dass der Roman mit einem stimmigen Cover und einer ganzen Reihe von Fotos, allen voran einem Bild von Gertrud von Beust, versehen ist, macht ihn noch stärker zu einem Erlebnis.
Allerdings stellt die Autorin auch Ansprüche an die Leserschaft. Sie legt kein Werk vor, das man eben mal schnell weg liest, sondern einen Roman, der auch dann noch Wirkung zeigt, wenn das letzte Wort schon gelesen und das Buch zugeklappt ist.
Jutta Ditfurth, Rotbuch
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