Die russische Herzogin

  • List
  • Erschienen: Januar 2010
  • 9
  • List, 2010, Titel: 'Die russische Herzogin', Originalausgabe
Die russische Herzogin
Die russische Herzogin
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Daniela Loisl
871001

Histo-Couch Rezension vonSep 2010

Gelungene Fortsetzung der Zarentochter

Kurzgefasst:

Nicht immer hält das Leben, was es verspricht, das muss auch Zarentochter Olga erkennen. Ihre Ehe mit Kronprinz Karl von Württemberg bleibt kinderlos, der Hof in Stuttgart ist ihr lange Zeit fremd. Als der Zar sie bittet, seine Nichte Wera aufzunehmen, willigt Olga freudig ein. Doch das Mädchen ist schwierig, wild und unberechenbar. Olga setzt alles daran, aus Wera eine würdige Großfürstin und einen glücklichen Menschen zu machen. Beide Frauen müssen viele Träume begraben. Doch ihre Freundschaft hilft ihnen, neue Wege zu gehen und dem Leben ein wenig Glück abzutrotzen.

 

Stuttgart 1863: Der russische Zar bittet seine Schwester Olga, genannt Olly, und ihren Mann Kronprinz Karl von Württemberg, die jüngste Tochter Wera ihres gemeinsamen Bruders Kosty für eine Weile bei sich aufzunehmen, damit sich die Eltern mehr um ihre älteste Tochter, Olgata, kümmern können, die den griechischen König heiraten soll. Olly ist sofort begeistert, ist es doch ihr und ihrem Mann nicht vergönnt, eigene Kinder zu bekommen. Was Olly jedoch verschwiegen wurde ist, dass ihre Nichte alles andere als ein einfaches Mädchen ist und in der Familie alle froh sind, sie loszuwerden und Olly zugestimmt hat, sie bei sich aufzunehmen. Und so tritt die neunjährige Großfürstin Wera die lange Reise von St. Petersburg nach Stuttgart an.

"...ein böses, böses Kind!"

Der zweite Band knüpft beinah dort an wo der erste, Die Zarentochter, abschließt. Von Beginn an legt Durst-Benning ein flottes Tempo an und erzählt auf äußerst empathische Weise das Leben des kleinen Mädchens Wera. Wera ist alles andere als ein einfaches Kind, und heute würde man sagen, dass sie ein Kind mit ADHS (Aufmerksamkeitsdefizit-Hyperaktivitätssyndrom; die Autorin geht darauf auch in ihrem Nachwort ein) sei. Auf eindrucksvolle Weise schildert die Autorin, wie Wera beim Belauschen ihrer Eltern mitbekommt, dass sie quasi abgeschoben werden soll, weil niemand ihre Temperaments- und Wutausbrüche aushält.

Obwohl die Kindheit Weras mindestens ein Drittel des Buches einnimmt, entstehen nie Längen. Mit sehr viel feinem Humor beschreibt Durst-Benning die nicht immer glimpflich ausgehenden Streiche, die Wera ausheckt, und legt ihr Worte in den Mund, die dem Leser oftmals ein Lachen entlocken. Sehr gefühlvoll werden dem Leser die inneren Ängste Weras näher gebracht. Das Nichtgeliebtwerden, immer das böse Kind zu sein und stets Tadel zu bekommen, machen dem Mädchen schwer zu schaffen und ihre Schutzreaktionen sind Abwehr und Trotz. Dadurch, dass die Autorin den Leser so viel über Weras Kindheit erfahren lässt, bekommt dieser das Gefühl, Wera persönlich zu kennen und erleichtert so immens die Glaubwürdigkeit ihrer Handlungen.

Keine Schönheit, aber Intelligenz und Durchsetzungsvermögen

Leser, die großes geschichtliches Hintergrundwissen haben, oder pflegen, selbst nach dem Lesen eines historischen Romans die Richtigkeit der historischen Ereignisse nachzuprüfen, werden feststellen, dass es Petra Durst-Benning mit ihrer Recherche sehr genau nimmt. Ob es die - für damalige Zeiten abartige und brüskierende sexuelle - Neigung Karls, Ollys Mann, betrifft, ob des großen Interesses Weras an den Ulanen und allem Militärischen oder auch die Aufopferung für Bedürftige seitens Ollys ist, vieles lässt sich auch vom Laien nachverfolgen.

Dass Wera einen klugen Kopf hat, zeigt die Autorin auf subtile und einfühlsame Weise, und dass sie nicht die strahlend schöne und unwiderstehliche Frau ist wie die Protagonisten vieler anderer historischer Romane, vermittelt dem Leser Authentizität und punktet hinsichtlich Sympathie der Figur. Ist Wera auch die taffe und selbstsichere Frau, so ertappt man sie doch immer wieder dabei, wie sie sich selbst belügt, um der Wahrheit nicht ins Auge sehen zu müssen.

Durch die klare, leichte Sprache lässt sich der Roman flüssig lesen und es kommt stets Spannung auf. Sind Sprache und Erzählstil nicht unbedingt anspruchsvoll, so aber auf jeden Fall stringent, ereignisreich und mitreißend. Eine solide Geschichte mit gutem geschichtlichem Hintergrund, die kurzweilige und unterhaltsame Lesestunden beschert.

Nicht nur vielschichtige Figuren, auch ein wunderbares Gemälde von Stuttgart

Petra Durst-Benning schenkt nicht nur ihren Figuren die ganze Aufmerksamkeit, sondern widmet sich ebenso engagiert ihrer Zeichnung vom Stuttgart des 19. Jahrhunderts. Kennt man die Stadt nicht, so erscheint sie einem durch die geschickt eingewobenen Beschreibungen schier wie das feine Gemälde eines großartigen Impressionisten. Unaufdringlich und harmonisch in das umfangreiche Geschehen eingebaut sind sämtliche Schauplätze des Romans. Eine gelungene Gesamtkomposition wie sie selten bei Fortsetzungsromanen vorkommt.

Ein paar Flüchtigkeitsfehler...

Ist das Buch im Gesamten beinah fehlerfrei, so haben sich jedoch zwei Fauxpas` eingeschlichen, die einem aufmerksamen Leser kaum entgehen werden. So passiert es, dass aus dem bekannten Ausspruch "Wo kein Kläger, da kein Richter." plötzlich "Wo kein Richter, da kein Kläger" wird. Und dann gibt es noch die historisch belegte Figur des Vorlesers (und inniger Freund Karls) Charles Woodcock, aus dem plötzlich ein James wird... Dies alles hat zwar keine negative Beeinträchtigung auf das Buch, sollte einem guten Lektorat jedoch nicht passieren.

 

Die russische Herzogin

Petra Durst-Benning, List

Die russische Herzogin

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